Kapitel 24

437 17 2
                                    

"Du bist noch immer wach?" erschrocken drehte ich meinen Kopf zur Seite, um kurz darauf in Spencer's Augen zu sehen. Ich nickte müde und legte meine Hände auf seine, welche um meine Hüften geschlungen waren. "Weshalb?" fragte er behutsam nach. "Hm?" wollte ich wissen, da meine Gedanken ganz woanders waren. "Du wolltest doch nur noch das Geschirr einräumen und dann ins Bett kommen." bemerkte Spencer, während seine Fingerspitzen über meinen Rücken glitten. "Wie du siehst, bin ich noch nicht soweit." murmelte ich und deutete auf die geöffnete Geschirrspülmaschine. "Casey, das ganze ist über eine Stunde her." entgegnete mein Mann, der mich einfühlsam musterte. "Geh wieder. Ich komm schon nach." antwortete ich kühler als beabsichtigt. Spencer ließ mich seufzend los, wodurch ich mich bereits in Sicherheit wog und dachte, wieder allein sein zu können. Allerdings war dem nicht so. "Was soll das?!" fuhr ich Spencer an, der mich plötzlich packte. "Lass mich runter!" forderte ich ihn lautstark auf. "Wenn du dann mit mir sprichst." sagte er schlicht, wobei wir bereits halb im Schlafzimmer standen. "Fass mich nicht an." verlangte ich. Meine Stimme war nicht länger erhoben, stattdessen hatte ich Tränen im den Augen. Spencer zögerte keine Sekunde und ließ sofort von mir ab. "Es tut mir leid." entschuldigte er sich. Ich sah, wie sehr es ihm leid tat. Er hatte ein schlechtes Gewissen, ohne die Hintergründe meines Verhaltens zu kennen. Dafür hasste ich mich, weshalb es nicht lange dauerte und ich zu weinen begann. "Case." flüsterte Spencer, doch schien in die Situation zu überfordern, was ich ihm keinesfalls übel nahm. Schließlich würde es wohl jedem so gehen. Ich versuchte mich zu beruhigen und atmete tief durch, bevor ich mich vorsichtig an den Vater meiner Kinder schmiegte. "Es ist alles in Ordnung, Süße." flüsterte dieser und drückte mich sanft an sich. "Es tut mir leid, Spence." gab ich kaum hörbar wieder. Er schüttelte seinen Kopf. "Erzähl mir nur was vorgefallen ist." ich schwieg eine ganze Weile, ehe ich begann. "Weißt du was heute geschehen ist?" Spencer schaute mich fragend an. "Nein, das möchte ich doch von..." ich fiel ihm ins Wort. "Vor sieben Jahren." "Was?" er verstand nicht. "Heute vor sieben Jahren." erklärte ich und sah ihn erwartungsvoll an. "Es tut mir leid, Casey. Ich weiß nicht was du meinst." entgegnete er. "Um ungefähr diese Zeit stand ich vor genau sieben Jahren mit Keith Helton auf dem Dach. Auf dem Dach, auf welchem er von Derek durch mich erschossen wurde." nun schwieg Spencer, der wortlos auf unserem Bett Platz nahm. "Ich habe es den ganzen Tag über geschafft es zu verdrängen, aber desto später es wurde..." Spencer unterbrach mich. "Es tut mir leid, Case. Ich weiß, dass du es nie vergessen wirst..." abermals war ich diejenige, die ihm das Wort abschnitt. "Ich erwarte nicht, dass du dich an alles erinnerst, was mir in der Vergangenheit widerfahren ist. Das tue ich wirklich nicht, Spencer. Es liegt an mir, mit dir zu sprechen. Anders funktioniert es nicht, wie es mir immer wieder gezeigt wird." ich machte eine Pause und holte tief Luft. "Ich kann dir nicht sagen, weshalb ich mich dennoch immer wieder dagegen entscheide und stattdessen schweige, bis mich dies innerlich zerreißt und ich einfach nur in Tränen ausbrechen kann." ich seufzte. "Ich liebe dich, Case." war das einzige, was Spencer erwidert. Dennoch waren es genau diese drei Worte, die mir plötzlich ein Lächeln ins Gesicht zauberten. "Ich dich auch." antwortete ich leise und küsste ihm zaghaft. Vorsichtig zog Spencer mich näher an sich, bis ich schlussendlich auf seinem Schoß saß. Er hielt inne. "Ich wollte nicht unsensibel sein." bemerkte er beschämt, doch schüttelte ich hastig den Kopf. "Bist du nicht." fügte ich hinzu, während meine Hände auf seinen Wangen lagen. "Außer du hörst jetzt auf." hauchte ich in sein Ohr. Dies ließ Spencer, der mich angrinste, nicht zweimal sagen und küsste mich stürmisch.

"Wenn mein Leben ein Film wäre, in dem ich die Hauptperson sein würde, gebe es wohl zwei Meinungen über mich, wobei sich die meisten im Endeffekt wahrscheinlich doch einig sein würden. Casey Evans ist unfassbar anstrengend. Mit ihren Stimmungschwankungen und den immer wieder selben Themen. Es dreht sich alles um sie. Ein Wunder, dass ihr Mann sie nicht schon lange verlassen hat. Dieser ist ohnehin viel zu gut für sie..." "Erde an meine Tochter, die lieber verträumt durch die Gegend schaut als ihrer Mutter zuzuhören." riss diese mich aus meinen Gedanken. "War nicht meine Absicht." entschuldigte ich mich bei ihr. "Ist etwas nicht okay?" "Gestern war Keith's Todestag."erklärte ich, woraufhin meine Mutter mich entgeistert ansah. "Du trauerst doch nicht etwa wegen diesem..." "Mum!" unterbrach ich sie und deutete auf Alison, welche im Wohnzimmer neben an mit ihren Bauklötzen spielte. "Ich Trauer nicht." entgegnete ich und nahm einen großen Schluck meines Tees. "Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Schon gar nicht so, damit es jemand anderes versteht." gab ich frustrierend zu, woraufhin meine Mutter mir einen mitleidigen Blick zu warf. "In der Ausbildung zur FBI Agentin lernt man vieles, allerdings nicht, wie man damit umgeht, wenn man jemanden tötet. Mir ist bewusst, dass Derek ihm die Kugel durch den Kopf gejagt hat. Dennoch war ich es, die ihn dies hat machen lassen." ich seufzte. "Casey, dieser Mann hat dir schreckliches angetan. Er hat es nicht anders verdient." antwortete meine Mutter, was mich mit den Schultern zucken ließ. "Ist das so? Oder bin ich dadurch einfach genauso schlimm wie er? Ich fühle mich, wie eine Mörderin." meine Mum schwieg. "Allerdings arbeite ich an mir." fügte ich kleinlaut hinzu. "Das weiß ich, aber denkst du nicht, dass du lange genug allein gekämpft hast?" "Ich habe mir bereits Hilfe gesucht, weil ich es genauso sehe."sagte ich, woraufhin meine Mutter mich überrascht anschaute. "Emily hat mir jemanden empfohlen oder besser gesagt, mir eine gute Bekannte vorgestellt. Sie ist darauf spezialisiert Menschen mit traumatischen Erlebnissen zu therapieren, so zum Beispiel Soldaten, die wieder zurück nach Hause kehren, oder Vergewaltigungsopfer." erklärte ich ihr. "Hast du schon mit dieser Bekannten gesprochen?" fragte sie. Ich nickte und erinnerte mich an das erste Treffen zurück. "Hör auf dir Gedanken zu machen. Sie ist wirklich großartig." hatte Emily mir während unseren Telefonates versichert. "Ich bin dir dankbar, aber versprechen, kann ich dir nichts." mit diesen Worten hatte ich unser kurzes Gespräch beendet und war nervös vor das Wohnhaus der Therapeutin getreten. Mit zitternden Händen hatte ich auf die Klingel, auf die der Namen "Sullivan" eingraviert war, gedrückt. Es hatte bloß einen Moment gedauert, bis die Tür von einer älteren Frau geöffnet wurde. "Sie müssen Casey sein. Kommen Sie herein." ein wenig verwundert war ich ihrer Bitte nachgegangen und ihr in ein großes Wohnzimmer gefolgt. "Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?" hatte Dr. Sullivan gefragt. "Nein, vielen dank." hatte ich höflich abgelehnt und auf dem altmodischen Sessel Platz genommen. Ruhe war daraufhin eingekehrt. Ich hatte keine Ahnung, worüber ich mit einer völlig Fremden sprechen sollte oder besser gesagt, wie ich anfangen sollte. "Ich habe Sie mir anders vorgestellt." hatte ich versucht die Stille zu brechen. Dr. Sullivan war sich lachend durch ihre grauen Locken gefahren. "Jünger." hatte sie bemerkt, was mich verlegen nicken gelassen hatte. "Weshalb sind Sie bei mir, Casey?" hatte sie dann, nach einem weiteren Augenblick des Schweigen, wissen wollen. "Hat Emily Ihnen nichts..." ich war unterbrochen worden. "Verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen ins Wort falle. Emily hat mir gesagt, wer zu mir kommen wird, doch möchte ich wissen, wer Sie sind. Was macht Ihnen zu schaffen?" ich hatte nichts gesagt. "Ich möchte Sie nicht unter Druck setzen." "Es fällt mir sehr schwer über einiges zu sprechen." hatte ich kleinlaut zugegeben und meinen Blick zu Boden fallen lassen. "Was meinen Sie mit schwer?" hatte Dr. Sullivan gefragt. "Es bedeutet nicht, dass ich jedes mal zu weinen beginne, wenn ich über..." ich hatte abgebrochen. "Als ehemaliges FBI Mitglied haben Sie sicher einiges durchmachen müssen." hatte Dr. Sullivan bemerkt und ihre Brille abgenommen. "Das stimmt, aber da geht es nicht bloß mir so. Wenn ich über manche Dinge rede, spüre ich nichts und dann gibt es wieder Tage, wo ich mein Bett nicht verlassen will, weil alles wieder zurückkommt. Dann fühlt es sich an, als würde mich etwas runter drücken und mir jegliche Luft zum atmen nehmen. Das einzige, wonach mir in solchen Momenten zu mute ist, ist es in Tränen auszubrechen." ich hatte eine erneute Pause eingelegt und tief durchgeatmet. "Ich bin hier, weil ich endlich mit diesen ständigen Zusammenbrüchen abschließen möchte oder zumindest lernen möchte, mit ihnen umzugehen." hatte ich leise wimmernd hervorgebracht. "Ich kann Ihnen keine Garantie geben, dass alles so wird wie Sie es sich vorstellen. Aber ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass wir gemeinsam eine Lösung finden werden, wie Sie sich besser fühlen." hatte Dr. Sullivan mit sanfter Stimme entgegnet. Ich war unsicher, dennoch hatte ich mich in ihrer Obhut geborgen gefühlt. "Ich würde es gerne versuchen, denn zu verlieren habe ich nichts." und schon wurde ich durch ein lautes Quiecken ins Hier und Jetzt zurückgeholt. "Mummy! Mummy!" es war Alison, die aufgeregt auf mich zu gerannt kam. Noch etwas verträumt schaute ich die Kleine an. "Alles in Ordnung, Prinzessin?" fragte ich und ließ sie auf meinen Schoß krabbeln. "Ich hab allein geschafft!" quietschte meine Tochter. "Was hast du geschafft?" wollte meine Mutter voller Neugier wissen. "Komm schauen!" forderte Alison uns aufgeregt auf und deutete dabei bereits auf einen Stapel mit Bauklötzen, bevor sie von meinen Beinen hüpfte. Ich folgte ihr, wobei meine Gedanken ganz woanders waren. "Wie konnte die Kleine so schnell so groß werden? An Aiden gar nicht zu denken. Es kommt mir vor al wäre er erst vor wenigen Tagen in die Vorschule gekommen und jetzt geht er seit fast zwei Jahren in die Grundschule." ich schwelgte seufzend in der Vergangenheit. "Ohne Aiden. Ganz allein." mit ihren großen blauen Augen, welchen sie weder von mir noch Spencer haben konnte, schaute sie mich stolz an. "Großartig, Alli!" sagte ich lächelnd und nahm die zweijährige in den Arm. "Ich hab dich lieb, mein Engel." flüsterte ich, wobei ich liebevoll über die braunen Locken streichelte. "Es gibt jedoch zwei Highlights, die diesen Film für mich so sehenswert, oder um es auf das Leben zu übertragen lebenswert machen. Aiden und Alison. Viele würden bei meiner Aussage bestimmt wieder etwas zu meckern haben und mir an den Kopf werfen, wie ich es wagen könnte, meinen Mann nicht zu erwähnen, was ich zum Teil wohl auch irgendwie nachvollziehen kann. Doch muss man... Muss ich machen, was andere von mir erwarten? Die Antwort lautet: nein. Ich liebe Spencer. Und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sehr er meine Gefühle erwidern muss. Liebe bedeutet nicht, sich täglich zu sagen, was man für einander empfindet. Es gibt Tage, an denen man sich selbst im eigenen Haus nur dann begegnet, wenn man abends ins Bett geht. Ich weiß nicht, worauf ich mit meinen Gedanken hinaus will. Wahrscheinlich auf nichts. Ich möchte mir bloß das schlechte Gewissen ausreden, welches ich so oft habe. Möchte mir ausreden, dass ich nicht gut genug bin. Denn das bin ich verdammt nochmal. Ich bin eine wundervolle Mutter, keineswegs perfekt, aber liebevoll. So liebevoll, wie meine es lange Zeit nicht war. Ich versuche eine tolle Ehefrau zu sein. Eine, die immer hinter ihrem Mann steht und sich bemüht ihm Kraft zu geben, wenn er mal eine Pause braucht. Ich gebe so viel, was ich gerne tue. Wirklich. Aber manchmal vergesse ich, dass auch ich Pausen brauche. Nicht körperlich, aber mental. Ich will endlich mehr Kontrolle über mich und meinen Verstand bekommen... Und das werde ich schaffen. Es war mir lange Zeit peinlich zuzugeben, dass ich Hilfe benötige, doch mittlerweile kann ich nicht verstehen, wie blöd ich all die Jahre war. Stark sein ist das eine. Naiv sein das andere. Ich war naiv. Zu naiv.  Do habe ich das Gefühl, dass ich erwachsener geworden bin. Nicht durch eine Therapiestunde, doch durch die Worte meiner Therapeutin. Sie hat mir bereits nach einer so kurzen Zeit unserer Zusammenarbeit gezeigt, was ich möchte. Anderen helfen, aber anders als zuvor."

Crave you// criminal mindsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt