Vom zweiten Treffen - Elvira, die erste Liebe

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1955 endete die Besatzungszeit in der DDR und der BRD. Gleichzeitig wurden beide Länder mit der Gründung des Warschauer Paktes bzw. der Aufnahme in die NATO fest in ihre Blöcke eingebunden. Bundeskanzler Konrad Adenauer erreichte auf seiner Moskaureise die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion und die Heimkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen. Gleichzeitig schloss seine Regierung jedoch die Aufnahme von Beziehungen zur DDR mit der Hallstein-Doktrin aus. Die Verdrängungsjahre der Kriegsgräuel hielten an. Viele Altnazis saßen immer noch oder schon wieder auf wichtigen Posten.

Die Pubertät hatte Os jetzt als vierzehnjähriger Frühreifer überstanden. Damit entsprach er auch unbewusst der Theorie Steiners, die besagte, dass im Leben eines Menschen alle sieben Jahre ein Umbruch stattfindet. Sein Sieben-Regel-Schema behielt er unabhängig davon bei, denn das Gehirn hatte diese Struktur so verinnerlicht, dass sie nicht mehr veränderbar erschien. Von Vorteil war, dass er nach wie vor die meisten negativen Ereignisse, die natürlich nicht ausblieben, einfach ausblenden konnte.
Seine Hirnanhangdrüse sendete regelmäßig und zuverlässig hormonelle Signale in die dafür zuständigen Organe, um Testosteron ins Blut zu transferieren. Am Morgen des ersten Tages der Sommerferien brachte Mutter ihm ausnahmsweise einen Becher Kakao ans Bett.
„Alles Gute zum Ferienbeginn", sagte sie und weiter „jetzt bist du groß und kannst vernünftig werden".
In ihrer Stimme lag eine kaum wahrnehmbare Schärfe, die ihm nicht entging und vermuten ließ, das wäre ein ehernes Gesetz, welches unbedingt eingehalten werden musste. Da hatte der Vater sein Erziehungswerk auch bei seiner Gattin nachhaltig hinterlassen, ohne dass ihr das bewusst war. Von wegen „Du kannst." Er musste! Dabei hatte Os sich gerade in seine Klassenkameradin Elvira verliebt. Er glaubte zu spüren, dass sie ihn auch mochte. Die weiteren Ratschläge seiner Mutter konnte er nach seinem Sieben-Regel-Schema ignorieren.
Elvira war ein großes brünettes Mädel, etwas breitschultrig, eher wie ein Junge in seinem Alter mit schmaler Taille und hellgrünen Augen und sehr sportlich. Sie war beliebt bei den Jungs seiner Klasse und wurde in all' den Dingen, die sie tat, beobachtet. Os überwand nach den Ferien seine Schüchternheit und wusste, dass es geschehen musste. Und es geschah.
Nach einem Spaziergang an der Elbe erlebte er zum ersten Mal das Gemisch aus Erregung, Liebe und Verlangen, wonach er im späteren Leben immer wieder suchte. Er konnte seinen Blick nicht von Elvira lassen. Ihr entging das nicht. Ein unerklärliches Lächeln versuchte sie zu unterdrücken, doch es gelang nicht. Os spürte ihre Seele, die ihn anstrahlte. Ihre Körper öffneten sich und sie taten es im höher gelegenen Hirschpark im Gebüsch.
Nach dieser ersten Liebe wurden Frauen zu Sternen seiner Obsession, zum eigentlichen Wesen der Dinge, wie die Erde, die sich um die Sonne dreht.
Os kam beim Erzählen nach so vielen Jahren immer noch ins Schwärmen.


Oskar - gezeugt von Nazivater im Zweiten WeltkriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt