Lazarett Teil 1

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"Bleibt im Lazarett! Habt ihr gehört?! Ihr sollt im Lazarett bleiben, wir haben es uns versprochen!", schrie sie, als die vier Männer, jeweils einer an jedem unserer Arme, mich und ihn zu dem Transporter zerrten und uns immer weiter voneinander entfernten. Wir wehrten uns nicht, außer gegen die unbequeme Position, in die unsere Arme verdreht wurden. Warum sollten wir auch? Wir haben uns für die Ausbildung im "Militär" entschieden, da man so eine Zukunft ganz nach eigenen Vorstellungen erreichen kann. So heißt es. So wird es versprochen. Sie, im Gegensatz, bleibt in der Heimat. Jedenfalls ist so ihr bisheriger Plan. Er und ich sind ein Jahr älter, wodurch sie noch Zeit hat, um sich zu entscheiden. "Die Familie!", schrie ich in den Himmel. "Die Familie!", schrie sie, von der anderen Straßenseite, und er, fast direkt neben mir, aus vollem Halse als Antwort und Bestätigung, dass unser Freundeskreis das "Militär" überstehen wird. Wir drei waren, als letztes Treffen an dem Tag seiner und meiner Abholung, auf dem Rückweg von der kaputten Eisenbahnbrücke, die über den Fluss verläuft und aus vielen Löchern, morschem und biegsamem Holz aber auch noch stabilen Stahlträgern besteht und immer eine gute Sitzfläche zum Beine und Seele baumeln lassen, reden, lachen oder einfach nur beieinander sein geboten hat. Es gibt noch mehr solcher Plätze für die Familie, aber wir haben uns heute diesen ausgesucht. Anscheinend waren wir spät dran. So spät, dass schon der Transporter nach uns geschickt wird. Kein sehr guter Einstieg für einen freiwilligen Dienst, der über unsere Zukunft entscheidet, denke ich mir.

Die Männer setzten ihn und mich nebeneinander in den schwarzen Transporter, der als einzige Auffälligkeit das Wappen des Militärs auf jeder Tür, der Motorhaube und dem Kofferraum aufwies. Das Wappen. Jeder kennt es. Es ist unübersehbar. Alle großen und wichtigen Einrichtungen, nein... eigentlich alles, was eine Stelle an der Spitze hat, oder in irgendeiner Weise besser ist, als etwas wappenloses, trägt das Wappen des Militärs. Und selbstverständlich ist es nur Wappenträgern, also Menschen, die die Ausbildung hinter sich haben und deren Familien, erlaubt, in Geschäften, die ein Wappen tragen, einzukaufen, in Restaurants mit Wappen zu gehen, Berufe auszuüben, die ein Wappen erfordern, und so weiter. Sprich: Du brauchst ein Wappen, wenn du frei und gut leben und entscheiden willst. Das gilt für die Kinder eines Wappenträgers natürlich nur so lang, bis sie selbst die Entscheidung getroffen haben. Die Entscheidung, für ein paar Jahre genau das Gegenteil, wenn nicht sogar schlimmer, zu erleben, als das Ziel, worauf man hinarbeitet.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 03, 2017 ⏰

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Lazarett - die Familie, die wir uns aussuchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt