Frustriert legte Conan die Stirn gegen die Fensterscheibe. Dieser Tag wollte einfach nicht besser werden.
Seitdem er Kaito Kid's wahre Identität kannte, dachte er andauernd darüber nach, was er jetzt tun sollte. Ihn verpfeifen? Ihn laufen lassen? Ihn stellen, so wie er es vorhatte?
Er wusste es nicht. Was er aber wusste war, dass er es bereuen würde, wenn er überstürzt handelte.
Ein klingelndes Handy erlöste ihn von seinen verzweifelten Grübeleien. Er steckte eine Hand in seine Hosentasche, zog das lärmende Gerät hervor und betrachtete mit gerunzelter Stirn den Namen auf dem Display. Wieso rief Ran ihn an? Er war doch nur einen Flur von ihr entfernt. Dann viel ihm ein, dass er Shinichi's und nicht Conan's Handy in der Hand hielt.
Hastig sprintete er in Richtung Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Bevor er den Anruf entgegennahm, dachte er gerade noch rechtzeitig daran, seinen Stimmentransposer zu aktivieren.
"Hey Ran!", sprach er etwas zu überstürzt in den Hörer, während er noch an seiner Fliege herumnestelte.
"Hallo, Shinichi! Wie geht's dir?" Obwohl sie erst vor ein paar Tagen miteinander telefoniert hatten, konnte der Angesprochene deutlich einen vorwurfsvollen Unterton heraushören. Seine Kindheitsfreundin schien immer ungeduldiger zu werden.
"Gut, aber ich denke, ich werde in nächster Zeit nicht nach Tokio zurück können." Er traute sich kaum, diesen Satz in den Hörer zu sprechen. So oft hatte er sie schon auf später vertröstet, dass erlangsam selbst anfing, sich zu fragen, wann das sein würde.
"Das ist schade, denn", sieh hielt kurz inne. "...dein Rivale Kaito Kid macht gerade ganz schöne Schlagzeilen. Ich hatte gehofft, du würdest ihn bald mal in die Schranken weisen."
"Ja, Ran, das habe ich auch immer noch vor", sagte er. " Aber dieser Fall... Ich kann hier gerade wirklich nicht weg."
"Oh, Fälle kannst du auch hier lösen, in Tokio wird genug gemordet." Ran's Stimme triefte vor Sarkasmus. Shinichi wusste nicht genau, worauf sie hinaus wollte. Normalerweise machte sie über Verbrechen keine Witze, wenn es um Leichen ging, verstand sie keinen Spaß. Was sollte das Ganze?
"Gibt es vielleicht irgendwas neues, wovon ich wissen sollte?", fragte er verwirrt in den Hörer.
Stille. Ran wollte ihm offenbar nicht antworten, warum wusste er nicht. Hatte er das falsche gefragt?
Warum konnte sie ihm denn nicht einfach sagen was los war? So machte sie alles nur noch komplizierter."Ran?", sprach er in den Hörer. "Ran, bist du noch da?"
Immer noch keine Antwort. Angespannt lauschte Shinichi in die Stille. Erst als er kurz davor war aufzulegen, erklang ihre Stimme wieder im Hörer.
"Stell nicht immer Fragen, auf die du schon eine Antwort hast, Shinichi." Ihre Stimme klang rau und belegt. Sehr verdächtig.
"Was soll das denn heißen?", fragte er verwirrt.
"Find's raus! Du bist doch hier der Detektiv!", dröhnte es darauf aus dem Hörer. Keine Sekunde später hatte sie auch schon aufgelegt.
Seufzend nahm Conan sich den Hörer vom Ohr. Na dann, dachte er, auf in die Ermittlungen.
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Schluchzend warf Ran ihr Handy auf das Sofa und ließ sich daneben fallen. Wieso vertröstete er sie wieder? Wusste er nicht, wie sehr er ihr fehlte? Und hatte er denn keine Sehnsucht nach ihr?
Wer wusste das schon? Denn obwohl sie sich noch an jedes Wort erinnerte, dass Shinichi vor dem Big Ben in London an sie gerichtet hatte, hatte sie das Gefühl, dass er sie auf Distanz hielt. Aber sie verstand nicht, warum. Warum war er nicht bei ihr? Warum entfernte er sich immer weiter von ihr?
Würde er überhaupt jemals zurückkehren?Just in diesem Moment hörte sie, wie sich die Tür zum Wohnzimmer öffnete und dann leichtfüßige Schritte, die schließlich kurz vor der Couch stoppten. Das war eindeutig nicht ihr Vater.
Da ertönte auch schon Conan's pipsige Stimme. " Was ist denn los, Ran?"
Bei seinem besorgten Ton musste die Oberschülerin unwillkürlich schlucken. Schon wieder zeigte sie Schwäche vor ihm. Dabei wollte sie das doch nicht mehr zulassen. Sie antwortete nicht, biss sich stattdessen auf die Lippe und versuchte den Schmerz zu unterdrücken.
Schließlich schaute sie auf. Conan's Augen spiegelten ihre eigene Trauer wieder. Er musste ihr Telefonat mit angehört haben. Ran hatte noch nie verstanden, warum es den Kleinen so sehr mitnahm, wenn sie mit Shinichi stritt, aber sie wollte ihn nicht so traurig sehen. Eigentlich hatte sie generell Schwierigkeiten damit, seinem Anblick Stand zu halten. Er erinnerte sie einfach zu sehr an Shinichi.
"Ran?" Conan wagte einen neuen Versuch.
Sie wollte ihm antworten, doch sie brachte keinen laut über die Lippen. Wie gebannt saß sie da und starrte in die Augen des kleinen Jungen. Shinichi's Augen. So unglaublich blau, reumütig und von Schmerz erfüllt. Es fühlte sich an, als würde er selbst vor ihr stehen und sich mit einem Blick für alles entschuldigen wollen. Dafür, dass er nicht hier war, dafür, dass er sie belog. Dafür, dass er nicht zurückkam.
Ohne zu wissen, was sie eigentlich tat, hob sie eine Hand und nahm Conan die Brille ab. Dann strich sie ihm eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ach, Shinichi", flüsterte sie leise.
Eine Hand umschloss ihren Unterarm und schob ihn sachte aber bestimmt wieder an ihre Seite.
"Ran, was tust du denn da?"Verwirrt blinzelte sie. Wer hatte da gerade gesprochen? Shinichi?
Sie blickte in das Gesicht ihres Gegenübers. Es war Conan. Er hatte sich die Brille wieder aufgesetzt und schaute besorgt zu ihr auf.
Conan, nicht Shinichi. Nicht Shinichi. Immer nur Conan. Immer war er da, wenn sie sich nach Shinichi sehnte. Blieb an ihrer Seite, wollte sie trösten. Tat das, was Shinichi tun sollte.
Es brach Ran fast das Herz, den kleinen Jungen so zu sehen. Einerseits, weil er sich so darum bemühte für sie da zu sein. Anderseits, weil sie Shinichi jedes Mal, wenn sie ihm in die Augen blickte, noch mehr vermisste.
"Ran, jetzt sag doch was!" Conan schüttelte sie sachte an den Schultern. "Ran! Ran!"
Und endlich schaffte sie es zu antworten: "Alles ist gut, Conan. Ma-Mach dir keine Sorgen." Wem wollte sie das einreden? Ihm oder sich selbst?
Conan schaute sie weiterhin besorgt an, schien ihr nicht zu glauben. Natürlich nicht. Er bemerkte es immer, wenn sie log. Er öffnete den Mund, vermutlich um erneut zu fragen, ob alles in Ordnung sei, doch ehe er etwas sagen konnte, hörten sie die Haustür ins Schloss fallen.
"Wir sind wieder da-ha!", rief eine muntere Kazuha durch den Flur. So munter wie man nach einem Shopping-Marathon eben sein konnte.
Keiner der beiden rührte sich. Erst als Heiji die Tür zum Wohnzimmer aufriss, lösten sie sich aus ihrer Starre. Der Schülerdetektiv aus Osaka musterte sie mit gerunzelter Stirn. "Wow, ihr seht ja aus, als hättet ihr einen Geist gesehen."
Conan warf ihm einen warnenden Blick zu. Kein guter Zeitpunkt für Witze.
Heiji zog eine Augenbraue hoch, fragte aber nicht weiter nach. Das übernahm Kazuha für ihn, als sie auf Ran zustürmte und sie darüber ausfragte, was passiert ist.Conan indes zog Heiji am Ärmel aus dem Raum und rief den Mädchen noch schnell zu, dass sie den Professor besuchten.
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Detektiv Conan: Das Ende des Phantomdiebs
FanficDurch einen Zufall geraten Conan, Ran, Heiji und Kazuha während eines Ausflugs in Tokio auf die Spuren eines 8 Jahre alten ungeklärten Mordfalls. Das Opfer war der großartige Zauberer Toichi Kuroba, der bei einem seiner Auftritte ums Leben kam. Bish...