Kapitel 5

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Ich bin jetzt wieder in meiner Zelle. Mit Nat kann man sich wirklich schön unterhalten. Sie hört einem zu. Sie redet leise. Und sie ist verrückt. Das gefällt mir an ihr. Sie hat mir versprochen, mich heute besuchen zu kommen. Ich freue mich schon. Wir wollen planen. Planen, wie wir Dr. Jansen um die Ecke bringen. Die Stimme sagt, ich soll sie erwürgen. Das wird leicht. Aber nur mit Nats Hilfe. Denn hier sind viele Wachen. Sie sind stark. Und sie haben Waffen. Waffen, die mir fehlen.
Seit drei Stunden sitze ich jetzt schon am Fenster. Ich warte auf Nat. Sie sollte längst da sein. Ich beobachte die Menschen im Hof. Sie machen Sport und mähen den Rasen. Überall stehen Wachen und Psychologen. Sie beobachten auch die Menschen. Eine Frau sitzt in einem Sandkasten. Sie spielt wie ein kleines Kind. Ein alter Mann läuft dauernd im Kreis. Immer wieder taumelt er herum.
Die Menschen hier gefallen mir. Sie sind anders. Sie sind besser. Sie sind besonders. Auf eine gute Art und Weise besonders. Doch wir werden von den 'normalen' Menschen ferngehalten. Man behandelt uns wie gefährliche Verrückte. Aber jeder hat eine schlechte Seite in sich. Auch die 'normalen' Menschen. Ich finde das ungerecht.
Ein schrilles Pfeifen ertönt. Die Tür geht auf. Aber ich drehe mich nicht um. „Oh Mann, und hier wohnst du? Ist ja mal ‚ne richtig geile Hütte. Ich muss mein Zimmer teilen.“ Nat ist endlich da. Wieder redet sie leise. Es ist angenehm.
„Du bist zu spät“, bemerke ich. Auch wenn es niemanden stört. Hier kann man zu spät kommen. Niemanden stört es. Es ist normal, zu spät zu kommen.
„Ich weiß, aber Mann, mit dieser Dr. Jansen kann man voll gut diskutieren. Ich hab eine halbe Stunde gebraucht bis sie eingesehen hat, dass ich dir gut tue. Das tu ich doch, oder?“
Langsam nickte ich. Ja, sie tut mir gut. Weil sie so ist wie ich. Sie spürt denselben Drang.
„Also, jetzt sag: Wie willst du es machen?“
„Ich weiß nicht. Ich brauche Zeit. Ich muss sie erwürgen. Sie darf keinen Alarm auslösen.“
„Ich hab einen Plan. Also, du sagst mir Bescheid, wenn du weißt, wann du wieder eine Sitzung hast. Dann mach ich mich an den Wachposten ran und schau, dass ich ihn ablenke. Wenn da wieder der liebe Tobi steht, wird das leicht. Der fühlt sich von der Gefahr sehr gern angezogen. Du machst dann, was du machen musst, und schaust, dass sie den kleinen roten Knopf nicht drückt, der immer in ihrer linken Jackentasche ist. Nur werden sie es sehen, dass du es warst. Und dann …“
„Werden wir uns nicht mehr sehen.“ Ist es mir das wert? Eine gute Freundin zu verlieren? Wegen dieser einen Stimme. Aber sonst muss ich sie immer behalten. Muss immer damit leben. Mit Dr. Jansen reden. Das würde ich nicht aushalten. „Und wenn wir‘s im Gang machen?“ , frage ich.
„Oh Mann, du bringst mich auf eine geniale Idee. Ich locke sie in irgendeine entlegene Ecke, du folgst uns unauffällig oder wartest dort und dann machst du es da. Niemand kann verdächtigt werden, und wir können uns weiterhin treffen. Das ist es. Das machen wir.“ Ein breites Grinsen schleicht sich auf ihre Lippen. Man kannt es mit dem Grinsen des Tods vergleichen. Man sieht ihr die Mordlust an. Sie willt sich nicht den Psychologen fügen. So wie ich. Ich will keine Regeln. Regeln sind zum Brechen da. Und das würden wir machen. Wir müssen ein Zeichen setzten. Wir dürfen uns nicht fügen.

Notizen von Dr. Jansen:

Heute kam Natalie zu mir und meinte, sie will zu Greg. Ich war ziemlich erstaunt, dass Natalie freiwillig zu Greg will. Die anderen meiden ihn eher. Zumindest die, die im Hirn soweit fit sind , dass sie von den Gerüchten der Morde gehört haben. Wahrscheinlich hat Linda ihnen davon erzählt. Linda ist eine Pflegerin, die in einen unserer Patienten verschossen ist. Ach ja, Linda. Sie will nicht begreifen, dass sie nur sein Betthäschen ist. Dabei haben ihr das alle schon mindestens einmal gesagt. Unser Chef will sie aber aus irgendwelchen Gründen nicht feuern. Wahrscheinlich hat auch er ab und zu mit ihr Spaß.
Naja, auf jeden Fall hat Natalie es geschafft, mich zu überreden, zu Greg zu dürfen. Ich weiß nicht, warum ich sie gelassen hab, aber sie meinte, sie versteht sich mit ihm so gut. Und vielleicht taut er auf, dann könnte ich mich endlich mit ihm normal unterhalten. Ich hoffe, es geht alles gut aus und er tut ihr nicht weh. Morgen hab ich wieder eine Sitzung mit ihm. Ich bleibe gespannt.

Dieses Kapitel ist voll schnell mit dem Schreiben gegangen.

Die letzte StimmeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt