Kapitel 10: Highway to Hell

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Der erschrockene Aufschrei von Mathilde hallte im Gang des Höllentores wider, als das große Boot, schwarz, aus Eisen und Stein, sich ruckartig in Bewegung setzte. Luzifer lachte kurz und setzte sich vorne hin so dass er über die Reling schauen konnte, er blickte auf den Boden der mit Lava und Magma bedeckt war. Das Boot schwamm langsam und gemächlich auf dem Lavafluss, der durch den Gang floss bis in die Dunkelheit. "Das wird eine lange Fahrt. Wieder", brummte Gadreel, der am Ruder saß, um das Boot zu steuern, sollte es vom Weg abkommen.
"Nun ja, aber der Herr liebt diese Art und Weise, in die Hölle zu kommen", kam es von Azazel, woraufhin Gadreel knurrte: "Weiß der Geier, wieso ..."
Azazel lachte kurz auf. "Vielleicht, weil er sich übergeben musste, als er dieses Portal, namens Wirbel , zum ersten Mal benutzt hatte."
"Ja, das war sehr lustig", bemerkte Beliel trocken.
"Nun, da ich noch wach bin, kann ich immer noch jedes einzelne Wort hören", schnauzte Luzifer sie von vorn an. Die Prinzen verstummten und Azazel murmelte beschwichtigend: "Verzeiht, wir werden Euch natürlich schlafen lassen."
Luzifer brummte unverständlich etwas und schloss die Augen. Gadreel musste sich ein Grinsen verkneifen und steuerte das Boot weiterhin Richtung Finsternis.

Katherine saß schwach in einer Ecke der Teller und stöhnte leise, ihr Magen knurrte, da sie schon seit vielen Stunden nichts mehr gegessen hatte. Das Einzige, womit Raziel sie versorgte, war ein Glas Wasser, alle drei Stunden. Sie stand auf und ging langsam zur Zellentür. Da die Tür größtenteils vergittert war, konnte sie einen Blick durch zwei Eisenstäbe erhaschen; sie konnte einen langen Gang aus Gestein und Fackeln an den Wänden erkennen; kleine Wassertropfen rannen von der Decke und fielen auf den Boden, offenbar war sie unterirdisch gefangen und Raziel war nirgendwo zu sehen. Es war keine Menschenseele in Sicht, und so betrachtet, waren Raziel und sie selbst ebenfalls keine Menschen. Dann hörte sie näherkommende Schritte, also ging sie von der Tür weg und setzte sich schnell wieder in ihre Ecke. Da verharrte sie länger als zehn Sekunden, bis die Schritte verstummten. Das Türschloss klickte und dir Zellentür öffnete sich, im Türrahmen stand nicht Raziel, sondern eine Schattengestalt, deren Erscheinung verzerrt war.
"Wer bist du?", fragte Katherine leise. Die Gestalt antwortete nicht und hielt ihr nur eine Tüte Kartoffelchips hin. Katherine stand auf, sie ging langsam und vorsichtig auf die Gestalt zu, sie fragte: "Ist ... Ist das für mich?"
Sie konnte erkennen, dass die Schattengestalt scheinbar nickte und nahm also vorsichtig die Tüte. Dann betrachtete sie die Schattengestalt genau und eine Erinnerung tauchte gedanklich vor ihrem inneren Auge auf. "Du bist Drazul, oder?"
Die Gestalt nickte wieder scheinbar und dann sprach sie mit ihrer unmenschlichen Stimme: "Ich bin hier, um auf dich aufzupassen."
Katherine nickte nur kurz. "Aber wieso?"
"Weil es mir befohlen wurde."
Die Gestalt machte es also nicht aus reiner Herzensgüte, sondern führte nur einen Befehl aus.
"Und von wem?", bohrte Katherine nach.
"Vom Tod ... wurde es mir befohlen."
Katherine blickte die Gestalt etwas verdutzt an. "Von Mort? Aber warum kommt er nicht selbst?"
Die Schattengestalt zuckte unmerklich mit den Schultern. "Er ist der Tod, überall auf der Welt muss er nun mal verstorbene Seelen einsammeln."
"Und warum bist du ein ... nun, ein Schatten?", fragte Katherine, neugierig über die Erscheinung der Schattengestalt. Ein leises Lachen ging von der Gestalt aus. "Weil Menschen und sogar Engel meine wahre Gestalt fürchten."
Katherine sagte nichts dazu und fragte nur: "Können wir jetzt hier raus?"
Die Gestalt nickte nur und ging aus der Zelle, Katherine folgte ihr.

Luzifer schreckte aus dem Schlaf und sprang wütend auf. "Schon wieder? Immer dasselbe", schnauzte er die drei unschuldig lächelnden Dämonenprinzen an. "Immer dasselbe. Wir fahren auf diesem Boot wie immer zur Hölle und dabei dröhnt auf Hälfte der Strecke immer Highway to Hell aus'm Radio. Stellt das Ding ab!"
Azazel seufzte und betätigte einen Knopf am kleinen Radio, und die Musik verstummte.
Gadreel murmelte leise: "Er hat soeben ziemlich oft das Wort Immer gesagt", worauf er einen bösen Blick vom Teufel erntete. Der dunkle Engel seufzte und setzte sich wieder hin; er bemerkte, dass Mathilde ihm gegenüber saß. Sie sah Luzifer mitleiderregend an. "Endlich. Ich dachte schon, mir wird noch das Trommelfell platzen."
Die Prinzen konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen und unterhielten sich dann ausgelassen. Mathilde lehnte sich etwas zurück und sprang dann plötzlich auf. "Was zur ...?"
Aus der Lava ragte ein tentakelartiger Arm, der ihr Handgelenk umschloss; Mathilde gab einen schrillen Schrei von sich, dass gläserne Gegenstände zerspringen könnten. Ihre Knie wurden weich und sie schwankte. Luzifer packte den Tentakel und warf ihn zurück in die Lava. Mathilde hielt sich an der Reling fest, und die Prinzen konnten sich nicht mehr vor Lachen halten. Luzifers Mundwinkel zuckte und er sah sich um, das rote Gestein des Gangs färbte sich immer dunkler, umso näher sie ihrem Ziel kamen.
Beliel murmelte: "Wir sind fast da", und beugte sich über die Reling. "Die Lava wird auch immer dunkler."
Gadreel hielt das Ruder fest und murmelte leise etwas in einer anderen Sprache. Das Boot ward schneller und fuhr mit geschätzten vierzig Stundenkilometer auf die Finsternis zu.
Nach zwanzig Minuten stieß der Rumpf des Bootes gegen harten Felsen.
"Wir sind da", sagte der Teufel nur und sprang vom Boot; er landete mit den Füßen auf dunklem blutroten Gestein. Die Anderen taten es ihm nach; vor ihnen erstreckte sich ein riesiges steinernes Tor in die Höhe. Die Doppeltür des Tores hatte viele Symbole, kryptische Zeichen und Abbildungen von dämonischen Kreaturen eingemeißelt. Mathilde stöhnte leise. "Wir sind ausgesperrt. Die Tür ist zu."
Luzifer lächelte selbstsicher. "Einen Weg gibt es immer."
Seine Gestalt veränderte sich; seine Haut wurde blasser, seine Sklera im Auge wurde schwarz und die Iris blutrot. Aus seinem Rücken, zwischen den Schulterblättern, sprossen Federn raus, sie bildeten sich zu einem Paar pechschwarzer Flügel, das T-Shirt wurde dabei zerrissen und fiel zu Boden. Staub und kleine Kieselsteinchen am Boden sammelten sich um den Teufel, als würde Wind die kleinen Partikel zu ihm bewegen, auch wenn kein Wind da war. Dann breitete Luzifer die Arme und die Schwingen gleichzeitig und ruckartig aus und eine riesige Druckwelle erfasste das Tor, die Partikel und kleinen Kieselsteinchen wurden mit geschleudert. Das Tor schwankte und die über zehn Meter riesigen Türen wurden mit einem Ruck aufgerissen. Luzifer, Mathilde, Beliel, Azazel und Gadreel, der Teufel und sein Gefolge, sie grinsten. Der Eingang zur Hölle war frei.

Luzifer - Gefallener Engel [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt