Kapitel 8: Mort, der Sensenmann

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"... Du bist ein Nephilim. Und meine Tochter."
Das war es, was Luzifer vor einer Stunde zu Katherine sagte. Jetzt lag sie auf ihrem Bett, überwältigt von dieser überraschenden Tatsache. Sie war die Tochter des Teufels; und diese Fragen. Diese Fragen, die ihr im Kopf rumschwirrten. Warum hatte sie nicht schon eher gewusst, dass Luzifer ihr Vater war? Warum hatte er sie nie besucht, in den letzten Jahren? Warum war er nicht da, als Vater? Und die Fragen, die auf sie selbst zutrafen. Wenn sie ein Nephilim war, was hatte sie dann für Kräfte?
Sie beschloss, es herauszufinden und nahm ihr Handy heraus, was ihr Vater ihr vor ein paar Wochen gekauft hatte und ging ins Internet. Es lud nur, aber klappte nicht; sie hatte kein Internet. Sie schaute nach, ihr Guthaben beziehungsweise Datenvolumen reichte noch, um jemanden zu schreiben. Also dachte sie darüber nach, wem sie schreiben könnte und als sie ihren Entschluss gefasst hatte, schrieb sie an Mort: Hey, Mort. Wie geht's?
Es dauerte eine Weile, bis Mort zurückschrieb; er schrieb: Hey, mir geht es wundervoll. Und dir?
Ganz okay. Du, kann ich dich was komisches fragen?, schrieb Katherine.
Mort antwortete mit einer Zustimmung, also fragte sie ihn: Bist du der Tod?
Er antwortete nicht, also legte Katherine ihr Handy auf den Nachttisch und sah zur Decke.
"Kathy?", ertönte Mathildes Stimme aus dem Wohnzimmer und klang dabei etwas ängstlich.
Das Handy piepte und Katherine nahm es. Sie blickte auf den Bildschirm; Mort hatte geantwortet. Ja
Sie schluckte, steckte es ein und ging durch den Flur. Dann wurde es unheimlich; je näher sie der Tür des Wohnzimmers kam, desto dunkler und kälter wurde es. Noch sieben Meter bis zum Wohnzimmer, es bildete sich Nebel am Boden, als hätte jemand eine Nebelmaschine oder einen Topf voller Trockeneis hingestellt. An den gläsernen Bilderrahmen und Blumenvasen bildeten sich durchsichtige bläuliche Muster, es war Frost. Sie stand im Türrahmen und blickte ins Wohnzimmer. Luzifer lag am Boden, bewusstlos, und Mathilde hockte auf der Couch und zitterte.
In der Mitte des nun stockdunklem Wohnzimmer erglühte ein unheimliches blassgrünes Licht, es ward immer heller und hervor trat eine Kapuzengestalt. Der Mantelumhang war ganz ausgefranst, das Gesicht in der Kapuze verborgen und in der rechten Hand mit den knochigen Fingern eine lange Sense mit einer Laterne dran. Es war der Tod, oder unter einem anderen Namen, wie Katherine ihn kannte. "Mort", flüsterte sie.
Die Kapuzengestalt blickte Katherine an und es drang eine unmenschliche Stimme zu ihr vor, diese Stimme war kalt, gefühllos und klang wie ein leises flüsterndes Zischen. "Katherine, wie geht es dir?"
"Ganz okay", antwortete Katherine vorsichtig und unwissend, was der Tod hätte machen können.
"Du stelltest mir eine Frage, und ich antwortete dir. Nun zeige ich dir den Beweis auch", sagte die Kapuzengestalt.
Dann verschwand das Licht der Laterne und die Sense ward immer kleiner, bis sie die Größe einer Handfläche erreichte und dann sich auf die Handfläche der Kapuzengestalt abbildete. Die Kapuzengestalt selbst wurde etwas kleiner und der Kapuzenumhang wurde zu einer schwarzen Hose, schwarzen Lederschuhen und einem schwarzen Trenchcoat. Die Kapuze wurde Teil des Trenchcoats und es zeigte sich ein Gesicht mit schwarzen Haaren, zur Seite gekämmt, die Lippen waren zu einem freundlichen Lächeln verzogen und ein Paar unergründlicher schwarzer Augen blickte in Katherines Augen.
Katherine, froh über Morts menschliche Gestalt, seufzte erleichtert. "Mort."
Mort lächelte und fragte: "Alles okay?"
"Ja, ja. Deine Gestalt gerade war gruselig."
"Wirklich? Hm, also wenn jemand stirbt und mich sieht, wird ab und zu auch mal gelächelt. Na ja, diejenigen haben den Tod wohl willkommen geheißen. Aber manchmal schlucken sie ängstlich oder kreischen, weil sie wissen, dass sie Schlimmes getan haben und in die Hölle kommen. Nun ja, die Reaktionen sind verschieden."
Katherine blickte ihn entgeistert an. "Ah ja."
Mort lachte kurz. "Keine Sorge, dich nehme ich noch lange nicht mit."
"Anfangs hätte ich gesagt, ich vermisse dich. Aber da ich jetzt weiß, dass du der Tod bist, bin ich mir da nicht mehr so sicher", sagte Katherine und blickte zum Fenster.
Sie erntete ein amüsiertes Lächeln von Mort. "Hm, ich würde mal sagen, das ist erstmal irrelevant. Komm, ich bringe dich nach Hause."
"Was? Nein", entgegnete Katherine.
Mort seufzte und hielt ihr die Hand hin. "Komm, du kannst nicht hierbleiben."
"Warum nicht?"
Mort wies auf Luzifer. "Er ist der Teufel."
"Und du bist der Tod."
Er sah aus dem Fenster. "Ja ..."
"Eine Frage, Mort."
"Welche?"
"Ich bin ein Nephilim. Was können die?"
"Du bist was? Das ist unmöglich."
"Ist es nicht. Luzifer ist mein Vater."
"Oh, ja", kam es von hinten; Luzifer war wach und blickte Mort an. Mort starrte ihn an. "Ich verstehe. Dann gehe ich lieber."
Aus seiner Handfläche kam das blassgrüne Licht, was ihn umhüllte, und dann verschwand er.
"Es tut mir leid, Katherine", kam es sanft und traurig vom Teufel.
Sie drehte sich zu Luzifer und verschränkte die Arme. "Was tut dir leid? Dass du mein ganzes Leben nicht da warst? Dass ich nie was von dir wusste? Weißt du, was man mir sagte? Mein Vater wäre tot. Und weißt du was? Von mir aus kann er das auch bleiben." Sie ging wütend an ihm vorbei und ging raus, aber nicht, ohne dabei die Tür schön zuzuknallen.

Luzifer saß wehmütig auf der Couch und sah zu Mathilde, die ihm eine Flasche Tequila reichte. Er nickte dankend und trank einen Schluck daraus.
"Herr? Wollt Ihr Euch nicht entschuldigen?", fragte Mathilde und setzte sich neben den Teufel auf die Couch.
"Habe ich doch schon getan", entgegnete Luzifer deprimiert.
Sie seufzte und legte ihre Hand auf Satans Schulter. "Luzifer, ... sie hat eben vor kurzer Zeit erfahren, du, der Teufel sei ihr Vater. Sie hat die letzten siebzehn Jahre ein menschliches Leben gelebt. Ohne ihren Vater, der eigentlich für sie hätte da sein können. Was kannst du da erwarten? Dass sie dich sofort freudig empfängt? Sie hat dieses Temperament von dir. Was denkst du denn, wenn du dich ihrer Mutter zeigst? Es läuft nun mal nicht alles reibungslos, auch nicht für dich."
"Ja, ja; Mathilde, ich weiß. Ich wollte nur ... Jetzt ist auch der Reiter weg; wenn er nicht von selbst wiederkommt, muss ich erneut suchen. Und das ist einfach ..." Luzifer unterbrach sich selbst und trank einen großen Schluck aus der Flasche Tequila, die Mathilde ihm gegeben hatte.
Mathilde biss sich kurz nachdenklich auf die Unterlippe und verschwand dann in ihr Zimmer. Der Teufel lehnte sich zurück und begann, sich zu betrinken.

Katherine lief durch die Stadt; sie war immer noch sauer auf ihren Vater. Nach einer Weile ging sie in eine Bar und sah sich um. Die Bar war leer, lediglich ein blonder Barmann räumte Gläser in den Schrank.
"Ähm, hallo", sagte Katherine und setzte sich an den Tresen. Der Barmann nickte nur und drehte sich zu ihr, seine Augen waren leuchtend blau. "Was möchten Sie denn?"
"Ich hätte gerne einen Tequila."
"Ah, Tequila." Der Barmann grinste. "Ein Lieblingsgetränk deines Daddys."
"Was zur ...?" Katherine blickte ihn geschockt an. Der Barmann hatte auf einmal nur eine Hose an und auf seinem Rücken prangten zwei riesige weiße Schwingen. Katherine schrie auf und wurde an die Wand geschleudert. Der Engel stand direkt vor ihr und durchbohrte mit einer langen silbernen Klinge ihren Brustkorb. Blut lief ihr aus dem Mund und sie brach zusammen.

Luzifer - Gefallener Engel [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt