Dies wäre absolut nicht notwendig gewesen

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Am folgenden Tag saß ich mit einem mulmigen Gefühl am Frühstückstisch. Die Sonne schien heute nicht mehr und so war für uns alle klar, das wir den Tag nicht drinnen verbringen würden.
Ich war nah dran gewesen das Angebot meiner Mutter, heute noch einmal zu Hause zu bleiben, anzunehmen. Doch letzten Endes erkannte ich, dass es absolut nichts brachte, außer das ich alles noch länger vor mir herschob. Und wenn ich David nicht bald eine Erklärung gab, würde er sicher von selbst hier herkommen und das war mehr als ungesund für ihn. Jake wusste auch ohne das ich es ihm zu erzählen brauchte, dass mir ganz schlecht bei dem Gedanken war in die Schule gehen zu müssen.

„Soll ich mitkommen?“, hatte er gefragt und mich dabei erwartungsvoll angesehen.

Ich hatte allerdings nur ein Kopfschütteln für ihn parat.

„Es ist besser wenn ich allein gehe, Jake.“

Sofort hatte sich sein Mund zu einem leichten Schmollmund verzogen.

„Ach komm schon Jake. Am ersten Schultag war mir auch nicht wohl und da warst du auch nicht dabei.“

„Ja, da war ich nicht dabei, da hast du Recht. Aber ich war nur nicht dabei, weil ich mich an dem Tag um dein Valentinstagsgeschenk kümmern musste.“

Mit einer erhobenen Augenbraue hatte ich ihn angeschaut. „Und das wäre nicht auch wann anders gegangen?“

„Nein.“

Und damit war die Sache dann gegessen gewesen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn dann waren wir auch schon aufgestanden und ich hatte mich mehr oder weniger zum Auto hin gezwungen und war widerwillig eingestiegen.

Ein Teil von mir wollte zurück zu Jake, der jetzt mit verschränkten Armen kurz vor der Haustür darauf wartete mir zum Abschied zu winken oder ein Küsschen durch die Luft zu pusten.

Der Andere Teil indes, stand mit erhobenem Zeigefinger vor mir.
Mein Mund formte sich dennoch zu einem Lächeln, als Jacob mir wie ich schon erwartet hatte, einen Luftkuss zu schweben ließ, den ich erwiderte.

Was allerdings danach kam hatte ich nicht erwartet. Er zog sich sein Shirt und die Schuhe aus, machte einen Satz zur Seite und verwandelte sich im Sprung. Der rostrote Wolf spurtete nun zügig auf meinen Wagen zu und sprang einfach drüber hinweg. Im Rückspiegel sah ich wie er hinten wieder auf vier Pfoten landete und mir schwanzwedelnd entgegen hechelte. Ich musste kichern und das dumpfe Gefühl von eben war verschwunden.

Rasch legte ich den Rückwärtsgang ein und wendete mein schneeweißes Auto, dann fuhr ich aus dem Hof hinaus und auf die Landstraße. Neben mir hielt Jacob mühelos Schritt und erfasste mich im Spurt mit seinen schwarzen Augen.

„Wenn du meinst!“, rief ich ihm zu, legte den fünften Gang ein und trat das Gaspedal durch. Ich nahm rasch an Tempo zu. Von Null auf 100 in 4,4 Sekunden. Noch immer sah ich Jake neben mir. Ich ließ die Scheibe der Beifahrertür mit leichtem Druck auf ein Knöpfchen zu meiner Rechten hinab.

„Das ist unfair, Jake!“, rief ich ihm zu. „Du weisst genau, dass das Auto dir nicht das Wasser reichen kann, außerdem muss ich zur Schule!“

Er antwortete mit einem freudigen Bellen.

„Bis später, Jake!“

Dann bog ich bei der nächsten Möglichkeit links ab und machte mich auf den Weg zur Schule.Als ich mich wenigen Minuten später im Rückspiegel erblickte und mein Gesicht immer noch lachend strahlte, musste ich sofort an Hannah denken. Als mein Vater in meiner ersten Schulwoche zum ersten Mal mit ihr geredet hatte, hatte sie ihr Lächeln den ganzen restlichen Tag über nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Sie hatte gewirkt, als hätte sie gerade irgendwas genommen und ihre Statue vollkommen versaut.

Rising Sun - Biss das Licht der Sonne erstrahlt (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt