XIV.

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XIV.

"you love, love, love
when you know I can't love you"

                „Ava, bleib bitte stehen." Ich bin bereits ein paar Blocks gelaufen, als Oliver mich einholt und mich bittet stehen zu bleiben; und aus irgendeinem Grund leiste ich seiner Bitte Folge.

„Was soll das?" Zische ich und blitze Oliver wütend an.

„Was? Was meinst du?" Er sieht mich so ratlos an, dass ich nur noch wütender werde. Er ist sich noch nicht mal darüber im Klaren, was er gerade für Scheiße gebaut hat.

„Wie konntest du nur behaupten, du wärst mein fester Freund? Was hast du dir dabei gedacht?" Fahre ich ihn an.

„Tut mir leid. Ich- die Frage kam so unerwartet und ich dachte... ach, ich weiß auch nicht, was ich dachte."

„Du dachtest?" Meine Stimme wird mit jedem Wort lauter und anklagender und ich muss mich zusammenreißen, um ihn nicht auf offener Straße anzuschreien. Diese Art der Aufmerksamkeit würde mir heute gerade noch fehlen.

„Du hast kein Stück nachgedacht. Kein einziges Mal. Nicht als du in New York mit mir geschlafen hast, nicht als du mich zu Silvester oder heute geküsst hast, nicht als du mich nach Washington eingeladen hast. Du hast nicht ein Mal auch nur das kleinste Bisschen nachgedacht." Ich rede mich so sehr in Rage, dass ich gar nicht mehr kontrollieren kann, welche Worte meine Lippen verlassen. Ich muss einfach nur meine unglaubliche Wut herauslassen.

Worüber ich eigentlich so verdammt zornig bin, weiß ich selbst nicht genau.

Ja, auf Oliver, doch da steckt noch viel mehr dahinter. Er ist nur der, der meine ganze Erregung abbekommt.

Doch viel mehr bin ich auf mich selbst wütend. Auf die Gefühle, die ich gegen meinen Willen für Oliver entwickelt habe. Auf meinen Dickschädel, der mich diese Gefühle nicht eingestehen lässt. Auf Olivers und meine Umstände. Die Gründe, wieso wir nicht zusammen sein können. Auf so viele Dinge, die bereits unterschwellig in mir gebrodelt haben. Und diese kleine Frage meiner Mutter und Olivers Antwort darauf, sind schlicht und einfach die Auslöser gewesen, die all diese Dinge in mir hochkommen ließen.

Oliver kann eigentlich gar nichts dafür. Trotzdem steht er nun vor mir, wird mit jedem zornigen Wort, das meinen Mund verlässt, ein Stück kleiner und bekommt die volle Wucht meiner Unzufriedenheit mit mir selbst und der Welt ab. Und das Schlimmste daran ist; er hat kein Stück davon verdient. Kein wütendes Wort, keine Anschuldigung, absolut nichts davon.

Er hat die zwölfstündige Reise von Stockholm nach Atlanta auf sich genommen - für mich. In der Hoffnung darauf, ein paar schöne Stunden mit mir gemeinsam verbringen zu können, bevor er sich wieder in die Einsamkeit zurückversetzen muss, die ihn auf Tour verfolgt. Stattdessen kann er sich hier von mir anbrüllen lassen.

Als ich endlich damit fertig bin, ihn für Fehler, für die er keine Verantwortung trägt, zu beschimpfen, sind seine Augen so leer und emotionslos, wie ich sie noch nie bei ihm erlebt habe. Nicht ein einziges Funkeln ist darin zu sehen. Weder Wut, noch Traurigkeit, noch sonst eine Regung spiegelt sich darin.

Gerade als mir bewusst wird, was ich ihm alles Furchtbares an den Kopf geworfen habe, dreht er sich ohne ein weiteres Wort um und setzt dazu an, zu gehen.

„Oliver..." Ist meine Stimme vor ein paar Sekunden noch laut und anklagend gewesen, so ist sie nun kaum mehr als ein Hauchen.

Oliver bleibt stehen, doch dreht sich nicht nochmal um. Stattessen höre ich seine Stimme an meine Ohren dringen. Sie ist gebrochen und jetzt weiß ich, wieso er mich nicht ansieht. Er weint. Wegen mir. „Warum muss eigentlich jede unserer Begegnungen in einem Streit enden?"

Als mir die Antwort auf seine Frage bewusst wird, werden meine Augen ebenfalls wässrig. „Vielleicht soll uns das zeigen, dass die Sache mit uns beiden einfach nicht dazu bestimmt ist, zu klappen."

Nachdem ich das gesagt habe, beginnen mir die Tränen in Strömen über die Wangen zu laufen.

Die plötzliche Einsicht des Gesagten trifft mich wie ein Schwertransporter und ich bin unfähig irgendetwas anders zu tun, als hier zu stehen und Oliver dabei zuzusehen, wie er sich langsam von mir entfernt.

Ich weiß ganz genau, dass unser Abschied dieses Mal endgültig sein wird; und das ist ganz allein meine Schuld.

Nicht nur, dass ich Oliver damit Unrecht getan habe, meine gesamte Wut auf mich selbst, auf ihn zu projizieren. Ich habe seine Gefühle tief verletzt.

Nach allem was er für mich getan hat - sein Besuch zu Silvester, seine Einladung nach Washington, seine Überraschung heute - habe ich nichts anderes für ihn übriggehabt, als Abweisung. Auf schlimmere Weise hätte ich ihn vermutlich nicht von mir wegstoßen können.

Ich habe genau gewusst, wie alleine er sich auf Tour gefühlt hat; und nur durch ein paar unüberlegte Worte, habe ich es geschafft, ihn diese Einsamkeit erneut fühlen zu lassen. An einem Ort, an dem er sie nicht vermutet hat. An einem Ort, von dem er dachte, er könnte ihr dort entfliehen.

Nämlich bei mir.

Auch wenn meine Worte die Wunden schnitten, dieses Wissen war das Salz, das ich danach noch hineinstreute. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals schaffen werde, diese Wunden wieder zu heilen.

a/n: es hat geschneit und draußen siehts aus als hätte ein kleines kind die dose mit puderzucker fallen gelassen :o ohne scheiß, ich hasse schnee (außer zu weihnachten und beim ski fahren, aber sonst ist er doof) und ich musste heute 10 minuten mein auto ent-schnee-isieren und bäh... aber jetzt sitz ich zum glück im warmen und trockenen büro und darf euch mit einem neuen kapitel beglücken! viel spaß :)

One More Night | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt