„Sebastian",sie blickte hoch. „Was hast du gesehen nach Felix' Tod?"
Ich betrat den weißen Raum.
Felix lag auf dem Krankenbett, angeschlossen am EKG.„Nichts."
„Du erinnerst dich nicht?",,Anscheinend reicht das siebte mal für eine Beziehung",grinste Felix.
„Anscheinend nicht."
„Du weißt nicht mehr wieso du versucht hast dich umzubringen?"„Fuck, was hast du gemacht?" Ich sehe auf meine Hand, die komplett Blut überzogen war.
„Ich habe es nichtmal bewusst getan",antwortete ich zur Abwechslung mal wahrheitsgemäß.
„Was ist denn das Letzte an das du dich erinnerst?"
„An den Abend."
„Den Abend vor Felix' Tod?"
Ja, immer noch.
„Und danach ist alles komplett schwarz?",fragt sie.
Ich wollte es verneinen. Es war nicht schwarz und es war nicht grau.
Es war hell und es war farbiger als alles was ich sonst gesehen hatte, aber das konnte ich nicht sagen - es war Einbildung. Und sie würde alles mit mir durchlaufen.
Jede Sekunde, die Felix scheinbar mit mir verbracht hatte, während sein Herz längst aufgehört hatte zu schlagen.
Jede Minute, die ich damit verbracht hatte ihn anzusehen, während er längst Meter unter der Erde lag.
Jede Stunde, in der ich mir so sicher war ihn bei mir zu haben, während er längst unerreichbar war.
Ich drückte meine Augen zu und ließ die Tränen über meine Wangen fließen. Mir wurde ein Taschentuch entgegen gestreckt, über das ich am liebsten gelacht hätte. Kein Taschentuch kann das tiefe Loch in meinem Herzen stopfen, kein gespieltes Mitleid kann mich trösten und kein Gespräch kann ihn mir wieder bringen.
Ich wollte gehen, diesen Raum verlassen und zurück auf mein Zimmer gehen. Ich wollte im Bett liegen und heulen, weil es so schmerzte, weil es so unbegreiflich war und weil ich es einfach nicht wahr haben wollte.
Sie zog das Taschentuch zurück, als mein Pullover zuvor kam und ich stand auf, bevor auch nur ein weiteres Wort ihre Lippen verließ.Ich ging durch das Treppenhaus zurück auf meine Station. Hätten sie ihn nur auf die Geschlossene gebracht, hätten sie früher reagiert -
Vor meinen Augen spielten sich immer wieder die letzten Sekunden ab. Wie ich aufsprang, als ich sein leises „sorry" hörte. Wie das Blut aus seinem Arm strömte und ich den Kissenbezug darauf presste. Ich sah immer noch die Tränen auf seiner Haut, spürte noch die auf meiner.
Und doch wollte ich nicht begreifen, dass jener Abend mein letzter mit Felix gewesen war. Ich hatte ihn nie am nächsten Tag gesehen, hatte ihn nicht sieben Mal geküsst, war nie mit ihm zusammen gekommen - und doch fühlte es sich so an. Es fühlte sich an als hätte ich meinen Freund verloren.
Und ich müsste sekündlich wiederholen, dass er nie mein Freund gewesen war, um es zu glauben - doch jedes Mal brach mein Herz dabei.
„Oh 'tschuldigung."
Ich sah auf. Vor mir stand ein Mädchen, etwa in meinem Alter. Sie musterte mich kurz etwas beschämt, sie war vermutlich gegen mich gelaufen. Ihre braunen Haare waren zu einem unordentlichen Dutt gebunden und um ihre Schultern war eine Wolldecke gelegt. „Du bist Sebastian oder?",fragte sie und ich nickte. „Ich habe das von Felix gehört, tut mir sehr leid." „Danke." Sie wippte kurz hin und her, als würde sie gerne weiter reden. „Ich bin Jodie, du bist glaube ich auf der falschen Station."
„Welche ist das denn?",ich sah mich um, doch mir kam alles eigentlich nur bekannt vor, so individuell waren die Stationen nicht. „Neun.",,Welche ist Station 9?",fragte ich.
,,Essstörungen."„Alles okay?", mich berührte eine Hand an der Schulter und ich bejahte schnell. „Kanntest du ihn?",fragte ich.
„Hm?"
„Kanntest du Felix?",ich konnte seinen Namen kaum aussprechen.
„Wir haben früher manchmal was gemacht, aber nein, ich kannte ihn kaum."
„Sorry, ja, ich gehe wieder runter",sagte ich und drehte mich von ihr weg. Mein Blick brannte auf den Fliesen unter meinen Füßen. Ich wünschte ich könnte all das vergessen, was so schmerzhaft in meinem Kopf pulsiert.
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let me forget | Psychiatrie II
FanfictionUnd ich kann den Kuss, den Tod und meine schmerzliche Liebe zu dir nicht vergessen, egal wie sehr es mich zerbricht. Sebastians Leben scheint sinnlos und kein fremder, dürrer, braunhaariger - mit tiefen, tristen, braunen Augen, kann ihm dieses Mal d...