Kapitel 1 - Ihr Blick

46 14 5
                                    

Wir sind mal wieder in der Stadt, Samu hat seine Kippen schon wieder alle geraucht. "Alter ich schwöre dir, du stirbst spätestens mit dreißig". Jedes Mal wenn er Kippen will, warne ich ihn. "Du bist doch auch noch nicht abgekratzt", lacht er. "Ich bin ja auch nicht dreißig und rauche nicht innerhalb von 48 Stunden ne Schachtel". Er kann echt ein Idiot sein. Aber er wird erst nächsten Monat achtzehn. Bis dahin muss ich ihm noch die Kippen kaufen. Wir gehen also in den blöden Laden. Es ist Samstag, überall sind Menschen, es ist so unglaublich voll hier. Ich gehe mit Samu zur Kasse, ich hab mir noch eine Dose Monster mitgenommen. Ohne den Scheiß wäre ich komplett am Arsch. Ein weiterer Beweis dafür, dass ich echt verkorkst bin. Wir bezahlen also meinen Drink und seine Schachteln Zigaretten und laufen in Richtung Ausgang.

Im vorbeigehen rempelt Samu eine kleine, zierliche Frau an. Er hat sie so heftig erwischt, dass ihr ganzer Tascheninhalt ausgebreitet am Boden liegt. Mein Bruder raunt ihr nur ein unfreundliches "Pass doch auf" zu, doch ich pfeife ihn zurück. "Alter Samu komm her und sei nicht so ein Idiot!", doch er nimmt mich überhaupt nicht wahr. Ich wende mich der jungen Frau zu, sie hat mittlerweile schon ihre Sachen zurück in die Tasche gepackt. Ich reiche ihr die Hand damit sie leichter wieder aufstehen kann. Zu meiner Verwunderung ergreift sie sie nicht, sondern richtet sich mit einer erstaunlichen Leichtigkeit von ganz allein auf. Ich habe währenddessen Zeit, sie zu mustern. Sie trägt eine enge weiße Jeans, schwarze Stiefel und einen smaragdgrünen Pullover. "Hey ehm es tut mir echt leid, mein Bruder kann ein ziemlicher Arsch..", setze ich an, doch sie unterbricht mich. "Ist schon ok. Wer mag schon an einem Samstag einkaufen gehen". Sie blickt mir in die Augen, um ihre Pupillen ist das selbe Grün zu sehen, welches auch ihr Oberteil hat.

Ihr Blick durchdringt mich, lässt mich schaudern, bereitet mir eine Gänsehaut. Ich fühle mich nackt und durchschaubar. Und doch steckt in ihrem Blick so unglaublich viel Gefühl, so viel Güte lässt sich erkennen. Doch zugleich ist es einer dieser Blicke, bei denen man zunächst nichts außer Kälte erkennen mag. Ich bin total aus der Fassung. "Ehm...ja...naja...schönen Tag noch", stammele ich. Seit wann kann ein Mädchen mich so verwirren? Sie deutet kurz ein nicken an und geht. Sie lässt mich einfach so stehen. Es ist das erste Mal, dass ein Mädchen mich stehen lässt. Dieses Gefühl löst eine unglaubliche Frustration in mir aus. Ich wende mich ab, schaue ihr ein letztes Mal hinterher und gehe nach draußen.

Samu lehnt an der Hauswand des Geschäfts und raucht. Ich will ihm erst einmal eine richtige Standpauke verpassen, aber aus meinem Mund kommt kein einziges Wort. Ich bin immer noch aufgewühlt durch diese Frau. "Alter, gehts dir gut?", reißt Samu mich aus meinem Tagtraum. "Ja, alles klar", stottere ich. Ich habe meine Sprach wieder gefunden. "Sag mal spinnst du eigentlich? Du kannst diese Frau doch nicht einfach so zurück lassen! Seit wann bist du so ein Arsch? Ist dir eigentlich klar wie unglaublich unfreundlich du warst?", scheiße ich ihn jetzt zusammen. "Komm runter alter, die kam schon klar.", erwidert er, deutliches desinteresse zeigt sich in seinem Blick. Ich bin von Null auf Hundertachtzig. Wie kann man nur so rücksichtslos sein?

Vor genau einer Woche hatte ich die begegnung mit dieser Frau, die mich echt unglaublich frustriert und zugleich fasziniert hat. "Samu?", schreie ich, in der Hoffnung, mein kleiner Bruder kommt zu mir her. Mein Wunsch geht in erfüllung, er platzt, einfach wie immer, in mein Zimmer rein. "Alter Jackson bitte hab nen guten Grund dass ich jetzt aufhören musste zu zocken!", er brüllt mir diesen Satz fast in mein Gesicht. "Beruhige dich. Ich muss in die Stadt, brauchst du Kippen?", frage ich ihn einfach nur. "Ehm ja klar. Die brauch ich doch immer", er findet sich so witzig dass er einen Lachkrampf bekommt. "Ey jetzt​ mal im ernst, bist du krank? Ich muss dich sonst immer zwingen, mir welche zu holen.", fragt er mich, seine Stimme zeugt von Verwirrung. Nein. Ich brauche einen Grund um in die Stadt zu gehen. "Ne, ist alles klar, wollte nur mal nett sein", erwidere ich. Es kommt nur ein "Ok" von ihm und er verschwindet auch wieder.

In der Stadt angekommen gehe ich in den Laden, in dem wir die Woche zuvor auch schon waren. Verdammt Jackson, was zur Hölle erhoffst du dir? Sonst bist du doch auch nicht so lächerlich. Egal. Ich weiß es doch eh nicht. Auf einmal dringt ein wohlbekannter Duft zu mir vor. Ich kenne ihn. Doch zu welcher Person gehört der Geruch, verdammt nochmal? Ich drehe mich um und mir bleibt die Luft weg. Wann habe ich zum letzten Mal so etwas gesehen?

MysteriumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt