Epilog

4.8K 296 49
                                    

Flitterwochen?

Ich kniff mir das peinliche Lachen weg, schaltete in den Rückwärtsgang und drehte mich auf dem Sitz, um nach hinten zu schauen.

»Das sind keine Flitterwochen, Yusuf. Wir machen uns nur aus dem Staub« musste ich ihn enttäuschen, obwohl ich wusste, dass er nur Spaß machte. Ich hörte mein Handy klingeln und warf kurz einen Blick rüber auf den Bildschrim. Zahnfee Banu.

»Was?« fragte Yusuf laut und legte seine Hand an das rechte Ohr, als ob er mich nicht gehört hätte.
»Ich sagte, das sind keine Flitterwochen!« wiederholte ich unnötig laut. Yusuf amüsierte das.
»Leider bin ich taub und hab dich nicht gehört. Sagtest du, du freust dich auf unsere Flitterwochen?«

Yusuf grinste mich unschuldig von der Seite an und zuckte mit den Schultern. Ich konnte nicht anders und lachte los. Das war wohl eine ganz andere Seite von Yusuf, die ich bis heute nicht kennen lernen konnte. Neben seiner ruhigen und tauben Eigenschaft, schien sich etwas Humorvolles zu verbergen. Die fünf Jahre, die uns genommen wurden, wollte ich so schnell wie möglich nachholen und den wahren Yusuf kennen lernen.

*

POV Toprak

Mehrere Tage verbrachte ich auf dem Fahrrad mit zerbrechlichen Lieferungen durch ganz Wandelburg. Yusuf hatte alles vorbereitet bevor er und Züleyha für eine Weile von hier weg mussten. Das war das Sicherste für meinen Bruder, bis Züleyhas Vater die Anzeige erledigt hatte. Was mich betraf, würde ich noch eine Weile in Deutschland bleiben und helfen, so gut ich konnte. Es half mir für wenige Momente die Schuldgefühle zu verringern.

Es war sehr spät geworden, als ich die letzte Lieferung erledigt hatte und endlich in Südstadt ankam, dem Viertel, in dem alles dunkler und schmutziger wirkte. Die letzten Meter war ich so am Ende, dass ich die Pedale nicht mehr treten konnte, also stieg ich vom Fahrrad ab und zog es neben mir mit zum Töpferstudio. Doch irgendetwas stimmte nicht.

Die Scheibe war kaputt geschlagen und die Tür war offen. Ich ließ das Fahrrad fallen und rannte in den Laden. Es war stockdunkel, dennoch erkannte ich was hier los war. Jemand hatte den Laden gestürmt und alles kaputt geschlagen. Fast jedes Exemplar von Roland und Yusuf lag zersplittert auf dem Boden und mit jedem Schritt knackte etwas unter meinen Schuhsohlen. Ich blieb stehen und betätigte den Lichtschalter, aber die Glühbirne war wohl auch kaputt. Obwohl ich mich nicht vom Fleck rührte, hörte ich trotzdem etwas knacken. Ich war nicht allein.

Plötzlich erschienen drei schwarze Schatten aus dem hinteren Arbeitszimmer. Ich hatte zwei Optionen. Entweder ich rannte auf sie los und nutzte meine Chance, oder ich rannte weg, denn wer einen Laden verwüsten will, kommt nicht unbewaffnet. Meine einzige Waffe waren wohl die eingerosteten Kampferfahrungen.

Ich entschied mich für die erste Option und griff in der nächsten Sekunde eine kaputte Vase und schleuderte sie auf den ersten Mann zu. Er schlug sie weg und kam ebenfalls auf mich zu. Mein erster Schlag traf ihn direkt am Hals und ich hörte ihn nach Luft schnappen, ehe er mir gegen mein Knie schlug. Ich knallte zu Boden, aber nutzte den Schwung und zog ihm die Füße vom Boden weg. Er krachte direkt auf seinen Rücken. Unmittelbar danach hörte ich das Einrasten einer Waffe. Ich stoppte. Für einen Moment blieb ich still liegen. Meine Augen schienen sich langsam der Dunkelheit anzupassen, denn ich erkannte, dass die zwei anderen Männer auch bewaffnet waren. Noch bevor sich mein Atem normalisieren konnte, fragte ich:

»Was soll der Scheiß?«

Ein Lachen. Ein verdammt bekanntes Lachen. Der erste Mann kniete nun genau vor mir, aber ich erkannte trotzdem nichts, denn er hatte eine Maske an. Bevor ich an etwas anderes denken konnte, haute er mir die Waffe gegen meinen Kiefer und schlug mich zu Boden.

Sprechende HändeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt