13 Herzerweichend

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Ich wagte mich kaum zu rühren. Dabei wollte ich nur eines! Auf der Stelle herumwirbeln, und sehen, ob ich halluzinierte, oder ob sie wirklich da war. Doch, wenn ich meinem Verlangen nachgegeben hätte, hätte sie womöglich noch geglaubt, sie würde mir irgendwas bedeuten. Tat sie aber nicht. Nein! Gar nicht, aber ich konnte auch nicht leugnen, das mir das Herz, bis zum Hals schlug, als ich jetzt; Nein! Ich drehte mich nicht um, aber ich atmete unauffällig ein und antwortete ihr. Mit zitternder Stimme, die ich so gleichgültig wie möglich hielt. Auch, auf die Gefahr hin, dass ich Selbstgespräche führte.

"Wonach sieht es denn aus?" Ich schoss weiter Bilder, wobei ich nicht darauf achtete, was ich ablichtete. Möglich, dass ich die Kanzel erwischte, oder auch den Altar. Vielleicht auch einen der Kerzenleuchter. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine schlichte, und absolut unwichtige, Fuge an der Wand auf meiner Speicherkarte verewigte war deutlich größer.

"Es sieht nach Zeitverschwendung aus."

"Für dich vielleicht. Aber was kann man auch anderes von einer Märchengestalt wie dir erwarten? Kein Blick für die Realität." Noch immer hatte ich mich nicht zu ihr umgedreht, doch wurde meine Geduld gerade auf eine gehörige Probe gestellt, denn sie antwortete mir nicht noch einmal. Sicher hatte ich sie beleidigt, doch konnte es mir egal sein. Immerhin war nicht ich es, der gestern nicht gekommen war, sondern sie.

In meiner Brust zog sich etwas seltsam zusammen und ich hatte das überwältigende Bedürfnis, mich umzudrehen und nach ihr zu suchen, doch gab ich ihm nicht nach. Ich atmete tief durch und konzentrierte mich wieder auf meine Aufgabe. Fotos machen, für das Referat, auch wenn ich absolut keine Lust mehr hatte.

"Wenn du meine Realität kennen würdest, glaub mir, du würdest anders von mir denken."

Ihre Stimme klang so viel näher als eben noch. Nicht, dass sie neben mir stehen würde, doch noch vor einer Minute hatte ich das Gefühl, sie würde irgendwo hinter mir unter der Decke schweben, was natürlich Quatsch war, doch jetzt klang es so, als stünde sie am Eingang der Kirche, wohingegen ich am Altar stand.

Mein Herz hatte für einen Moment zu schlagen aufgehört, doch jetzt begann es geradezu zu rasen. Blut rauschte in meinen Ohren und eine prickelnde Gänsehaut zog sich über meine Arme. Ich hörte ihre leisen Schritte auf dem kalten Steinboden, dabei war lediglich ein Rascheln zu hören. Und ihr Atem, der mir nur zu deutlich bewusst wurde, als er mich im Nacken streifte.

"Ich bin an deiner Realität nicht interessiert. Scheint sie doch weit neben der meinen zu liegen", ließ ich sie beinahe flüsternd abblitzen. Nur weil sie jetzt der Meinung war, sich von ihrem hohen Ross herunter zu bewegen, musste ich sie ja nicht einfach mit offenen Armen empfangen.

"Gut so Fotograf. Denn meine Realität hinterlässt nur Leichen. Glaub mir, es ist besser, wenn wir uns nicht kennen." Sie klang traurig, aber sie stand noch immer neben mir und ich konnte ihre wärme spüren, die mich zum Zittern brachte. Ihr verführerischer, erdiger Erdbeerduft, umschmeichelte meine Sinne und ließ die kühle in meiner Brust schmelzen. Doch was mich dazu brachte, mich zu ihr umzudrehen, war diese stille, die in ihrer Stimme mitschwang.

"Haben wir nicht alle irgendwelche Leichen im Keller? Und was soll das Gerede davon, dass es besser ist, mich nicht zu kennen?" Die Hand, in der ich die Kamera hielt hing achtlos an meiner Seite, doch musste ich mich sehr beherrschen, ihr mit der anderen nicht die Haare hinters Ohr zu streichen und ihr über die Wange zu streichen. Sie wirkte so verloren, wie sie hier stand. Mit dunklen Haaren, heller Haut und Augen, so dunkel wie die Hölle. Seltsam nur, dass ich mir sicher war, das sich hinter ihrer abweisenden Fassade ein Mensch verbarg, der viel zu erzählen hatte. Einer, der viel erlebt und gesehen hatte. Fast wie diese Kirche hier.

✔Unter dem RegenbogenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt