Tag 13

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Tag 13: an die freundlichste Person, die du kennst

Liebe Meena,

du bist wirklich der freundlichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Das Wiedersehen mit dir vor ein paar Wochen war echt schön. Es ist echt schade, dass wir nicht miteinander schreiben, auch wenn ich den Grund dafür nicht weiß. Ich bin bei so was etwas eigen. Ich schreibe Menschen nicht gerne von mir aus an. Ich will sie nicht nerven, weil sie gerade wichtigeres zu tun haben oder einfach nicht in der Stimmung dazu sind.

Als ich dich bei unseren Treffen gesehen habe, dachte ich mir, du hättest dich nicht viel geändert. Nur dein Aussehen vielleicht ein bisschen. Statt dem ständigen Zopf, endlich offenes Haar. Statt denn sportlichen Klamotten, etwas femininere. Aber dann wurde mir bewusst, dass du dich verändert haben musst. Alles, was dir in den letzten Jahren widerfahren sind, haben dich geprägt. Auch wenn du es wahrscheinlich nicht hören bzw lesen willst, weil du es von jedem gesagt bekommst, aber trotzdem will ich dir sagen, dass es mir leid tut, wass die passiert ist. Wenn du darüber reden willst, kannst du immer zu mir kommen. Ich kann super zuhören und werde dich auch nicht verurteilen, falls du das denkst. Es wird in 10 Jahren mein Job sein, Leuten zuzuhören und mit ihnen darüber zu reden. Ich kann es aber auch verstehen, wenn du nicht mit einer Person darüber reden willst, die du kennst.

Auch wenn wir uns in den Ferien wahrscheinlich nicht treffen können, weil du sie schon komplett verplant hast, hoffe ich auch ein Wiedertreffen mit den anderen. Ich würde auch gerne mal deine Brüder wiedersehen. Ich weiß noch, wie klein sie damals waren und jetzt sind sie groß und beschützen dich, obwohl du die Ältere bist. Du kannst dich echt glücklich schätzen, sie und deine Schwester zu haben. Auch wenn es nicht leicht für dich ist.

Ich denke mal aller spätestens werden wir uns nächstes Jahr auf deinem 18ten Geburtstag sehen, wenn du in der eigenen Wohnung lebst. Ich habe echt Respekt vor dir, dass du dir das in dem Alter schon antust. Ich würde mich das nie im Leben trauen. Aber ich kann es verstehen, denn in einem Kinderheim mit vielen anderen ist es bestimmt nicht immer leicht.

Doch die wichtigste Frage, die sich mir stellt ist, wie du trotz all dieser Tragik immer noch so lebensfroh, offen und freundlich sein kannst. Auch wenn wir uns lange nicht mehr gesehen haben und ich in dieser Hinsicht auch nicht nachfragen werden und auch überhaupt nicht weiß, welche Maßnahmen da eingeleitet werden, aber bitte sprich mit jemanden darüber. Friss den Schmerz und alles andere nicht in dich hinein. Zeig Gefühle abgesehen von den positiven. Es wird dir schon keiner übel nehmen, wenn du mal einen schlechten Tag hast. Das hat jeder mal und angesichts deiner Geschichte, wird dir das auch keiner vorhalten.

Ich hoffe, du kannst dein Leben jetzt fortsetzen, wie du das möchtest. Mach dein Abitur und geh studieren, so wie du es immer schon wolltest. Lebe deine Träume und lass dich von niemandem unterkriegen. Ich und auch die anderen sind immer für dich da.

Alles Liebe, Johanna ♥

15 Tage & 15 BriefeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt