Die dicke Tür fällt hinter mir mit einem lauten Knall zu. Die Musik dringt nur noch gedämpft zu mir durch. Vor mir liegt nun ein langer, mit grellweißem Neonlicht beleuchteter Gang. Mindestens zehn Türen gehen nach links und rechts ab.
Zögernd bewege ich mich vorwärts und lese dabei die Aufschriften der Türen. Gleich auf der ersten steht in dicken Buchstaben „Büro", ihr gegenüber liegt eine Tür mit der Aufschrift „Privat – Zutritt für Unbefugte verboten!". Auch die nächsten Türen weisen sich als solche aus.
Ich will schon fast wieder umdrehen, anscheinend geht es hier ja nicht zu den Toiletten, als ich die Tür mit der Aufschrift „Herren" entdecke. Also drehe ich mich zur gegenüberliegenden Tür. Tatsächlich prangt dort in dicken, verschlungenen Buchstaben die Aufschrift „Damen". Erleichtert drücke ich die kühle Metallklinke nach unten. Die Tür schwingt mit einem unangenehmen Quietschen auf.
Sofort schlägt mir ein Geruch nach Desinfektionsmittel entgegen. Das Licht im Bad ist diffus, nur eine einzelne Lampe hängt in einer Halterung an der Decke. Die Glasabdeckung fehlt.
Erschöpft stütze ich mich auf das Waschbecken und schaue in den Spiegel. Mein Make-Up ist, wie hätte ich es auch anders erwarten können, ziemlich verlaufen. Meine Haare sind etwas verstrubbelt und meine Augen sind noch ein wenig gerötet.
Avi und ich haben noch eine Weile oben auf dem Berg gesessen, doch irgendwann bekam ich Durst und wir sind gemeinsam wieder zurück in die Stadt gegangen. In einer Nebenstraße haben wir einen kleinen, aber gut besuchten Club entdeckt. Während Avi sich um die Getränke kümmert, habe ich mich auf die Suche nach dem Badezimmer begeben um mich frisch zu machen und etwas nachzudenken.
Ist das richtig, was ich hier tue? Kann ich diesem wundervollen Fremden wirklich trauen? Oder sollte ich lieber sofort meine Beine in die Hände nehmen und abhauen?
Ich klatsche mir eine handvoll Wasser ins Gesicht, einerseits um auf einen klaren Gedanken zu kommen, andererseits um die verwischte Schminke aus meinem Gesicht zu entfernen. Schnell krame ich in den Taschen meiner Jacke, die ich mir um die Hüfte gebunden hatte, ob ich etwas Brauchbares finden kann.
Tatsächlich krame ich eine Probetube einer Creme und ein unbenutztes Taschentuch hervor. „Besser als nichts", flüstere ich und mache mich dann ans Werk.
Nach ein paar Minuten habe ich es tatsächlich geschafft und ein lächelndes, ungeschminktes Gesicht blickt mir aus dem Spiegel entgegen.
Als nächstes wende ich mich meinen Haaren zu. Da ich in meiner spontanen Abhauaktion meine Bürste nicht eingepackt hatte, bleibt als einzige Option nur noch ein Zopf. Zum Glück finde ich einen Gummi in meiner Hosentasche und mit wenigen Handgriffen habe ich wieder eine Sorge weniger.
Ich werfe noch einen letzten zufriedenen Blick in den Spiegel, dann mache ich mich auf die Suche nach Avi.
Als ich die schwere Metalltür am Ende des langen Ganges öffne, schlägt mir stickige, mit Rauch verseuchte und nach Schweiß, Alkohol und etwas mir Unbekanntem, aber Fruchtigem riechende Luft entgegen. Die wummernden Bässe der lauten Musik dröhnt mir in in den Ohren und macht mich etwas benommen.
Nach etwas Überwindung betrete ich endlich den vollen und vollkommen überhitzten Raum. Suchend schaue ich mich nach der Bar und Avi um, doch die Menschen um mich herum sind groß und viel zu dicht beieinander, als dass ich etwas sehen könnte.
Also entscheide ich mich einfach für eine Richtung, dann kämpfe ich mich durch die wild tanzende Menge hindurch. Immer wieder bekomme ich einen Ellenbogen in die Seite gerammt oder einer der vielen Leute stößt gegen mich. Ich will einfach nur noch Avi finden, etwas trinken und dann so schnell wie möglich raus hier.
Doch seltsamerweise entdecke ich nie die Bar, nicht einmal eine Wand taucht irgendwo in meinem Sichtfeld auf. Hinter allen Menschen, zwischen die ich mich hindurchzwänge, befinden sich nur noch mehr.
Ich spüre wie langsam die Panik in mir aufsteigt.
Was ist, wenn ich Avi nicht mehr finde?
Wo ist überhaupt der Ausgang?
Wie soll ich hier jemals wieder rauskommen?
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Die Musik der Nacht
FanfictionKirstie trennt sich von ihrem Freund. Als sie durch die Straßen zieht, begegnet sie dem Straßenmusiker Avi. Gemeinsam erkunden sie die nächtliche Stadt mit ihren unbekannten Klängen. Dabei lernen sie sich immer besser kennen. Doch die Nacht birgt ni...