Ich schlafe gut in dieser Nacht. Ich fühle mich befreit. Doch heute Morgen werde ich leider schon zu früh wach. Männer in Uniform laufen über den Hof. Es laufen immer noch welche herum. Sie fahren eine Trage mit einem Plastiksack darauf vorbei. Sie sind wohl von der Polizei. Sie tragen Marken. Es hat aber lange gedauert bis sie Dr. Jansen gefunden haben. Es müsste schneller gehen.
Wer sie wohl gefunden hat?
Es gongt zum Frühstück. Doch meine Tür öffnet sich nicht. Es dauert. Endlich. Ein Mann kommt rein. Er zieht mir Handschellen an. Was ist hier los? Haben sie es herausgefunden?
Er führt mich in einen Raum. Ein Tisch und ein Stuhl stehen in der Mitte. Auf dem Tisch ist ein Teller mit Essen. Die rechte Wand besteht aus Glas. Ich kann in den Essraum der anderen sehen. Ich sehe Nat. Sie sitzt an unserem üblichen Platz. Sie wartet. Ihr Blick zeigt Trauer.
Der Mann nimmt mir die Handschellen ab und schubst mich weg. Dann verschwindet er aus dem Raum.
'Super gemacht. Jetzt kannst du Nat nur noch durch ‚ne Scheibe sehen. Also, mir wäre es lieber gewesen, wenn die beiden Mädels geblieben wären. Aber Ne. Stattdessen muss ich jetzt mit dir labern. Idiot.'
Die Stimme redet unangenehm zickig. Ich hämmere gegen die Scheibe. Nat sieht sich um. Dann fällt ihr Blick auf mich. Sie springt auf und rennt zu der Scheibe. Zwei Männer wollen sie aufhalten. Geschickt boxt sie ihnen in die Weichteile. Ich muss grinsen, als sich die Männer krümmen. Nat lächelt mich traurig an. Gerne würde ich jetzt mit ihr reden. Sie hat mir geholfen. Ich bin ihr noch ein Dankeschön schuldig. Langsam formt sie mit ihren Fingern seltsame Sachen. Konzentriert starre ich auf ihre Hände.
'Du bist vielleicht dumm. Sie zeigt Buchstaben, du Idiot.' Die Stimme fängt wieder an zu meckern. Doch sie hat Recht. Ich erkenne ein W. Dann ein I. Langsam macht Nat weiter. WIR HABENS GESCHAFFT. Ich lächle, als sie ihren Satz beendet, und versuche zu antworten. DANKE, DASS DU MIR GEHOLFEN HAST. Sie bedeutet mir, dass ich warten soll. Ich sehe, wie sie sich ein Müsli nimmt. Dann macht sie es sich auf dem Boden vor der Scheibe bequem. Auch ich hole mir mein Essen und setze mich hin. So sitzen wir uns gegenüber. Wir unterhalten uns mit den Händen. Es tut gut. Es tut nicht in den Ohren weh. Und doch kann ich meine Sorgen loswerden.
Bei jedem Frühstück, Mittagessen und Abendessen sitzen wir so da. Wir unterhalten uns über die Anderen und was sonst so passiert. Niemand traut sich mehr zu mir in die Zelle. Wenn ich zum Essen gebracht werde, zieht man mir Handschellen an. Die Stimme redet oft mit mir. Wir sitzen in der Zelle und unterhalten uns. Meistens über die Menschen am Hof. Sie sagt, dass sie Billy heißt. Billy und ich verstehen uns gut. Manchmal ist er gemein zu mir. Aber meistens ist er nett. Er hat mich noch nie Greg genannt. Er sagt immer Idiot. Aber es stört mich nicht.
Mit Nat rede ich auch oft. Falls man unsere Handzeichen reden nennen kann. Anfangs haben die Wachen versucht, sie von der Scheibe fern zu halten. Doch sie wusste sich immer zu helfen.
Tage. Wochen. Monate geht es so. Irgendwann kommt sie mit einer traurigen Nachricht.ES TUT MIR LEID GREG. ICH KANN NICHT LÄNGER HIER BLEIBEN.
WAS IST LOS?
ICH WERDE AUSBRECHEN UND WEIT WEG GEHEN. IRGENDWOHIN, WO MICH NIEMAND FINDEN KANN.
ABER WAS SOLL ICH HIER OHNE DICH MACHEN?
TAGE ZÄHLEN.
WELCHE TAGE ZÄHLEN?
IN GENAU 33 TAGEN MUSST DU UM PUNKT 3 UHR NACHTS AM FENSTER STEHEN. VERSPRICHST DU MIR, DASS DU DA SEIN WIRST?
JA. ICH VERSPRECHE ES.
Das ist unser letztes Gespräch. An diesem Tag höre ich die Alarmglocken. Schrill pfeiffen sie. Am nächsten Tag sitzt keine Nat vor der Scheibe. Keine Nat ist da, mit der ich mich unterhalten kann. Und obwohl ich traurig bin. Ich freue mich auch für sie. Sie hat den Wachen und Psychologen hier gezeigt, wie sicher ihre Anstalt ist. Sie hat allen bewiesen, dass immer etwas geht. Jemand wird immer einen Ausweg finden. Und dieser Jemand war sie.
Drama, Drama. Jaja. Nat hat es geschafft. Sie ist jetzt draußen. Glaubt ihr, sie holt Greg nach?

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Die letzte Stimme
HorrorGreg hört Stimmen. Er mag sie nicht. Doch eines Tages findet er heraus wie er sie verschwinden lassen kann. Diese Geschichte handelt von einem psychisch Kranken der Stimmen hört und dadurch auch seine Umwelt, die Menschen und die Natur vollkommen an...