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"T.T. steht für 'Tasmanischer Teufel. Ein Mann, der vor Jahren Angst und Schrecken in London verbreitet hat, dann aber in die Türkei geflohen und dort gestorben ist."

Liam stellt das Weinglas ab und reibt sich die Lippe. Dann sieht er sich das Foto des Satzes auf dem Gehweg erneut an.

"Dann war es jemand anders.", schlussfolgere ich und nehme eine afrikanische Holzfigur in die Hand.

"Das ergibt alles keinen Sinn. Selbst wenn er es gewesen wäre, warum sollte er so etwas vor dein Haus sprühen? Du bist ihm nie begegnet.", seufzt mein älterer Bruder. "Ich werde dafür sorgen, dass die Umgebung rund um deine Straße gesichert wird. Wir dürfen nichts mehr dem Zufall überlassen."

Augenrollend stelle ich das überteuerte, handgeschnitzte Ding wieder an seinen Ort und wende mich an Liam.

"Ich werde Louis fragen, ob er etwas mit ihm zu tun gehabt hat. Den Akten nach war er doch im Osten tätig und hat jetzt Ärger am Hals."

Zustimmend reicht er mir das Smartphone.

"Erzähl ihm aber nichts von dieser Nachricht, nur falls er etwas damit zu tun haben könnte.", wirft er mir hinterher, bevor ich im Taxi verschwinde.

Hin und her gerissen stehe ich vor den gelben Rosen und kratze mich nachdenklich am Kopf. Sollte ich ihm eine mitbringen? Ich habe gehört man macht es so, wenn jemand im Krankenhaus liegt. Aber es wäre merkwürdig. Andererseits habe ich mit ihm geschlafen. Und bereue es nicht.

Noch nicht.

Ein letztes Mal straffe ich den Kragen meines Mantels und bereite mich auf Louis Tomlinson vor. Mir ist klar, sobald ich den Raum betrete, hat er die Oberhand. Ich muss mich konzentrieren.

Mit der einzelnen, kitschig gelben Rose trete ich in das private Krankenzimmer und finde ... nichts vor. Leeres Bett, frisch bezogene Decke und Kissen, keine Tasche, Schränke leer.

Er ist weg?

Ohne ein Wort?

"Kann ich Ihnen weiterhelfen?", werde ich aus meinen Gedanken gerissen und sehe mich um.

Eine dunkelhaarige Krankenschwester lächelt mich etwas zweifelnd an und sieht an mir hinab.

"Ich ... suche ...", beginne ich, entscheide mich dann aber gegen diese Konversation und schüttle kurz den Kopf, ehe ich aus dem Zimmer stürme.

Auf dem Weg durch das breite Treppenhaus wähle ich seine Nummer und bete inständig, dass er abnimmt und mir sagt, dass er zuhause auf seiner Couch sitzt. Das wäre das einfachste.

Aber nein. Natürlich kommt alles ganz anders.

"Ich hoffe, du hast deinen nervigen Bruder nicht verklickert, dass ich entlassen wurde?", begrüßt Louis mich am Handy.

Im Hintergrund höre ich Düsen eines Flugzeuges.

"Du meinst wohl, dass du dich selber entlassen hast? Louis, du musst sofort herkommen, ich brauche deine Hilfe."

"Das geht leider nicht. Ich sitze so gut wie im Flieger."

Überrascht bleibe ich stehen.

"Du verlässt das Land?"

"Das habe ich nicht gesagt.", wirft er ein.

"Du würdest die Strapazen eines Fluges nicht auf dich nehmen, wenn es sich von der Entfernung nicht lohnen würde. Also, Amerika oder Asien?"

Ich höre ihn breit Grinsen.

"Asien. Ich muss Schluss machen, du weißt schon, Sicherheit an Bord und so."

"Warte! Wie lange wirst du weg sein? Warum fliegst du wieder in den Osten? Du kannst jetzt nicht einfach abtauchen!"

Einen Moment herrscht Stille.

"Du brauchst meine Hilfe? Sag mir wobei."

"Was weißt du über den Tesmanischen Teufel?"

Die Hintergrundlautstärke wird leiser. Er hat sich wahrscheinlich auf seinen Platz gesetzt.

"Das bin ich, Harry. Vergib mir, aber ich muss auflegen."

Wieder schweigt er einen Moment, während ich vor lauter Überraschung kein einziges Wort rausbringe.

"Danke, für alles. Denk bitte nicht zu schlecht von mir."

Und dann ist die Verbindung weg. Da stimmt etwas nicht. Da stimmt etwas ganz und gar nicht. Das ist falsch, alles so falsch.

Verärgert raufe ich mir die langen Locken und trete gegen einen Laternenpfahl. Kurz danach setze ich mich auf eine Mauer und halte mir den schmerzenden Fuß.

"Nach Asien? Okay, jetzt hast du vollkommen den Verstand verloren."

Niall legt die Zeitung weg und beißt in sein Gebäck.

"Mag sein, aber ich mache es für diesen verschissenen Fall. Louis steckt ganz schön tief drin vermute ich und die Tatsache, dass er gerade jetzt nach Asien fliegt, wirft kein besseres Licht auf ihn. Ich muss hinterher und rausfinden was es mit diesem Tasmanischen Teufel auf sich hat. Mein Bruder meint es wäre ein Toter, Louis sagt er wäre es selbst ... Hier bin ich keine Hilfe."

Entschlossen stürme ich in das Schlafzimmer und beginne meine Sachen zu packen. Niall bleibt im Türrahmen stehen und verschränkt die Arme.

"Bei allem Respekt Harry ... Ich will nur sicher gehen, dass nicht deine Gefühle für dich sprechen. Deine Worte ergeben zwar Sinn, aber so wie ich dich kenne würdest du wegen sowas niemals soweit weg gehen. Ich meine, du bist noch nie geflogen, das einzige Mal, dass du im Ausland warst, war eine Entführung nach Wales, du ... Herrgott!"

Er kommt auf mich zu und fällt mir um den Hals. Überfordert schlinge ich auch meine Arme um ihn.

"Wenn dir etwas passiert könnte ich mir das nicht verzeihen.", flüstert er und drückt mich.

"Ach du-du kommst nicht mit?", frage ich verwundert.

Sofort lässt er mich los und sieht mich entgeistert an.

"Du solltest dich beeilen, Louis könnte eventuell in Gefahr schweben. Ruf mich an und nimm die Waffe mit. Und deinen Reisepass."

Dann verschwindet er wieder im Wohnzimmer. Lächelnd schüttle ich den Kopf und ziehe den Reißverschluss der Tasche zu. Niemals hätte ich ihn mitgenommen, viel zu gefährlich für meinen kleinen, irischen Freund. Aber jetzt lässt er mich zumindest gehen.

The Cold Case ➳ L.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt