Die Musik der Nacht

7. Kapitel

„Kirstie! Kirstie!" Hilflos versuche ich die Richtung herauszufinden, aus der die Rufe kommen, doch je mehr ich mich anstrenge, desto schwindeliger wird mir. Meine Beine zittern, drohen jeden Moment einzuknicken und ich weiß kaum noch, wo oben und wo unten ist.

Schwarz-weiße Fliesen kommen immer näher, während Stimmen um mich herum lauter werden, als sich plötzlich zwei starke Arme um meinen Körper legen und mich durch die Menge schleifen. Die Welt um mich herum dreht sich, verschwimmt.

Bis ein kühles Glas meine Lippen berührt. Gierig trinke ich das gesamte Wasser in einem Zug aus. Langsam hört sich die Welt auf, um mich herum zu drehen und meine Sicht wird wieder klarer.

„Alles in Ordnung?", fragt eine ruhige Stimme dicht an meinem Ohr. Avi. Von Erleichterung überwältigt schlinge ich meine Arme um ihn und ziehe ihn in eine feste Umarmung.

„Ich nehme das mal als ein ‚Ja'", ruft er lachend über die laute Musik hinweg. Glücklich nicke ich, nachdem ich mich wieder von ihm gelöst habe.

„Brauchst du noch etwas? Noch was zu Trinken? Willst du ein bisschen frische Luft schnappen?"

„Etwas zu Trinken reicht."

„Wasser? Oder etwas anderes?"

„Cola."

Erleichtert lasse ich mich auf einen Barhocker fallen, während Avi sich um die Getränke kümmert. Etwa eine Minute später kommt er mit zwei Gläsern zurück, wovon er mir lächelnd eines entgegenhält.

„Und bei dir ist wirklich alles in Ordnung", fragt er, nachdem er sich neben mich gesetzt hat.

Ich nicke zur Antwort nur.

„Sicher?" Er wirft mir einen fragenden, ernsten Blick zu.

Ich rolle mit den Augen. „Ja, Papa. Bei mir ist alles vollkommen in Ordnung. Wie oft möchtest du das noch fragen?"

Wortlos wendet er sich von mir ab und nimmt einen Schluck von seinem Getränk. Zwischen uns herrscht ein paar Momente Stille. Na ja, so still, wie es in einem lauten Club möglich ist.

Nachdenklich betrachte ich die tanzende Menge vor mir, als eine Stimme an mein Ohr gelangt.

„Wenn bei dir alles gut ist, können wir ja auch eine Runde tanzen."

Abrupt drehe ich mein Gesicht zu ihm. „Auf gar keinen Fall. Ich werde nicht mit dir tanzen, nicht hier."

„Ach bitte. Wenn wir schon einmal hier sind, können wir das doch nutzen. Oder willst du die ganze Zeit nur hier rumsitzen und dich langweilen, während direkt vor dir haufenweise Leute tanzen und Spaß haben?" Während er mich bittend ansieht, blitzt in seinen Augen etwas Unbekanntes auf, das ich nicht genau identifizieren kann.

„Aber ich kann nicht tanzen", entgegne ich.

„Quatsch, jeder kann tanzen. Komm schon! Wir bleiben auch hier am Rand, wenn du willst."

Dagegen kann ich leider nichts mehr einwenden und Avi zieht mich an einer Hand auf die Tanzfläche. Gerade wird irgendein Lied gespielt, das ich nicht kenne, trotzdem fange ich an, mich im Takt der Musik zu wiegen. Avi lächelt mir aufmunternd zu und beginnt zu tanzen. Ich beobachte ihn eine Weile, dann versuche ich nach und nach seine Bewegungen zu kopieren.

Schon nach wenigen Minuten habe ich die Welt um mich komplett ausgeschlossen. Es zählt nur noch die Musik und mein Körper, den ich passend dazu bewege. Ausgelassen tanze ich über die Fläche. Ich möchte am liebsten nicht mehr aufhören. Lied für Lied wird gespielt und die Zeit verrinnt. Doch das stört mich nicht. Ich bin glücklich in meiner eigenen kleinen Welt.

Bis ein stechender Schmerz meinen Kopf durchfährt. Erschrocken zucke ich zusammen.

„Alles in Ordnung?", dringt Avis Stimme zu mir.

Ich schüttele den Kopf, doch das verstärkt den Schmerz nur, lässt ihn durch alle meine Glieder zucken.

„Ich bringe dich nach draußen." Avi legt seine warmen Hände auf meine Schultern und führt mich durch die Menge.

Dankbar schließe ich meine Augen und konzentriere mich nur auf die Anweisungen, die Avi mir ins Ohr flüstert:

„Jetzt nach links."

„Rechts."

„Bitte kurz stehenbleiben."

„Achtung Stufe nach unten."