II.
"fingertips puttin' on a show,
got me now and I can't say no,
wanna be with you all alone"Als ich am nächsten Morgen wach werde, habe ich nicht nur furchtbare Kopfschmerzen, sondern auch keine Ahnung wo ich mich befinde. Es ist nicht mein Hotelzimmer, so viel steht fest. Aber wo bin ich sonst? Und nach einem kurzen Moment, in dem ich versuche meine Umgebung mit den Augen nach Hinweisen abzusuchen, tut sich noch eine weitere Frage auf. Wer ist der Kerl neben mir im Bett?
Vorsichtig schiebe ich mich unter seinem Arm hervor und schleiche mich - vollkommen nackt - ins Badezimmer, wo ich die Tür abschließe. Verdammt, was habe ich nur getan?
Leise schließe ich den Deckel der Toilette und lasse mich darauf sinken. Mich mit meinen Ellbogen auf den Knien abstützend, vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. Mir ist unglaublich übel und die Erinnerung an die gestrige Nacht hat einige große Lücken.
Okay, ich bin in Oliver Page - den ich von der High School kenne und der jetzt so etwas wie ein Superstar ist - gelaufen und er hat mich auf einen Drink eingeladen. Aus diesem Drink sind irgendwie 17 Drinks geworden und wir haben begonnen, uns unsere Herzen auszuschütten. Nach einer großen Lücke, die vermutlich eine Taxifahrt beinhaltet, sind wir in seinem Hotelzimmer gelandet. Dort haben wir noch ein paar Shots aus der Minibar konsumiert und sind dann wild küssend in sein Schlafzimmer gestolpert.
Der Rest ist zwar auch mehr Lücke als Erinnerung, aber ich kann mir, anhand der Tatsache, dass unsere Klamotten im Zimmer verstreut liegen und ich komplett nackt bin, ungefähr vorstellen was geschehen ist. Ich kann mich noch verschwommen an warme Lippen an meinem Hals und ungeduldige Finger am Saum meiner Hose erinnern. Ich kann noch Olivers Atem gegen meine Lippen spüren und seinen verschwitzten Körper an meinem. Ich kann mir sogar noch den Moment danach ins Gedächtnis rufen. Schwer atmend, etwas befremdlich, aber trotzdem geborgen.
Oh, verdammt.
Also schön, sage ich mir, und richte mich aus meiner erbärmlichen Position auf dem Klodeckel auf, du hast soeben eine Nacht mit einem weltbekannten Sänger verbracht. Was soll's? Er ist immer noch der etwas seltsame Typ, den du damals an der High School gekannt hast. Wenn man davon absieht, dass sein Gesicht jetzt von Plakatwänden auf dich runterglotzt. Trotzdem. Gestern warst du nur Ava und er war nur Oliver. Also kein Grund dich verrückt zu machen.
Mit einem Seufzen erhebe ich mich langsam von der Toilette, werfe noch einen schnellen Kontrollblick in den Spiegel, der mir bestätigt, dass meine kurzen Haare eine gute Idee waren, und öffne dann so leise wie möglich die Tür zum Schlafzimmer. Oliver hat seine Position im Bett kein Stück verändert. Das heißt, er schläft nach wie vor tief und fest. Danke Alkohol! Sehr darauf bedacht ja keinen Lärm zu machen, sammle ich langsam meine Kleidungsstücke vom Boden auf und ziehe sie mir über.
Gerade als ich das letzte finde und hineinschlüpfe, kommt mir ein Gedanke. Sollte ich ihm eine Nachricht hinterlassen? Aber was? Danke für den Sex, aber ich steh nicht so auf den Morgen danach? Du warst nicht schlecht, aber ich musste trotzdem los? Nachdem mir noch ein paar weitere - äußerst idiotisch klingende - Versionen einfallen, verschiebe ich den Gedanken, eine Nachricht zu hinterlassen und schlüpfe leise aus dem Hotelzimmer.
Während ich auf den Aufzug warte - und dabei den Knopf wie eine Verrückte drücke, denn seien wir uns ehrlich, dadurch kommt der Aufzug auf jeden Fall schneller - muss ich nochmal an die gestrige Nacht denken und schließe mit einem Seufzen die Augen.
Es ist ein wirklich schöner Abend gewesen. Wir haben uns richtig gut verstanden. Je mehr Alkohol ins Spiel gekommen ist, desto persönlicher wurden unsere Gespräche. Desto größer unsere Einsamkeit und die Anziehung zueinander.
Als das Pling des Aufzugs endlich ertönt, verschiebe ich die Gedanken an den gestrigen Abend jedoch in die hinterste Ecke meines Gehirns. Jetzt heißt es erstmal unauffällig verschwinden. Aufgrund meiner gut geschulten Fähigkeit mich unsichtbar zu machen, sollte das zumindest kein allzu großes Problem für mich darstellen. Trotzdem gäbe es gerade nichts in meinem Leben, das ich weniger gebrauchen könnte, als auf der Titelseite irgendeines Klatschblattes abgedruckt zu werden. Betitelt mit einer Schlagzeile wie ‚Oliver Page's One Night Stand' wäre das wohl der unangenehmste Walk Of Shame aller Zeiten; und darauf kann ich wirklich gut verzichten.
Wieso muss ich mir auch ausgerechnet den Typen, der gerade Nummer eins der Billboard Charts ist, als meinen One-Night-Stand aussuchen? Noch mehr gegen mein sonst so unauffälliges Dasein zu rebellieren, ist doch fast unmöglich.
Und deshalb schwöre ich mir, als ich es so heimlich wie nur möglich aus dem Hotel hinausschaffe, und mich auf der Fifth Avenue wiederfinde, wo ich mich in die Menge einfüge wie ein perfekt passendes Puzzleteil, dass ich diese Nacht als einmaliges Erlebnis abstempeln und mir nicht mehr zu viele Gedanken darüber machen werde.
Auch wenn Oliver für viele Mädchen und Frauen auf dieser Welt vielleicht das Nonplusultra ist, für mich ist er einfach ein weiterer One-Night-Stand über den früher oder später Gras wachsen wird. Mit diesem Gedanken im Kopf, mache ich mich auf den Weg zu meinem Hotel, ohne mir anmerken zu lassen, dass ich soeben eine Nacht mit Oliver Page verbracht habe und nicht vorhabe, das zu wiederholen.
a/n: wünscht ihr euch einen besonderen update-tag für 'one more night'? bin nämlich noch unschlüssig deswegen. vielleicht habt ihr ja besondere vorlieben? danke außerdem schon mal für die zahlreichen reaktionen zum ersten kapitel. freue mich wirklich, dass ihr so rege kommentiert und eure meinung(en) mit mir teilt :)
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One More Night | ✓
Short StoryUnterschiede ziehen sich doch an, oder? Eine Geschichte über Herz vs. Kopf, Verstand gegen Gefühle, linke und rechte Gehirnhälfte und wie zwei völlig unterschiedliche Menschen, unter nicht ganz alltäglichen Umständen, zueinanderfinden. ❝and my head...