Ohne Titel Teil 9

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SH:

„Ich muss noch mal weg", waren die wenigen Worte, die Watson mir am Tag unserer großen Aussprache zurückließ, um dann neues Schreibpapier besorgen zu gehen. Ich konnte nur schätzen, wie turbulent und zerrissen es in ihm aussah, so hektisch wie er geschrieben hatte. Als er hinausging, richtete ich mich auf. Im Zuge unseres vorangegangenen Streits war er nicht gegangen, jedenfalls nicht für immer. Natürlich war er geblieben. Wie hatte ich je etwas anderes von ihm erwarten, ihn anders einschätzen können, auch wenn er durch sein Bleiben den schwierigeren Weg nahm?

Wir hatten einen horrenden Vorrat an Papier verbrauchen müssen, bevor uns das Geschehen, für das sein bewunderungswürdiger Einsatz der schriftlichen Kommunikation die Grundlage gewesen war, wieder dichter zusammenführte. Das war es wohl wert. Jeden einzelnen Buchstaben samt Zeichensetzung auf den Stapeln von Zetteln. Papier ist geduldig.

Tja, mit diesem alten Schwätzer, den er unten auf der Straße traf, hatte Watson kein Problem, Privates zu kommunizieren. Wahrscheinlich hat Bentlay das, was er aus Watsons Geschichten über mich wusste, in dessen heilberuflich ausgeprägtem Gewissen anzuschwärzen versucht. Ich deduzierte doch mit Leichtigkeit, dass Mr. Geschwätzig die Sympathie des Doktors für sich gewinnen wollte. Die, meines Freundes! Und der sprang darauf an. War beeindruckt von soviel Mitmenschlichkeit und Einfühlungsvermögen. Das, was er zu Hause vermisste.

Ich hatte nicht viel Zeit, mich in meine Missgunst hineinzusteigern, sie hätte meinen Elan sowieso nur ausgebremst. Eine Erinnerung hatte mein Gehirn befallen. Und die aufzubereiten war jetzt wichtiger, schließlich musste der Fall der Kanneninteressenten, dessen Endgültigkeit mir fragwürdig erschien, einen sauberen Abschluss bekommen.

Ich entsann mich des kurzen Aufflackerns meiner Warnsysteme, als Watson mir heute bei einer schnellen Tasse Tee Gesellschaft geleistet hatte. Oder ich ihm, er legte mehr Wert auf solche Dinge.

Was hatte er da erzählt, bevor er seiner Wege ging? Mrs. McMurphy litt unter einer leichten Amnesie, so hatte der auskunftsfreudige Bentlay ihm vor unserer Haustür mitgeteilt? Auch meine anschließende Nachfrage, die ich Watson gestellt hatte, flammte wieder vor mir auf.

„Ist das treffsicher?", wollte ich wissen.

„So gut wie, obwohl mich wundert, auf was sie sich da fixiert", lautete seine Einschätzung. "Sie scheint ihm verwirrt und faselt wohl ständig etwas von einer verschwundenen Teekanne, die sie nicht mehr finden kann. Mrs. McMurphy ist der Überzeugung, sie auf dem Weg in den Restaurantkeller noch bei sich gehabt zu haben, bis sie dann dort zu Bruch ging."

Amnesie? Amnesie? Amnesie? Da war doch noch was... etwas, das ich mir jüngst eingeprägt hatte. Ah, ich konnte es wieder greifen. Litt dieser Finsbury womöglich auch unter Gedächtnisverlust oder warum hatte er nicht über die Mittwochtreffen Bescheid gewusst? Selbst ein neu eingestellter Kellner musste doch über regelmäßige Tischreservierungen vor Dienstantritt informiert worden sein. Außerdem hatte der Kalender mit den Vorbestellungen offen ausgelegen, wie mir kurz nach meinem Besuch auch noch einfiel, und er hätte es einfach ablesen können. Ich hätte es auch selbst getan, wenn ich am Sonntag schon misstrauisch geworden wäre. Aber ich war abgelenkt gewesen. So war das, wenn man nur zu halber Schaffenskraft fähig war, obgleich einem alten Fall, der wieder auflebte, doch voller Einsatz gebühren sollte. So konnte er keinen Eingang in die Arbeiten meines Biografen finden. Das alles machte schon zwei unsaubere Details aus. Zwei zu viel für mich.

Nicht lange nachdem ich stutzig geworden war und kurz bevor ich Watson, in die Betrachtung irgendwelcher aushängenden Medizinerzertifikate vertieft, aufspürte, sah ich mich durch ein unvergittertes Fenster einsteigen. Es gehörte zum Kellerraum besagten „The High Tea" und war mit wenigen Handgriffen von mir zu einer Türöffnung umfunktioniert worden.

Stufe um Stufe zu Schritt und Spur (Sherlock Holmes)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt