Ein bisschen Gemordet

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Unwillkürlich zucke ich zusammen. Die Worte fahren über meine Haut wie gierige Hände, die sich an mir vergehen wollen.

„Was", entfährt es mir ungläubig. Ich versuche einzuatmen, nach Luft zu japsen und die Ruhe zu erlangen – es gelingt mir nicht. Mein Atem rasselt unaufhörlich.

Jaehyun presst betroffen die Lippen aufeinander.

„Verstehe das nicht falsch", meint er rasch, die Handflächen mir abwehrend entgegengestreckt. „Ich bin auf eurer Seite – sicherlich. Aber ich kann euch nicht alles sagen."

Sprachlos schüttle ich den Kopf, finde keine Worte für dieses absurde Szenario. Jaehyun kennt die Wahrheit hinter den Bombenanschlägen, weshalb aber kann er es uns nicht sagen? Weshalb sträubt er sich dagegen so viele Menschenleben zu retten?

„Und weshalb erzählst du das ausgerechnet mir?", fordere ich verzweifelt zu wissen. Innerlich begebe ich mich auf die Suche nach der Ruhe, allerdings wollen meine Hände nicht aufhören zu zittern. Unmerklich wische ich mir deren schweißigen Innenflächen an dem Stoff meiner Hose ab.

Jaehyun zögert, den angespannten Gesichtszügen nach zu urteilen scheint er gar nervös zu werden.

„Das ist kompliziert", weicht er aus und fährt zu meinem Leidwesen fort, ehe ich weiter nachhaken kann. „Jedenfalls möchte ich dich darum bitten, mir zu helfen unser Team auf die richtige Spur zu lenken. Sie dürfen es nur nicht bemerken."

Die Anspannung erstreckt sich in all meinen Gliedmaßen. Meine Zähne bohren sich in meine Unterlippe – mit dieser Mimik lege ich meine Zwiespältigkeit offen. Einerseits kann ich Jaehyun nicht vertrauen – selbst, wenn ich es ihm versprochen habe, doch nach diesem Geständnis gestaltet sich mir das unmöglich –, andererseits wäre es Egoismus, oder gar Mord seine Bitte auszuschlagen. Viele Menschen werden sterben, wenn unser Team zu lange braucht. Sie alle werden sterben, wenn ich jetzt nicht einwillige.

„Okay", nuschele ich, ehe ich weiter darüber nachdenken kann. „Was muss ich tun?", frage ich nun lauter, doch bereue es augenblicklich.

Jaehyuns Mundwinkel zuckt, er jedoch lässt die Zufriedenheit nicht zu. Wie ich bemerke, ist er mindestens genauso verkrampft wie ich. „Zu aller erst möchte ich, dass du Yuta manipulierst. Sprich mit ihm über den Blauen-Rauch-Fall und mache ihn darauf aufmerksam, dass die Verbrecher kein Motiv haben."

Scharf ziehe ich die Luft ein, eine erschreckende Erkenntnis rauscht durch mein Blut. Jaehyun behält recht, das Motiv der Verbrecher ist seltsam verschwommen. Sie wollten den NCT auslöschen, mit meiner Hilfe. Wiederum ist es verdächtig, dass sie Kinder sexuell misshandelten und deren Leichen zurückließen, als wollten sie den Agenten eine Spur legen. Als wäre es ein Lockruf, dem die NCT Mitglieder folgen sollten. Selbstverständlich hatten sie mich beim NCT unterbringen müssen, allerdings hätte es dafür auch Wege gegeben, die weniger Bemühung und weniger Kinderleben gebraucht hätten. Es erscheint mir nun fast so, als hätten die beiden vom NCT verhaftet werden wollen.

So seltsam dieser Fall auch war, inwiefern sollte er mit den Bombenlegungen in Verbindung stehen? Ich öffne den Mund, will die Frage aussprechen, jedoch gelingt es mir nicht.

„Mann, Jaehyun, was machst du hier? Ich habe dich gesucht." Mark erscheint aus dem nichts, unterbricht unsere Konversation. Mark scheint die seltsam heimlichtuende Atmosphäre zu registrieren – zumindest lässt dies sein skeptischer Blick vermuten.

In demselben Augenblick, wird mir ein Arm um die Schulter gelegt. Die Berührung fühlt sich so familiär und angenehm an, dass ich Yuta erkenne, noch ehe ich seinen mir so vertrauten Duft einatme, noch bevor ich seine beruhigende Wärme unter meiner Haut und in meinem Herzen spüre.

Purple ExplosionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt