La Push

20.3K 409 88
                                    

Die nächsten Wochen flogen nur so dahin. Unser Nachwuchs entwickelte sich prächtig, wenn auch deutlich schneller als es normalerweise der Fall war, aber was war in unserer Familie schon jemals normal gewesen? Nicht mal von Jakes Seite aus gab es sowas wie Normalität. Kein Wunder also, dass unsere Kinder höchst unnormal waren – und doch wir liebten sie alle abgöttisch. Auch die anderen waren von den Kleinen verzaubert. Es geschah nicht selten, da schlief ein Baby in Emmetts starken Armen ein, wenn er auf dem Sofa saß und Fernsehen schaute.

Wir waren nach wie vor allesamt darauf bedacht, jede kleine Entwicklung der Kinder zu erkennen. Jedes noch so kleine Wachstum, jede Eigenart. Alles wurde genau wahrgenommen. Wir durften es uns einfach nicht erlauben etwas zu versäumen und der Vorfall mit Jake hatte mir auch gereicht. Anthony war bisher zwar das kleinste und jüngste der drei Geschwisterchen, aber er schien geistig viel weiter zu sein, als man ihm äußerlich zumutete. Er hatte Jake nicht mehr gebissen, auch wenn er es hätte können. Jake hatte seine anfängliche Scheu vor Ani rasch abgelegt. Er liebte seine Kinder viel zu sehr um ihnen fern zu bleiben und so ging er jetzt mit Ani genauso um, wie mit seinen Geschwistern. Er war auch nie über vorsichtig mit ihm. Im Gegenteil: ich wünschte mir er wäre mal vorsichtiger. Als wir mal abends auf dem Sofa gesessen hatten und er den Kleinen auf dem Schoß hatte, wollte ich Jake gerade ermahnen, dass er doch bitte nicht mit seinen Fingern an Anis Mund herum streicheln sollte. Da sah ich mit eigenen Augen, wie der Kleine Jakes Finger zwar umschloss, jedoch nicht zubiss. Ganz so, als wüsste er, dass er seinem Papa andernfalls weh tun würde.

Zu unserer allgemeinen Verwunderung konnte mein Vater sogar seine Gedanken lesen. Wir hatten vermutet, dass er ein ähnliches Schutzschild wie meine Mutter hatte und deswegen im Bauch nicht bemerkt worden war, dem war aber nicht so. Anthony beobachtete seine Umgebung stets aufmerksam, sofern er mal wach war. Er zog es häufig vor, einfach zu schlafen und das war gerade das, was uns so verwunderte. Er hatte vom Menschenblut rote Augen bekommen, aß aber genauso menschliche Nahrung, glitzerte nicht und schlief wie ein normales Menschenbaby. Er machte auch nur selten mal ein Geräusch, schrie nie und seine Augen wirkten nicht wie die eines Babys. Sie waren durchdringend und man sah ganz deutlich, dass er seine Umgebung genau wahrnahm.

Vom Wachstum her, waren er und seine ältere Schwester sich ziemlich ähnlich, mit dem Unterschied, dass Mariella bereits eine Woche nach ihrer Geburt die ersten richtigen Worte sprach. Von allen Drei war sie mir genetisch wohl noch am ehesten, obgleich ihre menschlichen Eigenschaften noch mehr vorhanden waren, als bei mir. Ihre Haut ähnelte farblich der von Jacob und wir gaben uns alle Mühe, ihr das Trinken von Blut abzugewöhnen, aber sie lehnte es stets ab.

William verwunderte uns vor allem dadurch, dass er menschlicher war, als Ani und Mariella. Es war ungewohnt, bei zwei so übernatürlichen Kindern eines dabei zu haben, das nicht so war. Er trank fleißig seine Milch und quiekte vergnügt, wenn Emmett oder Jake ihm Grimassen schnitten. Und abgesehen von Ani, war er mein größtes Sorgenkind …


Knapp zwei Wochen nach der Entbindung lag ich noch sehr lange wach im Bett herum. Jake strich mir behutsam über den Oberarm und legte sein Kinn auf meine rechte Schulter.

„Was beschäftigt dich, mein Schatz?“, fragte er sanft.

„Die Kleinen“, antwortete ich betrübt.

„Wieso? War heute irgendwas Besonderes?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein... Aber ich mache mir einfach Sorgen.“

„Vor was hast du Angst? Den Volturi?“, vermutete er.

„Vor der Zeit“, sagte ich dann.

Er antwortete nichts. Ich drehte mich zu ihm um, sah zu ihm auf und legte meine Hand an seine Wange. „Was wenn sie nicht so unsterblich sind wie wir?“

Rising Sun - Biss das Licht der Sonne erstrahlt (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt