XX.
Als ich am nächsten Morgen wach werde, da Haare mich an der Nase kitzeln und die Sonnenstrahlen durch einen kleinen Spalt in der Jalousie direkt in mein Gesicht fallen, blinzelt mir bereits ein ebenfalls verschlafener Oliver entgegen. Etwas an der Atmosphäre im Zimmer hat sich seit unserer Ankunft letzte Nacht verändert. Jedoch nicht zum Schlechteren.
Als Oliver mir - nach einem ausgedehnten Gähnen - schließlich dieses besondere Grinsen, das nur er beherrscht, schenkt, beginnt sofort ein Lächeln, meine Mundwinkel nach oben zu ziehen. Als er mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn gibt, breitet sich dieses Lächeln über mein ganzes Gesicht aus.
„Hey." Hauche ich leise und streiche durch seine, vom Schlafen zerzausten, Haare.
„Hey. Du bist noch hier." Oliver nimmt meine Hand aus seinen Haaren und drückt auch darauf einen Kuss.
Ich achte jedoch nicht so sehr darauf, da seine Aussage mich zum Schmunzeln gebracht hat. „Was meinst du damit?"
„Na, du bist nicht einfach still und heimlich abgehauen wie letztes Mal."
„Wie denn auch. Du warst ja vor mir wach." Es dauert ein paar Momente, in denen Oliver mich verblüfft anstarrt, bevor er versteht, dass ich nur Spaß mache.
Doch als er mitbekommt, dass ich ihn nur aufziehe, lacht er erleichtert los. „Ach, halt doch die Klappe."
Kurz sehen wir uns lächelnd in die Augen, bevor ich seufze und schließlich etwas ernster als zuvor fortfahre. „Ich denke, ich bin es einfach leid vor dem Unaufhaltsamen wegzulaufen."
„Wow, versuch's nochmal." Oliver lacht über meine, etwas unbeholfene, Aussage und meine unglückliche Wortwahl und sieht mich abwartend an.
„Okay. Ich bin froh, dass ich nicht weggelaufen bin."
„Schon besser."
„Daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen." Meine ich und zucke mit den Schultern.
„Woran?"
„Dass ich dieses Pärchenzeug und Reden nicht wirklich drauf hab. Erwarte also nicht, dass ich dir jeden Morgen eine Nachricht, in der ich dir überaus poetisch meine Liebe gestehe, sende. Ich bin absolut nicht gut in so etwas. Aber ich werd' mich sicher immer an das Datum unseres ersten Kusses und solche Dinge erinnern."
„Keine Sorge. Dafür werd' ich mir deinen Geburtstag nicht merken können. Stattdessen schreib ich dir gerne jede Menge überaus poetischer Songs."
„Deal." Ich grinse ihn an und ohne Vorwarnung schließt er mich in die Arme und zieht mich auf sich und in eine feste Umarmung.
„Oh und noch was: Wenn du morgens länger im Bad brauchst als ich, werde ich möglicherweise lachen." Ziehe ich ihn auf und zupfe ihm eine der zerzausten Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Sei endlich still und gib mir einen Kuss." Lacht Oliver und ich verliere mich lächelnd in dem Gefühl, das seine Lippen an meinen, in mir ausläsen.
Obwohl Oliver und ich in gewissen Aspekten unterschiedlicher nicht sein könnten, haben wir es doch endlich geschafft. Obwohl man sagen könnte, dass wir wie Feuer und Eis sind, hat es trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – mit uns geklappt.
Auch wenn ich seine rechte Gehirnhälfte manchmal nicht verstehe und wir uns in vielen Dingen uneinig sind; ich könnte mir absolut niemanden vorstellen, mit dem ich mich lieber streiten würde. Ich bin mir sicher, dass wir im Laufe der Zeit lernen werden, mit den Stärken des Anderen unsere eigenen Schwächen auszugleichen. Denn ich werde es nie im Leben schaffen, so wie Oliver, immer die richtigen Worte zu finden. Mich in Menschen einfühlen zu können. So schnell und einfach Freundschaften zu knüpfen und Vertrauen zu fassen. Und auch seine Spontanität wird mir guttun. Gemeinsam werden wir schon noch herausfinden, was es zu bedeuten hat, dass zwei - so von Grund auf - verschiedene Menschen zusammengefunden haben.
Ich habe zwar keine Ahnung was stimmt - gleich und gleich gesellt sich gern oder Unterschiede ziehen sich an - aber ich kann es kaum erwarten, das mit Oliver gemeinsam herauszufinden. Sei es durch jede Menge Worte oder Schweigen. Durch Gefühle oder die mathematische Formel für Liebe.
Ich hoffe nur, dass man es gut mit uns meint und wir das, wofür wir so lange gewartet und gekämpft haben, nicht so schnell wieder verlieren werden. Hoffe wirklich, dass es hält.
Denn durch Oliver habe ich einen Teil von mir entdeckt, von dem ich eigentlich dachte, dass er nicht existieren würde. Ich bin bereit dafür, mit ihm gemeinsam, noch mehr Geheimnisse aufzudecken. Freue mich auf die Zeit und die Momente, die noch vor uns liegen und hoffe, dass die Zukunft etwas Gutes für uns bereithält.
Denn ich finde nach all den Hürden, die uns - teilweise von uns selbst - in den Weg gelegt wurden, nach all dem Regen - haben wir uns einen ebenen Pfad mit viel Sonne verdient.
Hier in diesem Bett mit Oliver zu liegen, ihn zu küssen und seine warme nackte Haut an meiner zu spüren, ist erst der Anfang.
Als mein Blick für einen Moment zum Fußboden, der von unseren Kleidern bedeckt ist, wandert, fällt mir etwas ins Auge, das all meine Gedanken bestätigt. Da, am Fußende des Bettes, liegt ein Blatt Papier - geziert von der Überschrift One More Night. Die Zeilen darauf, versichern mir, dass alles gut werden wird. Dass der Mann, mit dem ich hier gemeinsam im Bett liege, mich wirklich liebt. Das auch weiterhin tun wird. All diese Dinge, verspricht Olivers Song mir. Mein Song. Und ich glaube ihm.
a/n: das letzte kapitel meine lieben, oh das ging alles irgendwie so schnell. hört aber noch nicht auf zu lesen - es kommt gleich noch der epilog :) bin echt stolz auf mich, dass ich in so kurzer zeit die ganze geschichte beenden konnte! aber keine sorge - mein nächstes projekt ist schon in arbeit!
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One More Night | ✓
Short StoryUnterschiede ziehen sich doch an, oder? Eine Geschichte über Herz vs. Kopf, Verstand gegen Gefühle, linke und rechte Gehirnhälfte und wie zwei völlig unterschiedliche Menschen, unter nicht ganz alltäglichen Umständen, zueinanderfinden. ❝and my head...