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Kapitel

26.August 1989

Musik ist ein Vehikel für Traurigkeit - aber auch für Freude. Und wenn es gelingt, beide Extreme zusammenzubringen, entsteht Magie.“

Ich sitze am Schreibtisch, höre die Beatles und schreibe diesen Brief. Mein Füße wippen im Takt und ich Summer die Melody von 'Yellow Submarine' mit. Ich habe seit drei Monaten mit niemanden ausser meinen Eltern geredet. Ich verlasse auch selten das Haus. Es gibt keinen Grund dazu, du bist nicht mehr da. Jede Nacht wenn ich nicht schlafen kann, was ziemlich oft passiert, sehe ich aus dem Fenster und schaue auf euer Haus. Es sieht so friedlich aus. Das Fenster gegenüber von mir war mal dein Zimmer. Es sieht unberrührt aus. Niemand will hineingehen. Du stehst in allen Zeitungen. Alle berichten über dich. Sie belagern auch deine Eltern. Sie sind für ein paar Tage weggefahren, um ein bisschen nachdenken zu können. Dein Bruder ist für deine Beerdigung gekommen. Als er mich gesehen hat, kam er auf mich zugerannt und hat mich umarmt.

Deine Beerdigung war schrecklich. Es war voll, heiß und ich kannte niemanden. Ich weiß noch nicht mal ob du einen kanntest. Dein Sarg war zu. Alle sagten du seist 'zu enstellt'. Du bist wunderschön. Wie können sie so etwas sagen. Sie kennen dich alle nicht. Eigentlich kenne ich dich auch nicht. Niemand kennt dich. Kanntest du dich selbst?

Mum will das ich wieder die Anti Depressiva nehme. Wie vor fünf Jahren, als Dad gestorben ist. Nur bei Dad wusste ich das er stirbt. Er hatte Krebs im Endstadium. Bei dir kam es plötzlich. Wobei, du hattest es ja geplant. Ich will diese Pillen nicht nehmen. Ich will nicht durch Pillen glücklich werden, aber nicht mehr zur Schule gehen, weil die Nebenwirkungen es mir nicht erlauben. Sie sollen mich doch einfach einmal unglücklich lassen. Ich möchte einmal trauern. Nur einmal möchte ich wirkich etwas fühlen. Nur einmal.

Ich bin oft an deinem Grab. Ich bring dir jedes Mal Gänseblümchen, aber irgendwie verschwinden sie immer unter den ganzen Rosen und Lilien. Weiß denn keiner dass du Gänseblümchen am liebsten magst? Dein Grab ist aus weißem Marmor und in grauer Schrift steht :

April Marrison

Du wolltest bleiben, aber musstest gehen. Wir werden dich immer lieben.

Es klingt so als wärst du nicht freiwilich gestorben. Es klingt so als hättest du einen Autounfall gehabt. Deine Eltern wollen es glaube ich nicht wahrhaben das du es freiwillig wolltest. Ich will es eigentlich auch nicht wahrhaben.

Jetzt kommt 'Let it be'. Dein Lieblingslied. Es treibt mir Tränen in die Augen und ich möchte mich in mein Bett legen und nicht mehr aufstehen. Aber ich kann nicht. Ich muss dir schreiben. Auch wenn du es nicht mehr lesen kannst. Du hättest es wahrscheinlich so gewollt.

Ich hoffe die Schule ist gut. Brownhill High School. Klingt langweilig. Oder wie du immer gesagt hast 'Zum Schlafen und nie wieder aufwachen'.

Ich weiß noch als du mich angerufen hast und mich gefragt hast, ob du wenn du stirbst dich begraben lassen sollst. Hätte ich gewusst, wie das endet hätte ich gar nicht erst geantwortet. Aber ich war so dumm. So naiv. Ich habe es nicht bemerkt. Aber wieso hast du nichts gesagt?

Deine Familie sieht schreklich aus. Sie haben alle große Augenringe und die wunderschönen Augen deiner Mutter leuchten nicht mehr, sondern sind glanzlos und leer. Du hattest die selben wunderschönen grauen Augen wie sie. Manchmal waren sie wie ein nebliger Morgen, wurden zu einem Sturm mit Gewittern, und endeten mit einem klaren grauen Himmel. Wie nach einem Regen. Ich fand deine Augen immer so faszinierend. Man konnte nie ein Gefühl aus ihnen ablesen. Vielleicht war das auch ihr Verhängnis. Sie werden nie wieder den blauen Himmel sehen können.

Weißt du noch, dass Foto vom Sommer vor zwei Jahren? Wie wir dort stehen, in Badekleidung und jeder hatte eine Wasserbombe in der Hand. Du fandest es so lustig das ich deinen Bruder nass gemacht habe, dass du deine eigene Wasserbombe fallen gelassen hast. Wir haben den ganzen Tag gelacht. Dort habe ich zum ersten Mal die blauen Flecke auf deinen Armen gesehen. Du hast sie als Tollpatschigkeit abgestempelt

und ich habe dir geglaubt. Aber jetzt glaube ich dir nicht mehr. Du warst es selber. Wieso?

Es wird langsam dunkel. Bald gibt es Abendessen. Mum versucht es, so normal wie möglich zu machen. Aber sie scheitert kläglich. Wir schweigen uns am Ende immer an.

Ich schlafe viel mehr als früher. Und ich habe die Lust am schreiben verloren. Ein Wunder das ich dir überhaupt Briefe schreiben kann. Das letzte Gedicht habe ich vor deinem Tod geschrieben. Ich habe auch keinen Hunger mehr. Mum sagt, es ist wegen den Anti Depressiva. Sie sind noch so unentwickelt. Aber es ist wegen dir.

Gleich kommen die Nachrichten. Sie werden wieder über dich berichten. Ich werde es nicht hören. Kann es nicht ertragen, deinen Namen mit so einer schlechten Nachricht zu hören. Für mich warst du immer gute Nachrichten.

Ich glaube ich lege mich ins Bett und weine ein bisschen. Soll die Seele reinigen. Jetzt läuft Hey Jude und ich möchte schlafen.

Noah

HIer ist das Kapitel :D 

Ich bezweifle das ihr weinen oder sonstwas werdet, aber man kann ja auch nicth in jedem Kapitel heulen (okey, ich kanns) .

Viel Spaß 

xoxo

Jenn

Letters to AprilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt