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Die Kneipe, im Inneren eines unscheinbaren und grauen Hauses war weniger belebt und viel dunkler, exklusiver. Ich konnte mir durch meinen Job einen bestimmten Lebensstiel leisten. Zumindest manchmal. Das Holz an den Wänden war massiv und edel, der rote Samt auf den Stühlen teuer. Die Musik war um Längen besser und das Klientel betuchter. Ein Bodyguard nahm mir am Eingang meinen Mantel ab und wies mir mit neutraler Miene den Weg, den ich ohnehin schon kannte. Der rote, schwere Teppichboden verschluckte meine Schritte nahezu vollständig und gab mir einen federnden Gang. Wenn Sun davon wüsste, würde er mich umbringen. Naja, er wusste aber nichts davon. Wenn mein Gewissen rein bleiben sollte, durfte ich es nicht benutzen.

Wie üblich ging ich an der Bar vorbei, in ein Hinterzimmer. Verborgen hinter der schweren Holztür lag ein kleiner Raum. Er war ganz schick, mit Kronleuchter und Ölgemälden von ernst dreinblickenden Menschen in schweren Holzrähmen. Das jedoch war nur die Dekoration. Das Herzstück war der Pokertisch in seiner Mitte. An ihm saßen auch schon verschiedene Menschen, die ich von anderen Spielen kannte. Wirklich oft ließ ich mich hier nicht blicken, aber ab und an pokerte ich gerne eine Runde. Wie üblich holte ich eine Sonnenbrille aus meiner Tasche und setzte sie auf. Das war so ein running Gag hier. Die anderen trugen ebenfalls welche. Ich setzte mich an einen freien Platz und wartete, bis die Runde fertig gespielt war. Als die neue Runde begann, war noch eine weitere Frau hinzugekommen. Sie hatte hochgesteckte braune Haare, dunkelroten Lippenstift aufgetragen und war in ein enges schwarzes Kleid gehüllt. Es stand ihr ausgezeichnet. Sie war vielleicht 20-25 Jahre alt. Das auffälligste an ihr war aber die schwere Kette um ihren Hals, an der lediglich eine Kralle, vielleicht die einer Katze, hing. Ein dicker Diamant wäre passender gewesen. Ich hatte sie zuvor noch nie gesehen. „Nun meine Heeren, ich bin dann bereit, zu spielen", verkündetet sie schließlich und schob den Mindes-Einsatz in die Mitte des Tisches. Meine Karten lagen scheinbar unbeachtet vor mir, doch ein kurzer Blick zuvor hatte mir bestätigt, so gut wie verloren zu haben. Ich würde versuchen zu bluffen. Die Runde zog sich und obwohl neue Karten aufgedeckt wurden, verbesserte sich meine Chance nicht. Dennoch umspielte ein siegessicheres Lächeln meine Mundwinkel. Der erste stieg aus, die Einsätze wurden höher. Scheinbar tiefenentspannt schlürfte ich meinen Cocktail, der zweite stieg schließlich aus. Eine Runde später waren nur noch die Dame und ich übrig. Der Haufen vor uns in der Mitte war recht hübsch angewachsen. „Letzte Chance" sagte ich und erhöhte. Die Frau zögerte einen Moment und hielt inne. Ihr unsicherer Blick streifte die Gesichter der anderen, doch diese blieben ausdruckslos. Sie seufzte. „Ich steige aus." Mit einem spöttischen Lächeln drehte ich meinen Buben, die Kreuz sieben und die Herz zehn um. Die Dame zog scharf die Luft ein und kniff verärgert die Augen zusammen. Nachdem ich die Spielsteine zu mir gezogen hatte und in kleinen Türmchen aufgestapelt vor mir betrachtete fragte sie: „Noch eine Runde?"

Der Rest des Abends ist nicht erwähnenswert, denn sie zog uns alle gnadenlos ab. Sie fiel nicht mehr auf meinen Bluff herein und ihre Karten waren jedes Mal besser als meine. Weit nach Mitternacht hatte ich kein bisschen Geld mehr und beschloss nach Hause zu gehen. Die kalte Nachtluft kühlte meinen aufgeheizten Körper schnell wieder ab und ich vergaß meinen Ärger über das verspielte Geld. Ich würde mich ab morgen weiter auf Seths Auftrag konzentrieren.

Der nächste und auch der übernächste Tag brachten jedoch keine Neuigkeiten. Mit nur der Information über eine Gang würde Seth sich nicht zufrieden geben. Ich brauchte mehr. Mit fehlten noch Informationen über das Conway-Kartell und über die Rocker.

Das waren bei weitem die schwierigsten Aufgaben, die ich erfüllen musste. Ich wusste nicht, welche von den beiden schlimmer waren.

Erwischten mich die einen, war ich tot. Erwischten mich die anderen war, wieder erwarten, auch tot.

Bei den Rockern hatte ich mir über die Jahre Kontakte aufgebaut, also zuerst zu ihnen.

Diesmal machte ich mich schon mittags auf den Weg, weil ich zu den Rockern ein Stückchen brauchen würde. Außerdem könnte ich so einen kleinen Zwischenstopp auf dem Markt einlegen.

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