Mit stoßweise gehendem Atem lehne ich gegen einem Baum. Es wird langsam dunkel. Ich fühle immer noch die salzigen Spuren, die die Tränen auf meinen Wangen hinterlassen haben. Kaum bin ich hier angekommen, wurde ich auch schon von den Erinnerungen überrollt. Ich habe diesen Ort bis jetzt gemieden, als würde ihm die Pest innewohnen. Aber in Wirklichkeit ist es viel, viel schlimmer als die Pest. Jedenfalls habe ich bis eben wimmernd unter dem Baum gelegen, an den gelehnt ich nun stehe, zu allem bereit. Konnte ich eben noch meine Gefühle nicht kontrollieren, so fühle ich jetzt… nichts mehr. Ich warte einfach auf das, was da kommen mag.
Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, als ich ein Geräusch höre. Jemand stapft über trockene Äste, direkt auf mich zu. Meine Muskeln spannen sich und all meine Sinne sind geschärft, aber ich gehe einen Schritt zurück, tiefer in die Schatten. Der Mann, der die kleine Lichtung betritt, ist allein und ich kann an seiner Seite einen Revolver erkennen. „Wo ist Samu?“ Die Frage ist über meine Lippen, bevor ich mich mit den möglichen Konsequenzen beschäftigt habe. KJ fährt herum und starrt mich an. Ist er erstaunt, dass ich vor ihm da bin, lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken. „Süße!“ Ein raubtierhaftes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Nenn mich nicht so!“, fahre ich ihn an, „und jetzt sag mir, wo er ist?!“
Langsam knöpft er sein Hemd auf. „Das verrate ich dir, wenn wir… ein bisschen Spaß hatten, Süße. Na, komm schon, sei brav. Und falls du vorhast, dein Gemüsemesser für etwas Unanständiges zu benutzen… nun, das würde ich lieber lassen, Süße.“ Da wird mir klar, dass er Samu nicht allein entführt haben kann. Irgendwer muss ihn ja bewachen… und diesem Jemand könnte KJ sofort sagen, wenn ich nicht „brav“ bin, und was dann passiert… daran möchte ich nicht denken. Etwas in mir zerbricht. Ich bin keine Kämpferin. Nicht mal Jägerin. Ich habe alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Was hatte ich vorgehabt? Habe ich etwa gedacht, ich könnte KJ überwältigen und Samu auf eigene Faust retten? Wer bin ich denn? Catwoman?
Meine Augen brennen. „Warum ich?“, stammle ich zittrig, während ich mir in Zeitlupe den Pullover über den Kopf ziehe. „Warte, ich helfe dir.“, kommt es statt einer Antwort von KJ, der auf mich zukommt und mir den Pullover auszieht, wobei seine Hände viel länger als nötig auf meinem Körper verweilen. Jetzt fließen die Tränen doch. „Ich will deine Hilfe nicht!“, schluchze ich. Sein Atem streift meinen Nacken. „Doch, natürlich willst du das, Süße.“ Er hebt mich hoch und setzt mich im Gras ab, wo er anfängt, meine Hose aufzuknöpfen. „Siehst du, wenn du dich nicht wehrst, ist alles viel schöner. Ich will dir nicht wehtun, Süße.“ Das hast du doch schon längst, möchte ich ihn anschreien, aber stattdessen frage ich erneut leise: „Warum ich?“
Er streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ich unterdrücke den Drang, angewidert das Gesicht zu verziehen. „Ach, Maria…“, flüstert er. Ich zucke zusammen und stammle: „Ich bin nicht Maria… das ist meine Mutter!“ Sein Blick schweift in die Ferne. „Du bist deiner Mutter sehr ähnlich, weißt du das, Lynn?“ Ich reiße die Augen auf. „Woher weißt du, wie ich heiße?!“ KJ sieht mich nicht an, als er antwortet: „Ich bin dein Patenonkeln, Lynn. Für deine Mutter war ich der beste Freund und ihre erste Wahl, als du geboren wurdest. Aber ich wollte mehr… ich will es noch immer. Ich liebe deine Mutter, Lynn.“
Ganz kurz habe ich großes Mitleid mit ihm. Eine unerwiderte Liebe… nichts tut mehr weh. Aber er tut mir nur ungefähr zwei Millisekunden lang leid, weil er mir nun ins Gesicht schlägt und mich anschreit: „Aber sie hat sich für die größte Niete entschieden, die sie finden konnte. Ich hätte ihr die Welt geschenkt, aber sie hat sich für deinen Schlappschwanz von Vater entschieden!“ „Kein Wort gegen meinen Vater!“, fauche ich und fühle mich einen kurzen, irrwitzigen Moment lang wie Harry Potter. Dann ist das Gefühl verflogen und macht Platz für dumpfen Schmerz und Verzweiflung. Meine Wange brennt und ich schaue angstvoll in die vor Wahnsinn brennenden Augen KJ’s.
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Eiskalt wie Alaska (Samu Haber FF)
Hayran Kurgu~ Some things are meant to be ~ Lynn wird von ihren Eltern zu den schlimmsten Semesterferien ihres Lebens irgendwo im verschneiten Niemandsland verdonnert. Sie hat schon von Anfang an schlechte Laune. Doch wen sie dann trifft, hätte sie sich im Tra...