16 Selig

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"Ich glaube, wir gehen dann mal. Komm Kessy, Blue muss was mit Schneewittchen besprechen." Eros war ein echter Freund, oder aber mein größter Feind. Wie konnte er mich hier, mit ihr, allein lassen? So ein...so ein...

Ach egal!

Ich hätte ihm ja gerne meine Meinung gegeigt, doch irgendwie war ich wie erstarrt. Mein Herz raste und meine Zunge klebte seltsamerweise wie ausgedörrt am Gaumen, wohingegen meine Hände zu schwitzen begannen. Ich konnte mich ihrem Blick nicht entziehen, fand auch keine Worte, die lässig oder locker klangen, nur ein buntes Durcheinander an Buchstaben zog durch meinen Kopf.

Unfähig. Das war wohl das Wort, was mich und meinen Zustand am besten beschrieb. Unfähig mich zu rühren. Unfähig zu sprechen, zu atmen oder auch zu denken. Ich fühlte nur noch. Fühlte die Sehnsucht, die mich zu ihr hin zog. Fühlte das Prickeln, das sich unter meiner Haut ausbreitete und mich mit einer Hitze erfüllte, die mich ganz schwindelig machte. Ich fühlte mein Herz, dass hart in meiner Brust schlug und mich zum zittern brachte. Und ich war unfähig meinen Blick aus ihren Augen zu nehmen.

So viel spielte sich in ihrem Gesicht ab. Sie schien unsicher zu sein, so unsicher wie ich. Sie sah mich an, wie ich sie. Ich hatte das Gefühl, selbst, wenn sie gewollt hätte, sie hätte, wie ich, den Blick nicht abwenden können. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Lippen schimmerten rosig und waren leicht geöffnet, ihre langen Wimpern klappten auf und ab und ihr berauschender Duft hüllte mich ein und nahm mir auch noch den letzten Rest Verstand, insofern ich jemals welchen gehabt hatte.

Ich sah, wie sich ihre Lippen bewegten, doch als ihre Worte meine Synapsen erreichten, dauerte es bestimmt mehrere Stunden, bevor ich auf sie reagieren konnte.

"Hi", erwiderte ich heiser und konnte nicht anders, als ihr über den Arm zu streichen. "Wie geht's. Ich meine, du hast wirklich toll...gesungen...", sagte ich lahm und fuhr mir verzweifelt durch die Haare. Ich wollte ihr so viel sagen, ihr so viel gestehen, sie an mich ziehen und küssen, ich wollte sie im Arm halten, meine Nase in ihren Haaren vergraben und mich von ihrem Erdbeerduft berauschen lassen, doch alles was ich tat, war hier stehen und sie atemlos anstarren.

"Gut. Und dir?" Sie atmete so tief ein, wie ich und senkte dann den Blick, doch war es, als würde ich fallen. Ohne sie, ohne ihre Augen war es, als würde sich die Sonne hinter den Wolken verstecken und mich in tiefster Dunkelheit zurücklassen.

"Nicht", flüsterte ich ohne auf ihre Frage einzugehen. Ich wusste nicht, ob sie verstand, was ich ihr damit sagen wollte, doch sie hob den Blick und sah mich wieder an. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf meine Lippen und durch meine Brust strömte eine wohlige Wärme.

"Was?", fragte sie verwirrt blinzelnd, weshalb ich deutlicher wurde. Es hätte mir peinlich sein sollen, doch war es das nicht.

"Schau nicht weg, bitte." Ihre Wangen färben sich rötlich und ich glaubte mir einzubilden, dass ihr Atem stockte. Doch als sie nach meiner Hand griff und mich beiseite zog, war ich es, dem die Luft wegblieb.

"Können, können wir reden?"

"Klar. Worüber denn?", für diese Worte hätte ich mir mal wieder eine klatschen können, doch vertiefte sich ihr Lächeln nur und sie senkte erneut den Kopf. Da sie jedoch noch immer meine Hand hielt, war ich gerade viel zu sehr mit dem Prickeln beschäftigt, das sich in mir ausbreitete, als das ich diesem Umstand allzu große Bedeutung beimessen konnte.

"Über den Tag. Du weißt schon. An dem..."

"An dem?", hakte ich nach, als sie nicht weitersprach.

Seufzend atmete sie tief durch, dann sagte sie schnell: "An dem du deine Kamera hier liegen gelassen hast."

"Oh, der Tag..." Mit schmerzvoll gefurchter Stirn spannte ich mich an und spürte den Verlust dessen, das ich bis zu diesem Tag so sehr geliebt hatte, noch einmal mit ganzer Wucht. Doch dann kapierte ich erst, was sie mir gerade gesagt hatte.

✔Unter dem RegenbogenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt