XVII.

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XVII.

"roll away your stone I will roll away mine,
together we can see what we will find.
don't leave me alone at this time,
for I am afraid of what I will discover inside"

Als Oliver meinen Blick auf sich spürt, hebt er plötzlich seinen Kopf - der bis gerade eben noch vollkommen konzentriert über dem Blatt Papier auf dem Tisch vor ihm gehangen ist - und unsere Blicke treffen sich. Ich kann nicht sagen, wessen Verwundern größter ist. Wessen Augen mehr Bände sprechen.

Für einen Moment fürchte ich, dass Oliver seinen Blick wieder abwenden will. Zu groß ist die Abweisung und Kälte in seinen Augen. Doch dann tut er etwas, womit ich absolut nicht gerechnet habe; er lächelt. Er lächelt mich an, wie eh und je, als ob all diese ekelhaften Dinge nie zwischen uns passiert wären. Als hätte diese Geborgenheit, die ich beim Betreten der Bar gespürt habe, nicht nur mich alles Geschehene in Frage stellen lassen, sondern auch ihn.

Einen Augenblick lang bin ich so überrumpelt, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Doch dann kommt endlich wieder etwas Leben in mich und ich lächle zurück.

„Bringen Sie dem Herrn an dem Tisch da hinten noch einmal das, was er vorher genommen hat." Bitte ich den Barkeeper und lege gedankenverloren ein paar Scheine auf den Tresen, bevor ich mein halbvolles Glas mit Gin Tonic nehme und auf Olivers Tisch zugehen.

Er hat mich seit wir Blickkontakt gemacht haben, nicht mehr aus den Augen gelassen. Als hätte er Angst, dass ich, wenn er wegsieht, verschwinden könnte. Doch der Ausdruck, der sich jetzt in seinen Augen spiegelt, ist ein ganz anderer als noch vor zwei Minuten. Keine Spur mehr von Kälte oder Abweisung. Nur noch Freunde und so etwas wie... Erleichterung.

„Oliver." Ist das einzige, das ich hervorbringe, als ich bei seinem Tisch ankomme.

Wir haben uns fast fünf Monate nicht mehr gesehen, nichts mehr von einander gehört und das Kreativste, das mir einfällt, ist sein Name? Ganz große Klasse, Ava.

„Ava. Was machst du hier?" Mit einer schnellen Handbewegung wischt er die Blätter vor sich vom Tisch. Dann hält er einen Moment inne - scheint etwas abzuwägen und nachzudenken - und bedeutet mir schließlich, mich zu setzen.

„Ich bin aus beruflichen Gründen hier." Murmle ich, während ich mich etwas unsicher setze und füge dann hinzu. „Und du?"

„Oh, naja. Da die Tour jetzt beendet ist, schreibe ich an meinem neuen Album." Als danach einen Moment lang peinliche Stille herrscht, hüstelt er verlegen und meint. „Ich kann ja nicht nur durch die Weltgeschichte touren. Irgendwann müssen auch mal neue Songs her, damit es nicht langweilig wird."

Danach lachen wir beide etwas, doch es hört sich ziemlich falsch an. Für ein paar Augenblicke ist es still und mein Instinkt - oder viel mehr mein Verlangen - einfach abzuhauen, wird mit jeder Sekunde unserer Stille größer.

Glücklicherweise kommt in diesem Moment der Barkeeper und bringt Oliver den Drink, den ich für ihn bestellt habe. Überrascht sieht Oliver mich an, dann nickt er mir dankend zu und nimmt einen großen Schluck davon. Immer noch ist es still und ich merke, wie meine Beine und mein gesamter Körper sich immer mehr danach sehnen, einfach die Fliege zu machen.

Doch ich reiße mich am Riemen und falte meine Hände auf dem Tisch vor mir, bevor ich Oliver ernst ansehe. „Oliver, hör zu. Es tut mir wahnsinnig leid, was bei unserer letzten Begegnung passiert ist. Ich war ein Idiot und ich habe dir Unrecht getan. Ach was rede ich - ich war ein verdammt eigensinniges Arschloch. Aber so bin ich nun mal. Das..." Doch noch während ich meine Entschuldigung vortrage, hebt Oliver auf einmal seine Hand und lässt mich dadurch verstummen.

„Ava. Ich hab deine Quadrilliarde an SMS und Voicemails erhalten. Du musst mir nicht nochmal jede davon vorlesen."

„Äh, was?" Während ich ihn verwirrt ansehe, schleicht sich ein Grinsen auf Olivers Lippen.

„Wieso hast du dann auf keine davon geantwortet?" Will ich wissen.

Obwohl Oliver mich gerade aufgezogen hat, ist meine Stimme vorsichtig. Zu groß ist die Angst wieder etwas Falsches zu sagen. Ihn erneut zu verlieren.

„Weil ich nichtsdestotrotz ziemlich wütend auf dich war, Ava."

„Das... das verstehe ich." Seufzend beiße ich mir auf die Lippe und senke meinen Blick. Ich weiß, dass ich riesen Mist gebaut habe. Trotzdem war die Vorstellung, Oliver könnte mir trotz allem vergeben, für einen Moment wirklich schön gewesen. Leider wohl zu schön.

„Hey." Oliver merkt, dass ich mit aller Kraft versuche, die Tränen zurückzuhalten und greift über den Tisch hinweg nach meinen Händen. Legt die seinen schützend darüber.

Seine Berührung lässt mich auf und in sein lächelndes Gesicht sehen. Wieso zum Teufel lächelt er?

„Ich sagte, ich war sauer auf dich. Vergangenheit, okay?"

„Aber... wieso?" Im ersten Augenblick kann ich gar nicht glauben, was Oliver versucht, mir klar zu machen. Doch sein Lächeln und seine Berührung sagen mehr als tausend Worte jemals könnten.

„Wieso hast du nie zurückgerufen?"

„Ich weiß auch nicht. Ich hatte irgendwie Angst." Druckst er verlegen herum.

„Wovor?"

„Dass du immer noch sauer auf mich bist. Nichts mehr von mir wissen willst." Er sieht mir kurz in die Augen, bevor er weiterspricht. „Ich hatte einfach Angst vor noch mehr Abweisung. Ich glaube, das hätte ich nicht ertragen."

„Ach du Scheiße, Oliver."

„Was denn?"

Einen Moment lang sehen wir uns nochmal ernst in die Augen, doch dann beginnen wir beide zu lachen. Es ist ein Lachen der Erleichterung. Und es erfüllt den ganzen Raum.

a/n: wir kommen dem ende mit großen schritten näher :o aber keine sorge, ich arbeite bereits fleißig an meinem nächsten projekt - freut ihr euch, dass die beiden auf einem guten weg sich wieder zu vertragen sind? :) welches ende wünscht ihr euch für die zwei?

One More Night | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt