SKAM - Eva & Chris

Kapitel 19

Freitag

"Eva, bist du endlich fertig?", fragte Vilde bereits etwas genervt. "Ich wäre bereits fertig, wenn du nicht so lange gebraucht hättest...", meinte Eva augenverdrehend und stieg aus der Dusche. Ihre Haare waren zu einem Dutt hochgesteckt, sie selbst war in ein Handtuch gewickelt und ihr von Eskild zusammen gestelltes Partyoutfit lag auf dem Klodeckel. Schnell zog sie sich ihre Unterwäsche an und gab Vilde Bescheid, dass sie jetzt wieder rein könnte, nachdem sie ihre restlichen Klamotten neben das Waschbecken gelegt hatte. Vilde riss die Tür auf und warf sie auch genauso schwungvoll zu. Sie hastete durch das Bad zur Toilette und setzte sich. "Sorry, aber ich musste einfach soooo dringend...", meinte sie und sah Eva, die sich gerade ihr Kleid überzog, entschuldigend an. "Ist schon in Ordnung", winkte Eva ab und befreite ihre Haare aus dem Dutt. Sie fielen in lockeren Wellen über ihre Schultern und sahen durch den Friseurbesuch am Donnerstag noch besser und gesünder aus. Eva wollte gerade versuchen eine ordentliche Linie mit ihrem Kajal zu ziehen, als Vilde ihr diesen aus der Hand nahm und meinte: "Lass mich das machen... Da sieht es ordentlicher aus." Konzentriert zog Vilde eine dünne Linie entlang beider Augen. Sie waren im Gegensatz zu denen von Eva perfekt. "Denkst du er wird dich heute fragen, ob...?", setzte Vilde an, doch Eva unterbrach sie." Er wird nie eine echte Beziehung wollen... So ist er nun mal... Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine echte Beziehung führen kann..." Eva wirkte etwas bedrückt, doch Vilde sagte nichts mehr. Noora hatte gemeint, das ganze sei ein sensibles Thema... Da hielt sie dann doch lieber mal den Mund. "Du siehst sehr hübsch aus. Eskild hat echt ein Auge für coole Klamotten", sagte Vilde deshalb und lächelte Eva warm an. Sie wollte sie glücklich und fröhlich sehen, nicht traurig oder niedergeschlagen. Besonders nicht, wenn ein Junge der Grund dafür war. Und noch weniger, wenn er ein 'Penetrator' war. "Komm, die anderen warten sicher schon...", meinte Vilde und zog Eva hinter sich her aus dem Bad.

Die Musik konnte man bereits von einiger Entfernung aus hören, und der Bass schien die Erde vibrieren zu lassen. Im Haus roch es nach Alkohol und mehreren verschiedenen Parfümsorten, die sich zu einer großen Duftwolke vermischten. Das Wohnzimmer diente als Tanzfläche. Die Möbel waren an die Seite gerückt und Wertgegenstände nur vereinzelt zu sehen, da die meisten anderen in Sicherheit irgendwo weit oben in einem Schrank verstaut worden waren. In der Küche waren die Flaschen nach Größe sortiert aufgestellt und mehrere Stapel von Pappbechern standen daneben. Es waren noch kaum Leute da obwohl es bereits relativ spät war. Eva ließ sich neben Vilde auf der Küchentheke nieder und lächelte sie aufmunternd an. Sie lächelte etwas zaghaft zurück und fuhr sich nervös durch ihre Haare. "Was genau macht dich so nervös? Der Typ der sich zu viele Snacks auf einmal in den Mund stopft und dadurch wie ein Hamster aussieht ? Oder vielleicht doch eher der Typ mit der Rudolphnase? Ich frage mich wieso sie so knallrot ist? Krank ist er nicht, vielleicht ja Sonnenbrand? Nein, es ist der ein Kopf kleinere Junge mit dem Sombrero, oder?", fragte Eva und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. " Ich hab ihn gefragt und er meinte er trüge ihn um seine mexikanischen Wurzeln zu ehren...", erzählte Vilde kichernd. Lachend lehnte sich Eva an sie und meinte. " Ich glaube ich hätte eher einen ruhigen Abend mit euch Mädels auf meiner Couch und mit Popcorn gebraucht, als eine Party... ", murmelte Eva seufzend und ließ sich wieder von der Küchentheke gleiten. Die Räume begannen sich allmählich mit Leuten zu füllen. Immer mehr Gäste strömten durch die offen stehende Tür hinein. Eva hatte sich eine gekühlte Flasche Wasser aus dem privaten Kühlschrank gemopst und sich auf den Balkon begeben. Die Stimmung drinnen war noch nicht bei 'PARTY' angekommen und solange die Penetrators noch nicht da waren, würde es sich auch nicht so schnell ändern.

Samstag

Als Eva am nächsten Tag wach wurde, lag sie auf einer ihr unbekannten Couch, eingewickelt in eine flauschige Decke. Die Party war gut verlaufen. Es gab keine Schlägereien oder unangenehme Überraschungen. Eva wusste, dass sie kaum etwas getrunken hatte, dennoch konnte sie sich nicht daran erinnern wie sie hier her gekommen war. " Hey , Schönheit ... Frühstück ? ", erklang plötzlich eine ihr nur zu gut bekannte Stimme neben ihr. " Gerne . " , antwortete Eva mit einem breiten Grinsen und sah Noora nach, als diese in Richtung Küche verschwand. " Der Burrito ist endlich wach ! ", hörte sie Chris rufen und schrie auf, als sich eben dieser auf sie warf. " Geh runter! Du bist schwer ! ", stieß Eva zwischen gequälten Lauten aus. Kichernd kam Noora zurück, in der einen Hand ein Tablet mit Essen, in der anderen Hand ein Glass Wasser. Hinter ihr, ein wenig an einen Hund erinnernd, so wie er ihr hinterher trottete, erschien William im Raum. Seine Haare waren zerzaust und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, aber seine Lippen umspielte ein glückliches Lächeln, als er Noora beobachtete. Chris war aufgestanden und half Noora den kleinen Tisch aus Glas ,der etwas abseits von der Couch stand, herzurichten und ihn näher heranzuschieben. Etwas unbeholfen schaffte Eva es, sich aus der Decke zu befreien und sich mit den anderen auf der Couch so zu verteilen, dass alle drauf passten und dennoch mit Leichtigkeit an das Essen kommen konnten. Im Hintergrund hörte man das Radio aus der Küche, während Noora Eva erzählte, dass sie auf dem Weg nach Hause im Auto eingeschlafen war ,Chris sie kurzerhand die Treppe hochgetragen und in die Decke gewickelt hatte. Alle lachten, als William das Video dazu zeigte. Eva wurde etwas rot, als Chris ihr den Arm um die Schulter legte, wehrte sich aber nicht dagegen. Die Unterhaltungen blieben locker, die Atmosphäre war entspannt und für einen Moment konnte sich Eva dabei erwischen, wie sie darüber nachdachte, wie schön es doch sein könnte, wenn es immer so wäre. Sie ließ den Gedanken schnell fallen und konzentrierte sich lieber auf das Hier und Jetzt.