Der Bahnhof ist voll und laut. Einzelne Menschen drängen sich hektisch mit Koffern durch die Massen um noch rechtzeitig ihre Züge zu erreichen. Laute Gespräche erfüllen die Luft und mischen sich mit den monotonen, scheinbar endlosen Durchsagen aus den Lautsprechern. Die Luft ist heiß und stickig.
Ich kann kaum atmen. Reflexartig greife ich nach Avis Hand. Er wirft mir einen kurzen, verwirrten Blick zu, bevor er sich suchend in den Halle umschaut.
„Weißt du, wo die Schließfächer sind?", fragt er nach einer Weile. Ich schüttele nur meinen Kopf und lasse meinen Blick über die Menge gleiten.
„Aber da hinten ist die Reiseinformation." Ich deute nach rechts, wo ich das entsprechende Symbol entdeckt habe. „Die sind doch bestimmt da in der Nähe."
„Nachgucken kann ja nicht schaden", entscheidet Avi und gemeinsam kämpfen wir uns zwischen den Leuten durch. Dabei behält er meine Hand fest im Griff, damit wir uns nicht verlieren. Nach ein paar Minuten stehen wir endlich vor dem Eingang zur Information.
„Siehst du die Schließfächer?", frage ich, nachdem ich mich kurz umgesehen habe.
„Nee", antwortet Avi, „Vielleicht sollten wir mal nachfragen?"
„Gute Idee. Da drinnen?" Ich deute auf den Raum vor mir.
„Wieso nicht?", meint er kopfschüttelnd und setzt sich in Bewegung.
Als die Türen aufgehen, schlägt uns noch stickigere Luft entgegen. Avi geht schnurstracks auf einen der freien Informationsschalter zu und zieht mich einfach hinterher.
„Guten Abend. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt die junge Frau mit einem aufgesetzten freundlichen Lächeln.
„Wir würden gerne wissen, wo die Schließfächer sind", antworte ich ihr.
„Ach, dazu müssen Sie wieder durch die Tür hinaus und dann nach rechts abbiegen. Irgendwann taucht dann auf der rechten Seite der Gang zu den Bahnsteigen auf. Da gehen Sie einfach weiter geradeaus. Dahinter befindet sich dann noch ein Gang. Wenn Sie dort einbiegen, kommen Sie in den Raum mit den Schließfächern."
„Vielen Dank für Ihre Hilfe. Einen schönen Abend noch", bedankt sich Avi und wendet sich zum Gehen.
„Danke, Ihnen auch!", ruft uns die Frau noch hinterher.
Gemeinsam verlassen Avi und ich die Information und kämpfen uns, den Anweisungen folgend, durch die Menschenmenge in der Bahnhofshalle. Tatsächlich befinden wir uns auch ein paar Minuten später vor den Fächern wieder.
„Lass uns zusammen eins nehmen", schlägt Avi vor.
„Super Idee."
Ich überlege, ob ich noch etwas aus meinem Koffer gebrauchen könnte, bevor ich ihn in eines der größeren Fächer hebe. Avi stellt seinen dazu und betrachtet dann nachdenklich den restlichen freien Platz.
„Also die Gitarre passt da definitiv nicht mehr rein", murmelt er schließlich.
„Hmm, das könnte etwas kompliziert werden."
„Egal. Dann nehme ich sie halt mit."
Mit diesen Worten schließt er die Tür und lässt den Schlüssel in seine Hosentasche sinken.
„Lust auf Kaffee?", fragt er dann zu mir gewandt.
„Ähm... Ja, gerne", stammle ich.
„Gut, ich auch. Dann komm mit!"
Er ergreift wieder meine Hand und zieht mich hinter sich her zurück ins Getümmel. Schon bald finden wir uns vor einem Supermarkt wieder.
„Wie hast du den denn jetzt so schnell gefunden?", frage ich verblüfft.
„Zauberei", flüstert er mir ins Ohr und betritt den Laden. Schnell folge ich ihm, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Zielstrebig kämpft er sich durch die Gänge auf ein Regal zu.
„Heiß, kalt oder lauwarm?"
„Ähh, was?" Mein Gesicht muss wohl genau zeigen, was ich gerade denke, denn Avi beginnt zu lachen.
„Ich meine den Kaffee. Wie möchtest du ihn haben: heiß, kalt oder Zimmertemperatur?"
„Heiß, bitte."
Ich beobachte, wie Avi nach links geht und zwei Becher aus dem Schrank zieht und sieh unter einen Automaten stellt. Dann drückt er zwei Tasten und schon beginnt die Maschine mit einem leisen Brummen und Zischen die Becher mit Kaffee zu füllen. Als sie fertig ist, schließt Avi die Becher mit zwei Plastikdeckeln und drückt mir einen in die Hand. Dann zieht er einen Zettel aus dem Automaten und setzt wortlos seinen Weg fort.
„Wohin gehst du?", rufe ich ihm hinterher, doch er antwortet nicht. Also folge ich ihm mit schnellen Schritten, bis wir uns vor einem Regal voller Schokolade wiederfinden.
„Ist Zartbitter in Ordnung oder möchtest du eine andere Sorte."
„Nein, Zartbitter ist perfekt."
Er zieht zwei Tafeln davon aus dem Regal, dann geht er zur Kasse. Nachdem er bezahlt hat, verlassen wir zügig den Bahnhof. Als wir wieder an der frischen Luft, schaut mich Avi fragend an.
„Und wohin gehen wir jetzt?"
Eine Idee beginnt sich in meinem Kopf zu formen.
„Komm mit", lächele ich.
----------
Vielen Dank @Sunight ! Du weißt gar nicht, wie unglaublich motivierend deine Votes und deine lieben Worte für mich waren!
Das Kapitel ist jetzt endlich geschafft und durch die Ferien habe ich auch eine Menge Zeit, um weiterzuschreiben. Also sollte demnächst wieder mindestens ein Kapitel pro Woche kommen.
DU LIEST GERADE
Die Musik der Nacht
FanfictionKirstie trennt sich von ihrem Freund. Als sie durch die Straßen zieht, begegnet sie dem Straßenmusiker Avi. Gemeinsam erkunden sie die nächtliche Stadt mit ihren unbekannten Klängen. Dabei lernen sie sich immer besser kennen. Doch die Nacht birgt ni...