Dämon?!

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„Sie wird nicht weglaufen, ansonsten habe ich ihr gedroht sie zu fressen.“, schnurrte Kian vergnügt. Also war diese Übung nicht ganz uneigennützig.
Maus an. Sie tat mir schon ein wenig leid. Ich hoffte ihr nicht wehzutun. „Wie genau das funktioniert weiß ich nicht. Versuch es einfach mit deinen Gedanken.“, sagte Kian und legte sich neben mir hin.
Na toll. Wie sollte ich das denn schaffen wenn er mir nicht erklärte wie. Ich seufzte. Da warf man einen in eine so komische Situation rein und wurde damit alleine gelassen.  Und wo war Püppi überhaupt? War sie nicht eigentlich diejenige, die mir das alles beibringen sollte?
Wieder seufzte ich.
Die Maus vor mir machte keine Anstalten sich zu bewegen. Anscheinend hatte Kian ihr wirklich befohlen sich nicht zu bewegen.
Also versuchte ich mein bestes. Doch wie sollte ich das anstellen? Konzentrierte ich mich auf die Maus, oder auf Ketten die aus dem Nichts erscheinen? Ich entschied mich für die Ketten, die aus dem Nichts erscheinen sollten und sah die Maus konzentriert an. Doch nichts passierte. Die kleine graue Maus putzte sich hinter dem Ohr und sah mich dann wieder an, aber mehr passierte nicht. Das war zum Kotzen! Wie zur Hölle sollte ich mir das alles selber beibringen wenn ich nichts hatte an das ich mich wenden konnte. Wie sollte ich die Maus denn daran hindern wegzulaufen, wenn sie es gar nicht vorhatte. Und selbst wenn, wie sollte ich sie dann aufhalten.  
Machst du schon was?, fragte Kian und sah von unten zu mir hinauf. Ich schnaubte. „Wie denn? Ich habe keinen blassen Schimmer wie ich das anstellen soll.“, nörgelte ich frustriert. 
Kian schnurrte leicht. Versuch es weiter, feuerte er mich an.

Nach etlichen frustrierten versuchen gab ich auf. Es war mittlerweile schon fast Abend geworden.
Ich wollte schon früher aufgeben, doch Kian hatte mich immer wieder dazu überredet weiter zu machen. Also tat ich dies, doch ohne Erfolg. Die Stunden waren verflogen und nichts, rein gar nichts hatte sich getan.  Ich war erschöpft und frustriert, als Tengu neben mir auftauchte. Sora, den Namen musste ich mir merken. Tengu war seine Art, Sora sein Name.
„Was veranstaltet ihr denn hier?“, fragte er amüsiert.
Ich schnaubte. „Ich versuche zu Arbeiten.“ „Das sieht mir aber eher so aus als würdest du hier einfach nur rumstehen. Ich habe dich ein wenig beobachtet.“, sprach Sora mit einem spöttischen Grinsen. In mir brodelte es. Er hatte mich also bei  meinen peinlichen versuchen beobachtet und nichts gesagt? Röte schoss in mein Gesicht und ich drehte mich um. Das musste er nicht auch noch sehen. „Du hättest mir ja wenigsten helfen können.“, murmelte ich verlegen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und der altbekannte Schmerz durchfuhr mich. Doch dieses mal war es nicht so schlimm. Mein Körper schien sich allmählich daran zu gewöhnen.
Der bläuliche Schleier legte sich über die Welt und ich sah Sora dankend an. Warum er das konnte und Kian nicht? Ich wusste es nicht, aber es war mir gleich. Ich hoffte das ich es irgendwann ohne Hilfe schaffen würde. Wie sollte ich denn sonst meine Aufgabe erfüllen?  Aber Moment. Was war meine Aufgabe noch gleich?
„In deiner Gegend sind auffallend viele böse Geister unterwegs. Außerdem sind deine Gene dazu veranlagt die Geisterwelt zu betreten.“, erklärte Sora mir auf meine Gedanken. „Meine Gene?“, fragte ich überrascht, ohne darüber nachzudenken wieso er meine Gedanken las.
„Dein Vater. Er ist ein wohlbekanntes Mitglied in unseren Reihen.“
Ich sah Sora erstaunt an.
Mein Vater war damals mit meiner Mutter gestorben. Sie hatten einen Autounfall. Während mein Vater sofort an der Unfallstelle starb, erlag meine Mutter ihren Verletzungen im Krankenhaus.  Ich war bei einer Freundin meiner Eltern für den Abend untergebracht. Es war der erste Abend, den meine Eltern wieder für sich hatten. Und ihr letzter.
Ich war damals noch zu klein gewesen um das wirklich zu verstehen.
„Dein Vater war dagegen dich einzusetzen, doch er wurde überstimmt.“, rief mich Sora aus meinen Gedanken. „Mein Vater ist bei einem Autounfall gestorben, ebenso meine Mutter.“ Der Tengu sah auf mich hinab, sein Blick war nicht zu deuten. Er schwieg einige Sekunden, ehe er sich zu Wort meldete. „Dieser Mann, der bei deiner Mutter war“, er brach ab. Was war mit ihm?´, wollte ich fragen doch kein Ton kam aus meinem Mund. „Er war nicht dein Vater.“
Sekunden verstrichen. Sora sah mich stumm an und auch Kian rührte sich keinen Millimeter. Erst als nach weiteren Gefühlten Minuten die Maus sich auf und davon machte, sprang Kian auf sie zu und brach ihr mit einem Pfoten stoß das Genick.
Das knacken ließ mich aus meiner Erstarrung lösen. „Wer ist er denn dann gewesen?“
Sora sah mich mit einem Blick an den ich nicht deuten konnte. „Er war ein Dämon.“
„Ein Dämon“, wiederholte ich, unsicher ob ich es richtig verstanden hatte. „Er hat deine Mutter aus dem Weg geräumt um damit an dich heranzukommen. Doch seine menschliche Hülle wurde dabei zerstört.“ Er ließ mir einige Sekunden Zeit bevor er weiter sprach. „Dein Vater hat davon Erfahren und dich seither beschützen lassen.“
„Das heißt Mark war gar nicht mein Vater?“ Das hatte ich mein Leben lang so angenommen. Fotos die ich besaß zeigten ihn und meine Mutter. Glücklich lachend und umarmend. „Mark? So nannte er sich damals?“ Soras Blick wurde Mitleidig. „Ich brauche kein Mitleid!“, schrie ich und drehte mich um, ging davon.
Das wurde mir zu viel. Hörten die Neuigkeiten denn nie auf? Seit ich in diese neue Welt gekommen war, war nichts mehr so wie früher. Der Autounfall war also gewollt. Und auf mich hatte es Mark also abgesehen. Er war kein Mensch sondern ein Dämon. Ein Dämon. Ich dachte es gäbe nur Gute und Böse Geister. Woher kamen denn auf einmal die Dämonen?
Dämonen sind das Endstadium eines bösen Geistes. Kian war mir gefolgt und stapfte leichtfüßig neben mir her. Ich sah mich um, doch Sora sah ich nicht. Das ist mir alles zu viel, antwortete ich Kian still.
Ich werde dir in einigem Abstand folgen. Nur zur Sicherheit. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.
Ich sah Kian dankend an, der sich zurück fallen ließ und mir dann in einigem Anstand folgte.
Ich lief ziellos durch die Stadt und dachte über alles nach. Laufen half mir da am besten. Konnte, meine Gedanken dadurch besser greifen.
Wenn Mark also nicht mein Vater war, sondern ein Dämon wer war mein richtiger Vater. Wusste meine Mutter davon?
Natürlich musste sie das wissen. Oder? Und wenn mein Vater noch lebte, wo war er dann jetzt? Er schien von dem hier zu wissen. Warum kam er dann nicht zu mir und erklärte mir alles. Das wäre doch das mindeste was er für mich hätte tun können.
Völlig in Gedanken versunken landete ich in einer Sackgasse. Und das nicht nur in meinen Gedanken. Egal wie sehr ich über alles grübelte, die passende Erklärung wollte mir nicht kommen. Ich sah mich um. Hauswände versperrten mir den Weg. Mir blieb nichts anderes übrig als umzudrehen und einen anderen Weg zu wählen.
Als ich mich umdrehte und nach Kian Ausschau hielt, hörte ich hinter mir ein Geräusch. Es Klang als wäre hinter mir etwas gelandet, doch das war unmöglich. Die Fenster waren alle geschlossen und von einem Hausdach konnte niemand einen Sprung so leicht abfedern.
Ich drehte meinen Kopf um nachzusehen woher das Geräusch kam.
Ein riesiger Schatten stand vor mir. Zwei Meter hoch, türmte sich vor mir dieses Etwas auf.
Es trat einen Schritt näher an mich heran und nun sah ich es. Eigentlich hatte ich es schon vorher erkannt, doch mein Gehirn hatte es verweigert. Tat dies als Hirngespinst ab.
Ein riesen mit Muskeln gepackter, ja was war es denn? Es lief auf zwei Hinterbeinen, doch schienen diese einem Tier ähnlicher als einem Menschen. Sein Oberkörper war nackt und die eines Mannes. Auch seine Arme und sein Kopf schienen menschlich. Doch die Hörner die aus seinem Kopf kamen passten nicht zu seiner Gestalt. Sie waren verschlungen und erinnerten mich an die Hörner eines Widders. Schwarze, zerzauste Haare standen in allen Himmelsrichtungen ab.
Seine Augen leuchteten Rot und schienen mir direkt in meine Seele zu blicken. So schien es. Denn in mir fing es an zu brennen.
Aus dem Mund des Dings kam heißer Dampf und ich sah seine langen scharfen Reißzähne.
Wie versteinert sah ich dieses Wesen an. Unfähig mich zu rühren.
Hinter mir hörte ich Schritte. „Er hat mir heute einen Antrag gemacht. Ist das nicht unglaublich?“, ertönte es hinter mir. Es waren Passanten die zufällig an der Gasse vorbei gingen.
„Oh sieh mal, ein Liebespaar.“, hörte ich es direkt hinter mir. „Jetzt Gaff doch nicht so. Das ist unhöflich, lass uns weiter gehen.“, flüsterte eine zweite weibliche Stimme. Die Schritte wurden leiser und verstummten.
Sie hatten dieses Ding nicht sehen können. Ich hatte vergessen das ich einige der wenigen war die das konnte.
Aber wieso konnten sie mich sehen? War ich nicht gerade in der anderen Dimension und war für Menschen nicht eigentlich unsichtbar?
Erst jetzt sah ich, dass hinter diesem Ding sich noch jemand versteckte.  Es war ein Mädchen, jünger als ich. Sie trug eine Augenbinde, seltsamer Anblick. Was machte sie hier, war sie mit dem Monster bekannt?
„Sie ist meine Tochter.“, grollte es aus dem Monster. Die Stimme war tief, rau und unheimlich.
Dieses Monster hatte eine Tochter? Eine seltsame Vorstellung.
Hinter mir ertönte ein bekanntes Fauchen und ich wurde aus meiner starre erlöst. Ich drehte mich um und sah Kian, der zu seiner vollen Größe zurück gekehrt war.
Er stellte sich neben mir und sein Nackenfell stellte sich auf. Das machte ihn noch größer und ließ auch ihn bedrohlich aussehen.
Er war nun so groß, dass sein Rücken gerade so hoch war das ich mit dem Kopf über ihn hinweg zu dem Monster sehen konnte. Das ist ein Dämon, klärte mich Kian kurz auf. Sein Ohren waren aufgerichtet und nach vorne gerichtet.
Er hat eine Geisel. Er sah zu dem Kind.
Sie schien keine Angst zu haben, trotz das sie mit einem Monster unterwegs war und Blind durch die Gegend ging. Ich verstand nicht so ganz was dieser Aufzug sollte. Das Kind soll ihn so nicht sehen.
Ich nickte verdutzt. „Das ist seine Tochter.“, sagte ich knapp und hielt mich an Kians Schulter fest. Mir war leicht schwindelig. Meine Beine zitterten.
So sah also ein Dämon aus. Ein Luftzug hinter mir lies mich herumfahren. Sora! Ich war erleichtert. Er landete sanft neben mir und sah zu dem Dämon.
„Schaffst du das?“, fragte er an Kian gewandt und breitete seine Flügel wieder aus.
„Natürlich“, sagte Kian verächtlich und spannte all seine Muskeln an. Er setzte zum Sprung an. „Nein!“, rief ich, doch da hatte Sora mich schon gepackt und trug mich in seinen Armen. Ich sah wie Kian auf den Dämon zu sprang. Sora hob genau in diesem Moment ab. Ich fühlte wie die Luft kälter wurde.
Meine Augen immer noch auf das Gefecht gerichtet, welches immer kleiner wurde, ließ mich Erblicken wie der Dämon das Kind vor sich hielt. Er wollte es als Schutzschild missbrauchen, schoss es mir erschrocken durch den Kopf.
Doch ehe Kian sie erreichte legte sich eine Hand auf meine Augen. „Nein, lass mich runter.“, befahl ich und zappelte in Soras Armen. Doch er packte mich nur feste.
Die kalte Luft ließ mich frösteln und ich gab den Kampf auf. Ich war sowieso schwächer und konnte nichts unternehmen. Ich hoffte nur das Kian das Mädchen nicht verwundete. Sie war noch so jung. Ich wollte nicht das ein so junger Mensch starb.
Sora nahm die Hand von meinen Augen und ich blinzelte. Es war Nacht und ich sah die Sterne am Himmel. Die Wolken unter mir verbargen den Blick auf den Boden.
Wolken?! Wo zu Hölle war ich!
Soras Augen funkelten. „Ist das nicht wunderschön“, wisperte er in mein Ohr. Ich erschauderte. Ob die Kälte der Grund war, wusste ich nicht genau. Es war schon kalt und ich zitterte.
Sora schien das zu bemerken und verlor an Höhe. Wir flogen durch die Wolken und Nebel umhüllte uns. Hier oben herrschte Stille. Nur die Flügelschläge waren zu hören und gelegentlich das Atmen vom ihm.
Sora sah angestrengt nach vorne, um nicht plötzlich auf irgendwas zu stoßen. So sah ich mir sein Gesicht etwas genauer an. Seine dunklen Augen schienen zu leuchten. Seine gezackte Iris im rechten Auge schien mir so unwirklich und ließen mich nicht los, als ich sie ansah.
Sein Blick senkte sich und er sah mir in die Augen. Peinlich berührte, ihn so anzustarren, blickte ich weg.
Wir flogen mittlerweile direkt über den Häuserdächern hinweg und zu Ingos Haus.
Direkt über dem Dach hielt Sora an und ließ sich sacht nach unten durch die Decke gleiten.
In meinem Zimmer angekommen setzte mich der Tengu zu Boden.
„D-danke.“, stammelte ich verlegen. Verdammt, warum war ich auf einmal so unsicher in seiner Nähe? Das war ich doch am Anfang nicht gewesen.
„Das habe ich doch gern gemacht, Meister.“, säuselte er in mein Ohr und ging an mir vorbei und setzte sich aufs Bett. Er hatte seine menschliche Gestallt angenommen und seine Flügel waren verschwunden.
Er deutete mit einer Geste an, sich neben ihm zu platzieren. Ich tat wie befohlen und setzte mich neben ihm hin. Sein Geruch stieg mir in die Nase und ich entspannte mich ein wenig. Wie schaffte er das nur? Ich fühlte mich in seiner Anwesenheit so wohl.
Er stütze sich auf einen Arm und kam mir sehr nahe. Röte schoss mir ins Gesicht. Was sollte das denn? Er grinste. Oh, oh, schoss es mir durch den Kopf

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