3. Kapitel

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Angst

-Prim's Sicht-

„Liebe Bürger von Panem!", fängt Präsident Snow an, „Dieses Jahr werden es ganz besondere Hungerspiele. Die Spielemacher haben sich etwas ausgedacht. Aus jedem Distrikt wird ein männlicher und ein weiblicher Sieger in die Hungerspiele ziehen..." Mein Atem geht rasend schnell und ich schaue mich um. Aber Präsident Snow ist scheinbar noch nicht fertig. „...Mit seinem ältesten Geschwister! Hat ein Sieger keine, hat er sicher Verwandte. Fröhliche Hungerspiele!"

Ich erstarre, als ich es verstehe. Distrikt 12 hat nur zwei Sieger. Haymitch und Katniss. Und ich bin die einzige Schwester, die Katniss hat. Ich muss in die Hungerspiele ziehen. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Nicht nur ich muss in die Hungerspiele. Sondern auch meine Schwester. Diese Gedanken lähmen mich, machen mich unfähig mich zu bewegen. Ich kann nicht sprechen, nicht schreien. Obwohl ich nichts lieber täte. Still fließen die Tränen über meine Wangen. Plötzlich ertönt die Hymne Panems und die Monitore werden schwarz.

Der Bürgermeister ist genauso geschockt, wie alle anderen. Alle außer Effie Trinket. „Nun gut!", trällert sie, und mir dreht sich der Magen um. „Dann werden wir jetzt die vier Tribute der 75. Hungerspiele auswählen. Distrikt 12 hat ja nur... äh, zwei Sieger. Einen tosenden Applaus, für Katniss Everdeen und Haymitch Abernathy. Nun, kommen wir zu den Geschwistern der Sieger. Katniss, wie viele Geschwister hast du?" Katniss schluckt, dann flüstert sie beinahe unhörbar: „Ich habe eine Schwester." Effie nickt und sagt: „Gut. Eine Schwester. Wie heißt sie denn?" Katniss streicht sich die Haare aus dem Gesicht, bevor sie zu sprechen beginnt. „Prim...", krächzt sie leise. „Primrose Everdeen. " Meine Adern fühlen sich an, als stünden sie in Flammen. Effie nickt wieder, noch begeisterter als zuvor diesmal, und lässt ihren Blick über die Menge schweifen. „Na dann, komm rauf, Primrose!", ruft sie fröhlich. Ich nehme nichts wahr, außer meinem pochenden Herzen. Doch irgendwie schaffe ich es, meine Beine zu zwingen, sich zu bewegen. Wie in Trance gehe ich auf die Bühne. Effie nimmt meine Hand, ihre künstlichen Fingernägel graben sich tief in mein Fleisch. Ich unterdrücke den Drang aufzuschreien, und schließe kurz die Augen. Als ich sie wieder öffne, hat Katniss bereits sanft meine Hand genommen, und drückt sie. Effie strahlt, als sie laut verkündet: „Unsere weiblichen Tribute: Katniss und Primrose Everdeen!" Eines muss man Distrikt 12 lassen, nicht einer klatscht.

Dann wird Haymitch aufgerufen, er hat jedoch keine Verwandten und ein kleiner Junge wird ausgelost. An seinen Namen kann ich mich nicht erinnern, ich nehme nichts wahr, außer Katniss' warmer Hand, die fest um meine liegt. Irgendwann werden wir von Friedenswächtern umringt, und ins Justizgebäude geführt. Die Türen werden hinter uns zugeschlagen, und ich schaffe es endlich mich aus meiner Starre zu lösen. Ich beginne zu schreien, als hinge mein Leben davon ab. Aber es wird mir nichts bringen. Mein Schicksal ist besiegelt, ich werde in dieser schrecklichen Arena sterben. Ich werde meine Mutter nie wieder sehen, ebenso wenig, wie meine geliebte Katze Butterblume und meine Ziege Lady. Aber ich werde nicht alleine sterben. Meine Schwester wird bei mir sein. Das allein ist der Grund, warum ich aufhöre zu schreien, und mich widerstandslos mitziehen lasse. Die Friedenswächter, die uns bis jetzt begleitet haben, werden weggeschickt, und wir vier sind in einem weiß gestrichenen Raum eingesperrt. Nun, da nichts mehr meine Aufmerksamkeit ablenkt, kann ich meine Gedanken nicht mehr eindämmen und meine Tränen fließen hemmungslos. Ich bin nicht die einzige die weint, der kleine Junge, der neben mir steht, kann die Tränen ebenfalls nicht mehr zurückhalten. Von Schluchzern geschüttelt, geben meine Beine unter mir nach, und ich sacke auf dem Boden zusammen, wie eine leblose Puppe. Katniss flüstert mir irgendwas zu, doch durch den Schleier meiner Tränen kann ich sie nicht verstehen. Es ist, als wäre ich in einer anderen Welt gefangen, In einer Welt, in der es nur mich gibt, und meine Tränen. In einer Welt der Trauer. Und der Angst. Bisher habe ich sie nicht beachtet, da die Trauer übermächtig war, doch sie ist da. Tief in meinem Bauch hat sich ein harter Angstkumpen gebildet. Er drückt gegen meine Lungen, macht mir das Atmen schwer. Meine Atemzüge werden flacher, abgehackter. Dann falle ich in Ohnmacht.

„Prim?", fragt meine Schwester ängstlich. Langsam schlage ich die Augen auf. Das erste was ich wahrnehme, sind ihre besorgten, grauen Augen. „Mir... Mir geht es gut.", krächze ich heiser. Sie zieht eine Augenbraue hoch. Sie glaubt mir nicht, sie hält mich für schwach. Dann durchzuckt mich ein Gefühl der Panik. Wo sind wir? Will ich fragen, ich will es schreien. Doch meine Lungen fühlen sich an, als wären sie mit Steinchen gefüllt, ich bringe keinen Ton heraus. Ich höre das Blut in meinen Ohren pulsieren, und mir wird schlecht. „Prim?", fragt Katniss erneut. Doch wie zuvor, nehme ich nichts wahr, außer meiner lähmenden Angst.

Menschen sind stark genug, viele körperliche Schmerzen durchzuhalten. Aber gegen die Angst sind sie machtlos. Nichts kann einen Menschen so sehr beherrschen, wie seine eigene Angst.

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Hi! Das ist das neue Kapitel :D ich hoffe es gefällt euch! Genau rechtzeitig zu Ostern! Das ist sozusagen unser Ostergeschenk für euch ;) Danke an alle, die immer so lieb kommentieren, und abstimmen! Ihr wisst gar nicht, wie toll das ist! Danke!!!

Lg Emmy :***

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt