5. Kapitel

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Hope

-Prim's Sicht-

Ich wache auf und blinzle. Warme Sonnenstrahlen fallen durch das große Fenster. Müde hebe ich meinen dröhnenden Kopf und richte mich in dem weichem Bett auf. ,,Guten Morgen, Prim!", sagt Katniss, die am Bettende sitzt. Ich stehe langsam auf und schaue mich um. Der Raum in dem ich mich befinde, ist der größte Raum den ich je in meinem Leben gesehen habe. Katniss hat meinen erstaunten Blick scheinbar bemerkt, denn sie lächelt matt. ,,Alle Räume hier im Zug sind so groß." Ich will gerade etwas erwidern, als eine schrille Frau den Raum betritt. Effie Trinket.

„Wie toll, dass du wach bist Primrose!", trällert sie. Ich stöhne und Katniss sieht mich besorgt an. „Wir sind nämlich ganz ganz bald da!", quatscht sie weiter. Unbesorgt. Aber sie ist ja auch nicht diejenige, die bald in eine Arena muss, um sich mit anderen Kindern auf den Tod zu bekämpfen. Sie hat keine Ahnung, von der Angst die wir durchstehen müssen.

„Was willst du Effie?", fragt Katniss mürrisch. „Ich bin hier, um mit euch die Wiederholung anzusehen!", quietscht sie. Bei diesen hohen Tönen würde ich mir am liebsten die Ohren zuhalten, aber ich lasse es über mich ergehen. Katniss nickt und geht zu einem riesigen Flachbildfernseher, der an der Wand hängt. Sie setzt sich auf einen Stuhl und schaltet ihn an. Ich setze mich zu ihr und starre gebannt auf den Fernseher. Es läuft gerade die Ernte von Distrikt 1. Ein stämmiger Mann und eine zierliche Frau wurden gezogen. Ihre Geschwister sehen den beiden ziemlich ähnlich und sind auf jeden Fall viel älter als ich. Dann kommt Distrikt 2. Der weibliche Tribut ist schlank und hat spitze Zähne. Plötzlich sehe ich, wie sich Katniss neben mir verkrampft. Ich drehe mich wieder zum Fernseher. Ein riesiger, muskulöser Junge mit Augen, bei denen es mir kalt den Rücken runter läuft, betritt die Bühne. ,,Wer ist das?", frage ich Katniss. ,,Cato." Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Was ist mit ihm?", frage ich verwirrt. Dann fällt es mir plötzlich ein. Cato. Der Junge, der mit Katniss die Spiele gewonnen hat. Der sie mehr als einmal beinahe getötet hat. Peeta war immer für Katniss da, und hat sie vor Cato gerettet. Bis Cato ihn ermordet hat.

„Oh.", stammle ich. Mehr bringe ich nicht heraus. Da Katniss nichts sagt, wende ich mich wieder dem Fernseher zu. Ein zierliches Mädchen betritt die Bühne. Sie ist klein, hat braune, schulterlange Haare und blaue Augen. Ihre Augen sind vor Angst geweitet, und man merkt ihr gar nicht an, dass sie die Schwester des brutalen Catos ist. Danach passe ich nicht mehr auf, bis wir dran kommen. Katniss sieht geschockt aus und ich ängstlich. Ich schlucke und mir wird mulmig zu mute. Wir sind ein leichtes Ziel für die anderen. Nein, nicht wir. Ich bin es, die ein leichtes Ziel ist.

Mit zitterigen Beinen stehe ich auf. ,,Ich komme gleich wieder.", sage ich. Als ich die Türe öffne bemerke ich wie Katniss mir einen komischen Blick zuwirft.

Ratlos tapse ich den langen Korridor entlang auf der Suche nach der Toilette. Plötzlich knalle ich gegen jemanden und falle zu Boden. Verwirrt schaue ich auf. Das zierliche Mädchen aus 2 liegt vor mir und schaut mich erschrocken an. ,,Tut mir Leid!", sage ich schnell. Sie rappelt sich auf. ,,Ist schon okay.", erwidert sie schüchtern. ,,Ich bin übrigens Hope!" ,,Ich bin Prim!", stelle ich mich vor und lächle. Hope-Hoffnung, ihr Name gefällt mir. ,,Du musst also auch mit 13 in die Spiele.", stellt sie traurig fest. ,,Ja. Ich bin Katniss einzige Schwester.", flüstere ich leise. Sie nickt verständnisvoll. „Ich bin Catos einzige Schwester.", murmelt sie.

Ich bemühe mich zu lächeln, doch es fällt mir schwer. Immer wieder muss ich an das letzte Jahr denken, als ihr Bruder Tresh getötet hat. „Ich bin nicht wie er. Wirklich. Du kannst mir vertrauen.", sagt sie. Sieht man mir meine Gedanken so offen an? Ich nicke, doch der Kloß in meinem Hals bleibt. Sie lächelt. „Willst du mir von Distrikt 12 erzählen? Ich kann mir ein Leben außerhalb von Distrikt 2 gar nicht vorstellen. Und ich werde es keinem weitersagen!", bittet sie und fügt ironisch hinzu: „Wo wir doch eh bald sterben kann ich das sowieso nicht!"

Ein Grinsen breitet sich in meinem Gesicht aus. „Alles ist ziemlich schmutzig. Wegen dem Kohlestaub.", beginne ich. „Aber Distrikt 12 hat auch schöne Seiten. Den Wald zum Beispiel. Aber ich sehe ihn immer nur von außen. Und ich habe zwei Tiere. Meine Ziege Lady. Und meine Katze. Butterblume. Katniss mag Butterblume allerdings nicht, aber das verstehe ich nicht. Er ist die süßeste Katze die es gibt..." Als ich erst mal angefangen habe zu erzählen, kann ich gar nicht mehr aufhören. Und Hope ist eine tolle Zuhörerin. Sie unterbricht mich kein einziges Mal. „Erzähl weiter!", bittet sie mich. Ich nicke, und will gerade weitersprechen, als die Tür aufgeht.

„Prim, mit wem sprichst du da?", fragt Katniss vorsichtig. „Ich bin Hope.", stellt sich Hope vor, „Ich komme aus Distrikt 2." Sämtliche Farbe weicht aus dem Gesicht meiner Schwester. „Wessen Schwester bist du?", fragt sie langsam. „Ich bin Catos Schwester.", antwortet Hope ruhig. Katniss verkrampft sich, ihre Fingernägel graben sich in ihre Handflächen. „Raus!", brüllt sie. „Verschwinde von hier! Und wage es nie, NIE wieder mit Prim zu sprechen!" Ich sehe meine Schwester erschrocken an. Hope steht langsam auf und öffnet die Tür. Als sie sie hinter sich schließt, schaut sie mich verwirrt an. Dann ist sie weg und mit ihr meine Hoffnung.

„Warum hast du sie angeschrien?", frage ich Katniss mit bebender Stimme. „Sie ist Catos Schwester. Du weißt, was Cato Tresh angetan hat. Was er Peeta angetan hat. Was er mir angetan hat!", während sie spricht, beginnt ihre Unterlippe zu zittern. Ich weiß was sie meint, und doch hat sie kein Recht so gemein zu Hope zu sein. Nicht wegen etwas, das ihr Bruder getan hat. Das ist nicht fair. „Du kennst sie überhaupt nicht!", schreie ich sie an. Es ist das erste Mal, dass ich meine Schwester anschreie, und es ist schrecklich, „Nur weil ihr Bruder ein herzloser Mensch ist, heißt das nicht, dass sie es auch ist!"

Katniss starrt mich an, mit bebender Lippe, und zitternden Händen. „Ich will dich doch nur beschützen Prim!", flüstert sie mit Tränen in den Augen. Ich schlucke, dann erst antworte ich. „Ich weiß."

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt