Der erste Kuss

15 3 0
                                    

„Was war das vorhin?“, fragte ich zögernd und starrte den Boden an. Ich traute mich nicht ihn anzusehen.
„Das weißt du doch.“
„Ein Dämon? Aber wie…“ ich stöhnte und versuchte meine wilden Gedanken zu sortieren.  „Wie kam es dazu?“
Sora nahm mein Gesicht in seine Hand und hob es an, sodass ich ihn ansehen musste. Er hatte einen neutralen Blick und musterte mich.
„Dieser Dämon entsteht, wenn ein Geist sich an einem Menschen klammert und sich an seinen Gefühlen nährt und Verstärkt. Er ist auf die schlechten Gefühle aus. Diese schmecken ihm am besten.“, klärte Sora mich auf. Also so war das. Stand dies Ingo auch bevor, wenn ich ihn nicht von dem Geist befreite der ihn befallen hatte?
„Ingo?“ Sora nickte. „Wenn du ihm nicht hilfst kann es irgendwann soweit kommen.“
Ich hielt die Luft an. „Ist der Geist daran Schuld das er so gemein zu mir ist?“
Sora schwieg und mir stiegen Tränen in die Augen. „Nein.“, flüsterte er dann. „Der Geist verstärkt nur die negativen Gedanken und lässt sie weniger schlimm erscheinen. Es scheint ihm Spaß zu machen.“
Ich dachte über diese Worte nach. Es wäre so einfach gewesen, dem Geist die Schuld zu geben. Und es hätte einiges Entschuldigt. Aber es hätte seine Taten nicht wieder gut gemacht.
Also war Ingo wirklich ein Mann, der darauf stand andere nieder zumachen. 
Ich sah mir meinen Arm an. Die Brandblasen waren verschwunden. Übrig waren zwei Kreisrunde Krusten. Auch die würden verschwinden und nur eine kleine Narbe würde mich erinnern. So wie meine anderen Narben am Körper.
Sora strich einmal mit den Zeigefinger über die Kruste und ich zuckte leicht zusammen. Sie taten nicht allzu sehr weh, die Berührung hatte mich erschreckt.
Es hatte geprickelt und kurz gebrannt, doch das war vorbei. Ich sah zu den Wunden, sie waren noch da. Schade, ich hatte gehofft der Tengu hätte sie auf magische weise verschwinden lassen.
Er musste meinen traurigen Blick bemerkt haben, denn er legte einen Arm um mich. „Du bist wunderschön.“, säuselte er. „Ähö…“
Ich musste unwillkürlich lächeln. „Mehr wollte ich nicht sehen.“. sagte Sora und stand auf.  „Schau morgen nach.“, gab er mir den Rat. Er stand vor mir, groß, schwarz, wunderschön. Hoppala. Wo kam der Gedanke auf einmal her?
„Wenn dir das nächste mal ein Dämon begegnet“, setzte Sora an. Dann gib mir bescheid, Beendete er seinen Satz in meinem Kopf. Zustimmend nickte ich. „Kannst du mir beibringen wie ich mich verteidigen kann?“
Sora sah auf mich hinab. „Natürlich kann ich das.“ Mein grinsen wurde breiter. „Aber vorher will ich etwas von dir. Ich mache das ja nicht aus Nettigkeit.“ Mein grinsen schwächelte, doch seins wurde breiter.
„Gib mir einen Kuss.“, er deutete auf seine rechte Wange. Ich sah ihn mit großen Augen an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Sollte ich ihm wirklich nur auf die Wange küssen? Wäre es das Wert? Nein, aber wie sollte ich sonst erfahren wie ich mich selbst schützen konnte. Schließlich waren Kian und Sora nicht ununterbrochen bei mir, wie ich anfangs dachte. Aber sie schienen, trotz das sie mit mir verbunden waren, ein eigenes Leben zu führen. Wie konnte ich auch nur so Naiv sein und denken, dass sie mich vierundzwanzig-sieben begleiteten.
Ich schüttelte den Kopf. Mir blieb wohl nichts anderes übrig. Und, obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, freute ich mich irgendwie Sora einen Kuss zu geben.
                                                                                         *




Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte ihm keinen Kuss geben? Dabei hatte er gedacht, er hätte sie überzeugt. Er dachte, mit dem Flug und der edlen Rettungsaktion hätte er sie gewonnen.
Niemand konnte seinem gewollten Charme entgehen. Auch nicht dieses Mädchen. Er wollte sie unbedingt für sich haben.
Joana sah ihn an. In ihren Augen spiegelte er sich und er sah seinen arroganten Blick. Er schloss seine Augen, wollte seine offensichtliche Arroganz verbergen, da spürte er weiche Lippen auf seiner Wange. Ein lächeln huschte über sein Gesicht. Also konnte sie ihm nicht widerstehen, verbarg dies nur sehr gut.
Insgeheim lachte Sora in sich hinein und feierte sich. Wie immer bekam er jede Frau, jedes Mädchen wenn er es wollte.
Sie fühlte sich warm an und er konnte ihr Herz schlagen hören. Es schlug ein wenig zu schnell.
Die Lippen lösten sich von seiner Wange und er öffnete erfreut seine Augen. Joana wich schnell zurück und schien irritiert zu sein. War es etwa so schlimm für sie gewesen?
Es hatte sich so gut angefühlt für ihn. Am liebsten würde er sie packen und…
„Zeig es mir.“, forderte Joana ihn auf. „Es dir zeigen?“ Sora war sichtlich erstaunt über diesen Ausruf. Sora räusperte sich. Konzentrier dich, mahnte er sich und strafte seine Körperhaltung. „Es ist eigentlich ganz einfach.“, seine Stimme klang zu weich, also räusperte er sich abermals.
„Ganz einfach. Du musst deinen Mittelpunkt suchen.  Sowas wie ein Feuer in dir. Dann formst du es nach belieben. In dem speziellen Fall, als Ketten.“
Joana blickte ihn leicht irritiert an. „Schließ deine Augen.“, befahl er etwas unfreundlicher als gewollt. Sie tat es.
Er verwandelte seine Hand in die Krähenform und berührte sie dort, wo er ihren Bauchnabel vermutete. „Genau hier müsste sie sitzen.“, hauchte er in ihr Ohr und pustete es leicht an.
Er sah wie sich Gänsehaut in ihrem Nacken bildete und war mit sich sehr zufrieden.
Du kleines süßes Menschenmädchen, du bist meins, schnurrte er in sich hinein.
Er sah wie Joanas Hand anfing leicht zu leuchten. „Und jetzt gibst ihr eine Form.“, wisperte er.
Ihre Finger zuckten und formten einen Kreis. Nicht schlecht.
Um Sora zog sich eine Kette aus großen magischen Kreiselementen. Na toll, sie fesselte ihn damit, eigentlich sollte sie doch nur eine Kette beschwören und nicht gleich den nächstbesten fesseln.
Er versuchte sich zu befreien, merkte jedoch das die Kette stärker war als Gedacht. Doch er gab sich nicht mehr mühe, da sonst Joana mehr kraft aufbringen müsste und für den Anfang wären das zu viele schmerzen.
„Öffne deine Augen.“, bat Sora und Joana gehorchte. „Oh.“, sie sah mich erstaunt an und grinste. „Ich hab dich.“, sagte sie mit etwas zu erfreuter Stimme. Er schnaubte und verwandelte sich in seine halb-Mensch-Gestalt. Schwanzfedern wuchsen und seine Haare verwandelten sich ebenfalls zu Federn.  Er spürte seine Flügel an seiner Haut kratzen. Joana sah ihn herausfordernd an. „Willst du das wirklich?“, fragte er spöttisch. Doch bevor sie antworten konnte schossen seine Flügel aus seinem Rücken und zersprengten die Ketten ohne Mühe. Joana krümmte sich und ihre Beine gaben nach, doch ehe sie zu Boden fiel, fing er sie auf und hielt sie in seinen starken Armen. „Mich bändigst du nicht so leicht“, krächzte er äußerst zufrieden.
Joana war noch leicht entkräftet als er sie los ließ. Doch sie konnte stolz auf sich sein. Dafür das sie noch keinerlei Erfahrung hat, schaffte sie es schon Ketten zu beschwören. Er tätschelte ihren Kopf.
„Was soll das denn?“, fragte sie und schlug seine Hand weg. Es durchfuhr ihn wie ein Blitz.
Wie konnte sie es wagen so mit ihm umzuspringen.
Er packte sie grob am Handgelenk und drückte sie gegen die nächste Fenster. „Spring nicht so arrogant mit mir um.“, befahl er und packte sie mit der anderen Hand an den Hals. „Ich bin zwar an dich gebunden, doch ich kann das jederzeit beenden.“, er drückte leicht fester zu. Sie keuchte und war von seiner Reaktion überrascht.
„Entschuldigung.“, keuchte sie, da er anscheinend zu fest zupackte. Sofort löste er den Griff und ging ein paar Schritte zurück. „Ich bin ein Bergdämon, Mensch. Ich bin nicht dein Freund oder untergebener. Kian mag vielleicht so ein Arschkriecher sein, ich dennoch habe meinen eigenen Willen.“, sprach er und sah herablassend Joana an.
Wieso spielte er sich auf einmal so auf? Das war doch sonst nicht seine Art, doch hatte ihn die Reaktion von ihr wütend gemacht.
„Das war nicht meine Absicht.“, entschuldigte sich Joana und drehte sich weg.
Sie schwiegen sich an, bis sich Sora entschied nach Kian Ausschau zu halten.
„Ich werde Kian suchen gehen. Geh schlafen, es ist spät.“
Ehe sie erwidern konnte hatte er das Haus schon verlassen und flog über die Dächer der Stadt.

Er musste  nicht lange suchen und fand Kian leicht verletzt vor dem Dämon. Dieser rührte sich nicht mehr. Das Menschenmädchen lag regungslos neben ihm.
Das war manchmal so. Kollateralschäden musste man manchmal hinnehmen. Er landete sachte neben Kian und sah seine verletzte Pfote. „Ich dachte du wärst besser.“, sprach Sora verächtlich.
Kian knurrte und fauchte, seine Augen leuchteten rot. Er holte zu einem Schlag aus, doch bevor er ihn traf war er schon in der Luft.
„Geh zu Joana. Ich bin heute Abend beschäftigt.“ Ein weiterer Flügelschlag und Sora verschwand in den Wolken.
Kian hatte noch etwas geantwortet, doch das verstand er nicht mehr. Widerworte war er nicht gewohnt und wollte sie auch nicht hören. Sonst müsste er Kian noch Manieren beibringen.
Als er wieder landete war er vor der Arbeitsstelle von Ingo. Er beobachtete ihn schon länger. Naja, nicht ihn direkt, sondern den Geist der ihn ihm loderte.
Er nährte sich von seinem Hass und seiner Trauer. Der Verlust an seiner Tochter hatte ihm den Weg eines Geistes zu leicht gemacht.
Zu anderen Personen schien Ingo nett zu sein. Seine ganze Wut richtete sich auf Joana.
Leider war Ingo nicht alleine, sonst würde er sich diesen vornehmen. Auch wenn er nicht alleine Schuld an dem Zustand war, indem er sich befand, ließ er es doch soweit kommen und wehrte sich nicht gegen sein verlangen.

GeisterWeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt