Im Oktober 1962 bahnte sich die Kubakrise an, eine äußerst ernste Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, die sich um die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba drehte. Die eigentliche Krise dauerte dreizehn Tage, und es folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Der Kalte Krieg erreichte eine neue Qualität und die Overkill-Kapazitäten beider Supermächte wurden erstmals deutlich. Während des Konflikts wurde der Ausbruch eines Atomkrieges als wahrscheinlich angesehen. Es wurde in Westdeutschland inzwischen politisch demonstriert.
Beim Kaffeetrinken im sonnigen Garten der Villa Ahorn glitten ein paar Kanus den Alsterlauf entlang. Os hatte sein Abitur mit Bravour bestanden und studierte Betriebswirtschaft in Hamburg. Seinen 21.Geburtstag hatte er in besonders schlechter Erinnerung. Er konnte das Geschehen nicht ignorieren, da sein Sieben-Regel-Schema dieses nicht zuließ.
Am Nachmittag wollte seine Studienfreundin Gianna ihn besuchen. Sie erschien zum Kaffeetrinken, das stillschweigend ablief, bis am späten Nachmittag plötzliche Dunkelheit einbrach. Finstere Gewitterwolken überzogen den Himmel. Gianna war Italienerin und erzählte, dass sie mit einem anderen Kommilitonen, Mario, einem Landsmann, in den kommenden Semesterferien verreisen wollte. Sie saßen am Küchentisch bei einem Glas Wein. Sie schaute ihn nicht an, starrte auf den Kühlschrank schräg hinter ihm und sagte:„Ich will mich nicht an dich gewöhnen", und es hörte sich an wie ein Tagesordnungspunkt auf einer Lehrerkonferenz, die über eine Disziplinarmaßnahme gegen einen Schüler zu entscheiden hatte. Os schwieg. Sie hatte mit ihm abgerechnet und gehörte nicht mehr zu ihm.
Nach einer langen Weile der Totenstille, nur der Kühlschrank brummte ab und an vor sich hin, richtete sie ihre Augen auf ihn. Sie tat das in der Form wie die Scheinwerfer eines Autos in einer Kurve schwenken, ohne dass der Kopf die Bewegung mitmachte. Er schwieg weiter. Eigentlich wusste er schon, dass es niemals etwas werden würde mit ihr, denn er gehörte zu den Menschen, die intuitiv spürten, was passierte. Ihre neue Liebe war jetzt zum Friedhof seiner geworden. Sie drehte ihren Kopf jetzt ganz zu ihm hin und fragte: „Was ist los mit dir?"Er sagte:„Was soll los sein? Du hast entschieden."
Es herrschte eiserne Stille. Nur noch ihre starren Körper waren beteiligt. Nachunendlichen Minuten stand sie auf, ging in den Flur, zog ihren Mantel an undverschwand. Ihre Schritte verhallten mit abnehmender Lautstärke im Hausflur,nachdem die Wohnungstür ins Schloss fiel. Das war die endgültige Tilgung ihrerLiebe, dem Verschlingen der Zeit zwischen dem ersten Blick auf der Vernissageeines befreundeten Künstlers und dem Zuschlagen der Haustür seinerStudentenbude in Hamburg-Eimsbüttel.
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Oskar - gezeugt von Nazivater im Zweiten Weltkrieg
Short StoryOskar wurde Ende 1940, im Zweiten Weltkrieg als Fötus wild herumgeschleudert. Seine Mutter versuchte ihn in wilden Ritten abzutreiben, denn sie wollte keine Kinder, schon gar nicht ....... Im Juli 2012 wäre Oskar 71 Jahre alt geworden. Ich traf ihn...