Kapitel 21

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»Erinnernst du dich, wie ich gesagt habe "deine Eltern werden dich nicht zwingen, unser Söz nachzuholen, aber du wirst selbst wieder zu mir zurück kommen"? Heute ist es soweit. Du wirst mich anflehen.«

*

»Das geht zu weit, Züleyha!« schrie meine Mutter »Du bist seit Wochen nicht ansprechbar und jetzt willst du mit einer afrikanischen Frau irgendwohin fahren!«

Die Situation war nun an ihrem Höhepunkt, nachdem ich meinen Eltern Bescheid gegeben hatte, dass ich mit Nzinga nach Erlangen fahren will. Doktor Yılmaz hat gemeint, er habe Yusuf einen Kollegen aus der Onkologie dort empfohlen. Vielleicht ist er dorthin, hoffe er.

»Fidan« flüsterte mein Vater »sei nicht so laut, Banu schläft.«
»Mama, versteh' doch, bitte!« flehte ich regelrecht.
»Ich verstehe nichts mehr! Glaub bloß nicht, dass ich die Aktion vergessen habe, die du in Istanbul abgezogen hast!«
»Baba, sag du wenigstens etwas.«

Mein Vater verfolgte unser Geschrei still sitzend von der Couch und blickte hin und wieder zum Flur, ob Banu wegen uns aufgeweckt wurde. So wie ich ihn kannte, würde er es erlauben, wenn meine Mutter nicht hart dagegen wäre.

Ich wollte Yusuf finden und dafür hatte ich nicht mehr viel Zeit. Es gab eine Chance. Doktor Yılmaz sprach relativ zuversichtlich, dass der Tumor erst mit Medikamenten behandelt und danach deutlich leichter entfernt werden konnte. Aber bevor er das Yusuf sagen konnte, war er schon verschwunden.

»Ahmed!« schimpfte meine Mutter nun mit Händen an ihren Hüften »Willst du nichts dazu sagen? Sie ist völlig außer Kontrolle geraten! Nur für Fotos will sie wegfahren. Schieß doch deine Fotos hier in der Stadt!«

Mein Vater stand völlig erschöpft auf und stöhnte kurz, bevor er mir ein Lächeln zeigte.

»Fidan, sei nicht so laut« sagte er und hielt warnend seinen Zeigefinger hoch »Ich bin sowieso wütend auf dich. Ohne mich zu fragen, schickst du Züleyha mit nach Istanbul, zusammen mit diesem kranken Ünal!«
Entsetzt klatschte sie in ihre Hände und schüttelte ihren Kopf.
»Tu nicht so, Fidan« flüsterte er »Weißt du, wie bescheuert ich heute ausgehen hab, als Hüseyin mir das erzählt hat?«
Meine Mutter stand still da und verschränkte missbilligend die Arme. 
»Fidan. Lass uns bitte mit meiner Tochter kurz allein.«
»Wieso?« wollte sie befehlend wissen »Ich bleibe hier.«

Mein Vater stöhnte erneut und kam auf mich zu. »Weißt du was, Züleyha. Geh, kızım. Aber unter einer Bedingung.«

Mit großen Augen sah ich meinen Vater an und nickte glücklich. An diesem Punkt war mir alles gleichgültig.

»Egal, was, Baba!«
»Stell sicher, dass Ünal nicht mitkommt.«

*

»Gehst du schon morgen?« fragte Banu leise aus der dunklen Seite des Zimmers. Sie knipste ihr Licht an und setzte sich auf.

»Ich dachte du schläfst.«
»Bei dem Geschrei?«

Langsam setzte ich mich auch auf und blickte rüber zu ihr. Irgendwie schien sie total... anders geworden zu sein. Vor allem war sie ruhiger in letzter Zeit und mischte sich nicht mehr in meine Angelegenheiten ein. Wieso?

»Geht's dir gut?« fragte ich vorsichtig. Banu senkte ihren Kopf und zuckte mit den Schultern.

»Mahmud hat Schluss gemacht« sprach sie gebrochen und kalt.
»Was?« rief ich flüsternd und setzte mich zu ihr ans Bett. Sie schien leicht zu zittern und schüttelte nun verzweifelt ihren Kopf.

Sprechende HändeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt