Kapitel 8.

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Um Punkt Sieben hielt Noahs Jeep vor meiner Tür. Ich schulterte meine Tasche und schloss die Tür hinter mir ab. „Hi", sagte ich leise und ließ mich auch den Nachbarssitz plumpsen. „Wie war das Training?"
Noah startete den Motor und fuhr zurück auf die Straße. „Anstrengend, aber es hat mich ein wenig abgelenkt, das habe ich gebraucht", antwortete er zögernd. Den restlichen Weg schwiegen wir. Ich wusste nichts, was ich darauf antworten sollte. „Deine Mutter wird heute aber nicht hereinplatzen und mich rauswerfen oder?", scherzte ich und Noah lachte. Er schloss die Tür auf und ich folgte ihm in den Flur. „Nein, sie arbeitetet bis 21 Uhr."

Ich streifte meine Schuhe ab und lief mit ihm in sein Zimmer. Etwas verblüfft blieb ich stehen und sah mich um. Sein zuvor noch relativ ordentliches Zimmer war ein wüstes Durcheinander von Zeitungsartikeln, Fotos und Notizzetteln. Als ich einen Schritt nach vorne machte, wäre ich beinahe auf ein Foto getreten. Schnell sprang ich zur Seite und hob es auf. Es war Rose. Natürlich war es Rose. Sie saß auf einer Schaukel, den Kopf gegen die Kette gelehnt und lächelte in die Kamera. Ich drehte es um und sah auf das Datum. Es war gerade mal einen Monat her. Überall lagen weitre Bilder von ihr verstreut. „Was ist das hier?", fragte ich skeptisch und tänzelte um das Chaos herum zu Noahs Schreibtisch. „Ach das..."
Noah kratzte sich am Kopf und fing plötzlich hastig an alles zusammenzufegen. „Das ist nur mein verzweifelter Versuch herauszufinden wo sich meine Freundin befindet."

Ich begann ihm zu helfen. „Wie?"
Er hielt inne und sah mich an. Sein Blick brachte mich fast zum Weinen. Seine braunen Augen wirkten glasig und er biss sich auf die Unterlippe, als müsste er sich selbst daran hindern nicht in Tränen auszubrechen. „Ich habe keine Ahnung. Ich habe die letzten Orte, an denen wir waren verglichen. Ihre Freunde, ihre Feinde, ihre Träume mit ihren Ängsten."
Langsam ließ er sich auf den Boden sinken, die Hände in seinem Schoß. „Ich suche nach irgendetwas, dass mir einen Grund nennt oder ein Hinweis, wo sie sein könnte, was ihr passiert ist."

Ich kniete mich neben ihn und nahm ihn in den Arm. „Iva", flüsterte Noah leise gegen meine Schulter. „Hm?"
„Ich glaube nicht, dass sie wiederkommen wird."

Nun setzte ich mich neben ihn auf den Boden und drückte seinen Kopf noch fester an meine Schulter. Während ich mir auf die Unterlippe biss, starrte ich die Wand an, versuchte meine nächsten Worte weise zu wählen, aber ich besaß keine Weisheit, und mir fielen absolut keine tröstenden Worte ein.

„Sag so etwas nicht, Noah. Sie kommt wieder."
„Das glaubst du doch selbst nicht. Ich kenne Rose, sie würde niemals einfach abhauen", schluchze Noah plötzlich. Überfordert streichelte ich sein Haar. Ja, ich war überfordert. Erstens war ich nicht sonderlich gut im Trösten und zweitens besonders keinen Jungen und drittens hätte ich am liebsten mitgeheult. „Ich kenne Rose schon seit ich klein bin. Sie ist schon immer abgehauen, wenn es ungemütlich wurde, in der Hoffnung, dass sie jemand rettet und sich um sie bemüht. So ist sie halt."

Noah ließ mich los und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Vielleicht sollten wir das Projekt ein anderes Mal machen. Ich denke, wir finden sicher noch einen anderen Tag", sagt ich langsam und hievte mich auf die Beine, doch Noah hielt mich am Arm zurück. „Nein, bitte geh nicht", flehte er. Ich stockte. „Wenn ich bei dir bin, ist es, als bin ich ihr auch näher", flüsterte er, dann sah er beschämt auf den Boden.

So sehr mich seine Worte auch verletzten, ich konnte ihn nicht alleine lassen. Vielleicht, weil Rose fort war, vielleicht, weil er sagte, dass er mich brauchte, auch wenn es nur war um sich an sie zu erinnern oder vielleicht, weil ich trotz dem Stich in meinem Herzen nicht gehen wollte.
„Dann lass uns erst einmal ein wenig aufräumen", sagte ich leise und half Noah auf die Beine. Er lächelte dankbar und wischte seine Tränen weg. „Wenn du jemandem jemals erzählst, dass ich vor dir geheult habe..."
„Wirst du mich umbringen und hinter dem großen Baum in deinem Garten verscharren, schon klar", beendete ich seinen Satz und wir beide lachten. Mein Bruder Tom und er hatten diesen Spruch früher fast jeden Tag zueinander gesagt. Insbesondere, wenn sie sich ausversehen gegenseitig zeigten, dass sie doch ein Herz besitzen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 20, 2017 ⏰

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