2. Kapitel

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„Was macht denn eine so hübsche Frau wie Sie um diese Uhrzeit allein auf der Straße? Und dann auch noch mit Gepäck."

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen kommt der Straßenmusiker auf mich zu. Ich lächele zurück.

„Das ist eine lange Geschichte."

„Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe die ganze Nacht Zeit." Ein verschmitzter Ausdruck macht sich auf seinem Gesicht breit.

„Hmm, ich habe auch die ganze Nacht Zeit, aber ich würde Sie gerne erst einmal besser kennen lernen, bevor ich Ihnen einen tiefen Einblick in mein bisheriges Leben gebe." Ich grinse genauso verschmitzt zurück.

„Hilft da mein Name ein wenig?"

„Ich denke doch."

Oh Mann, erst jetzt fällt mir auf, was hier passiert. Doch ich habe nichts dagegen, denn jede Ablenkung von ihm ist willkommen.

„Ich bin Avriel, doch für Freunde und abendliche Bekanntschaften einfach nur Avi."

„Guten Abend, Avi", sage ich gespielt höflich und reiche ihm die Hand.

„Und dürfte ich auch ihren Namen erfahren?"

„Vielleicht." Meine zierliche Hand liegt immer noch in seiner warmen großen. „Mein Name ist Kirstie. Eigentlich Kirstin, aber so nennt mich kaum jemand."

„Sehr erfreut Sie kennen zu lernen."

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite."

Wir lassen unsere Hände los und brechen gleichzeitig in schallendes Gelächter aus.

„Und haben Sie heute schon etwas vor?", fragt er mich, nachdem wir uns langsam wieder beruhigt haben.

„Ich glaube nicht. Wieso fragen Sie?"

„Hmm, worauf hätten Sie denn Lust? Wir haben schließlich die ganze Nacht Zeit."

„Ich weiß nicht."

Ich zögere kurz, wir kennen uns ja gerade einmal ein paar Minuten. Doch er scheint ziemlich nett zu sein und wenn er komisch wird, kann ich doch immer noch abhauen. Oder?

„Was würden Sie denn jetzt machen?", frage ich vorsichtig.

„Normalerweise würde ich jetzt mein Geld zählen, dann zum Bahnhof gehen und gucken, bis wohin ich damit komme." Er klingt etwas gelangweilt und genervt, als hätte er das schon tausend Mal erzählt.

„Das klingt sehr interessant. Und warum tun Sie das dann nicht?" Mein Misstrauen ist noch nicht ganz verschwunden.

„Weil man solch eine hübsche Frau wie Sie nicht allein durch die nächtlichen Straßen laufen lässt."

„Oh, Sie sind ja ein richtiger Gentleman, Avi."

Verlegen erwidert er: „Ach, das ist doch nicht der Rede wert."

Ein Hauch rosa überzieht seine Wangen. Wie süß.

„Also, was wollen wir jetzt machen?", versucht er abzulenken.

Ich zucke mit den Schultern. „Weiß nicht, wollen wir einen Spaziergang machen?", schlage ich vor, schließlich ist das eh mein Plan gewesen.

„Das ist eine super Idee. Ich muss nur schnell mein Zeug zusammenpacken."

Er macht sich daran, seine Gitarre in die Tasche zu packen und das Geld aus der Schale in ein Seitenfach zu stecken.

Dabei betrachte ich sein Profil. Er ist nicht dick, aber auch nicht dünn. Seine langen, brauen Haare hat er im Nacken zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Der braune Vollbart ist sehr gepflegt. Seine grünen Augen leuchten im Licht der abendlichen Sommersonne geheimnisvoll.

„So, fertig. In welche Richtung wollen wir?", fragt er, nachdem er seine Tasche auf den Rücken gehievt und den Griff eines kleinen schwarzen Koffers, der mir vorher gar nicht aufgefallen ist, in die Hand genommen hat.

Ich zucke mit den Schultern: „Sagen Sie."

„Wollen wir zuerst zum Bahnhof und unser Gepäck einschließen?" Sein Blick liegt fragend auf mir.

„Das ist eine gute Idee", rufe ich erfreut und schlage den Weg dahin ein.

Avi folgt mir lächelnd.

„Ich glaube, Sie leiden unter Stimmungsschwankungen. Vor zehn Minuten sahen Sie noch so aus, als würden Sie jeden Moment in Tränen ausbrechen und jetzt sind Sie die Lebensfreude in Person."

Verlegen drehe ich mich zu ihm. „Was finden Sie denn besser?", frage ich ihn mit einem schelmischen Grinsen.

„Ich mag es eindeutig mehr, wenn Sie glücklich sind." Er schenkt mir ein breites Grinsen.

„Dann ist ja gut. Warum beschweren Sie sich denn dann?"

Gemeinsam brechen wir erneut in Lachen aus.

Die Musik der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt