Kapitel 9

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Nat hält ein Kuvert in der linken Hand. Sie wirft es senkrecht zu mir hoch. Sie muss es geübt haben. Denn das Kuvert landet zielsicher in meiner Zelle. Vorsichtig öffne ich es und ziehe einen Zettel heraus.

Hey Greg.
Ich hab‘s gemacht, wie du es wolltest. Und ich hab jetzt jemanden kennengelernt. Er ist jung, leicht zu beeinflussen und deswegen das perfekte Opfer. Ich hab gelernt, Menschen zu analysieren und manipulieren. Er war mein erstes Testobjekt, und siehe da, es hat funktioniert.
Er ist ein kleiner Waffenhändler. Natürlich alles Schwarzware. Momentan übe ich noch mit nicht scharfen Waffen, aber ich werde immer besser. Ich glaub, bald kann ich schon mit scharfen Waffen üben. Und ich freu mich schon so drauf. Ich hab dir ein paar Fotos mit ins Kuvert gelegt. Dachte, du willst mal ein bisschen mehr Farbe in deiner Zelle. Und tut mir übrigens voll leid, dass ich zu spät bin, aber ich war einfach immer am Üben. Schließlich will ich mal die Beste der Besten werden. Und du musst verstehen, wer so einen großen Karrieresprung machen will, muss üben, üben, üben. Und das werde ich jetzt auch wieder machen müssen. Bleib böse…
Bis in 33 Tagen.
Deine Nat.

Ich schaue aus dem Fenster. Doch ich kann Nat nirgendwo sehen. Deshalb hole ich die Bilder aus dem Kuvert. Es sin 3 Stück. Auf einem sehe ich Nat mit einem Scharschützengewehr in der Hand. 50 Meter von ihr entfernt steht eine Zielscheibe. In der Mitte ist ein kleines Loch, in dem eine Plastikkugel steckte. Auf dem zweiten sehe ich die Aussicht von einem Berg, der hier in der Nähe steht. Ich kann die ganze Stadt sehen. Und auf dem dritten Bild: ein Sonnenuntergang über der Stadt. Auf der Rückseite steht: Wenn die Bösen abends ihr Versteck verlassen, wird es unsicher. Ich liebe diese Zeit. Man begegnet interessanten Leuten. Sie würden dir gefallen. Sie sind wie wir. Sie fügen sich nicht.
Nat kommt mich alle 33 Tage besuchen. Manchmal verspätet sie sich um 3 Tage. Aber das stört mich nicht. Ich will, dass sie frei ist. Sie soll an nichts gebunden sein. Manchmal bringt sie mir Bilder mit. Von draußen. Ich bewahre alle Bilder auf. Ich verstecke sie unter meiner Matratze.
Heute wollen Polizisten kommen. Die Wache hat es gesagt. Es ist mir egal ob sie kommen. Sie können mir nichts antun. Das wissen sie.
Meine Tür geht auf. Ich mag es nicht. Es ertönt immer ein hoher schriller Ton. Er tut weh. Ein Mann und eine Frau kommen rein. Es ist ungewohnt. Seit dem Mord hat sich keiner mehr zu mir herein getraut. Die hier sind anders. Sie sehen mich an. Wie als wären sie besser. Aber das sind sie nicht. Das weiß ich. Nat weiß es auch. Wir mögen Menschen mit Marken nicht. Sie sperren Leute ein. Sie rauben einem die Freiheit. Sie meinen, dass sie das richtige tun.
Die zwei. Sie sehen noch jung aus. Doch sie sind Langweilig. Ich beobachte weiterhin die Menschen am Hof. Sie sind viel interessanter. Zwei Männer prügeln sich gerade. Die Wachen versuchen sie auseinander zu bekommen. Es sieht lustig aus. Ein Haufen von Männern.
Der Polizist räuspert sich. „Greg? Ich bin Officer Fereck und das ist unsere Psychologin Hadley. Sie hat sich mit ihren Fällen befasst. Wir hätten ein paar Fragen an sie bezüglich des Mordes an Dr. Jansen.“
Als ich ihren Namen höre fange ich an auf meinen Oberschenkel zu klopfen. Die Erinnerungen kommen hoch. An die Befreiung. An das berauschende Gefühl.
„Na gut. Ehm. Können sie uns sagen wo sie an diesem Tag nach dem Essen waren?“ Der Mann redet laut. Es ist unangenehm.
„Es hat sich gut angefühlt.“ Ich flüster leise. Meine Stimme ist rau. Ich hab sie schon lang nicht mehr benutz.
„Bitte können sie uns sagen von was sie reden?“ Die Psychologin redet hoch. Sie redet als wär ich ein Kleinkind. Ich mag das nicht.
„Der Mord.“ Langsam dreh ich mich um. Sie sehen mich erstaunt an. Dummköpfe. Ich kann den Mord ja gestehen. Hier drin können sie mir nichts anhaben. „Der Mord. Es war befreiend. Die Stimme. Sie ist erlöst. Jetzt sind nur noch Billy und ich. Er ist nett. Die Frau. Sie war zickig. Ich mochte sie nicht. Genau wie Dr. Jansen. Sie waren so gleich.“
„Also gestehen sie den Mord an Dr. Jansen?“ Der Mann schaut dumm.
Langsam drehe ich den Kopf zu ihm. Ich muss Grinsen. Er sieht lustig aus. „Ja. Denn sie können mir nichts anhaben. Sehen sie mich an. Sie haben mir alles genommen. Aber zwei Sachen können sie mir nicht nehmen. Sie werden es nie schaffen.“
„Was können wir dir nicht nehmen?“ Die Psychologin ist dumm.
„Nat und Billy. Sie werden bleiben.“
Dann dreh ich mich wieder zum Fenster. Die Wachen haben es geschafft. Die Männer prügeln sich nicht mehr. Heute wird Nat wieder kommen. Das weiß ich. Ich freu mich schon. Leise verlassen die Polizisten den Raum. Ich werde nicht ins Gefängnis gehen. Sie haben Angst vor mir. Sie wollen mich nicht zu sich holen. Das ist gut.
Meine Gedanken bleiben bei Nat. Heute bringt sie wieder Fotos. Heute werden wir wieder reden können. Ich werde viel zu erzählen haben.

Die letzte StimmeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt