SH:
Provisorisch errichteten wir ein größeres Lager, als wir es vorgefunden hatten. Aus mehreren Decken über etwas Reisig in einem ausgefransten Jutesack und Matratzenresten, legten wir uns am ersten Abend nieder und versuchten, in dieser von außen vorgegebenen Ruhe in ungewohnter Atmosphäre auch innerlich zur Ruhe zu kommen.
Meine Finger tanzten nervös auf dem dünnen Stoff, der als Decke diente und da ich merkte, dass mein Freund ebenfalls noch nicht zum Schlafen bereit war, sondern munteren Geistes die Balken anstarrte, nahm ich unseren Gesprächsfaden vom Nachmittag wieder auf.
Ich befürchtete Unannehmlichkeiten. Hier drinnen lief ich am wenigsten Gefahr, auch noch dabei beobachtet zu werden, während ich meinen Vortrag, so wie ich ihn abzuhalten plante, kurz und damit schmerzlos über die Bühne brachte. Gnadenlos beäugt von jemandem, der mich bis in die kleinste meiner Regungen hinein kannte.
Mein ganzer Körper war kurz nach unserer Ankunft in ein leichtes Zittern versetzt worden, über das ich keine Kontrolle mehr gehabt hatte. Watson hatte es gemerkt und war sofort herübergekommen. Ich hatte mich der Hoffnung hingegeben, dass er es zu stoppen wissen würde und tatsächlich, es gehörte bald der Erinnerung an!
Aber die Unruhe war geblieben, denn ich hatte noch eine weitere Mitteilung zu machen, als mein in Mitleidenschaft gezogener Körper, der mir nicht mehr länger gehorchen wollte. Wäre mir klar gewesen, wie ballastbeladen sich das Aussprechen der Worte, die folgten und viel zu viele wurden, anfühlen würde, jede Silbe davon mühsam hinunterzuwürgen, wäre mir weitaus lieber gewesen.
Ich flüsterte nun im Schutz der lediglich vom Licht des Vollmondes durchzogenen Dunkelheit, die die sich offenbarende, unerwünschte Schwäche darbietender Mimiksprache zum Großteil zu verbergen versprach. Mein Gefährte nahm seine unter dem Kopf verschränkten Arme auseinander, als ich vorsichtig begann: „Watson?"
Schon gar nicht im Hellen hätte ich ihm dabei von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen wollen, aber selbst hier, in diesem schummerigen Raum, versteifte ich mich bei dem Gedanken, er könnte meine Züge inspizieren, wie ich es so häufig mit den seinen getan hatte.
„Ja. Was gibt's?"
Ich zuckte innerlich zusammen. Seine Stimme klang hellwach, nicht im Geringsten, als würde sie zu einem schlaftrunkenen Menschen gehören. Diesen Widerhall hatte ich befürchtet. Aber vorwärts!
„Ich muss noch etwas loswerden."
„Das dachte ich mir schon."
Er war in Lauerstellung. Hatte den ganzen Tag darauf gewartet, dass ich sprechen würde. Angesichts seines Kommentars, machte ich mir wenig Hoffnung, jetzt noch den Eindruck von Beiläufigkeit hinterlassen zu können.
„Nur damit ich Platz in meinem Kopf habe, mich voll und ganz dem Fall zuzuwenden", hörte ich mich rechtfertigen. „Denn er fordert meine ganze Aufmerksamkeit."
„Spucken Sie es aus!"
„Das vorhin...."
„Ja?"
Zu forsch! So kam ich nicht weiter. Konnte er nicht einmal sein anderes Gesicht zeigen, wenn man es wirklich brauchte?
Wollte er mich wieder in Watte packen, dieses eine Mal hätte ich zu gerne angenommen.
Watson aber zeigte keine Nachsicht bezüglich meines Zögerns. Es war zu spät, um umzukehren.
„Also das mit der Zeit..., Sie sagten das vorhin so einfach. Das wir mehr davon bräuchten. Sie wissen schon... Zeit lässt sich berechnen, normalerweise. Aber diese hier nicht." Ich musste eine Pause einlegen, denn meine vorformulierten Sätze waren nicht länger abrufbar. Ich musste improvisieren. „Ich möchte, dass Sie eines wissen..., ich habe es versucht. Ich wollte diesen Drang nach der nächsten Nadel kontrollieren und als das nicht möglich war, kontrollierte er mich."
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Stufe um Stufe zu Schritt und Spur (Sherlock Holmes)
FanfictionEin Entzug. Und dazu, eine eher dramatische Schilderung von Holmes' und Watsons zwischenmenschlichem Durcheinander inmitten eines ermittlungstechnischen Miteinanders. Eine Entwicklung, geschildert aus wechselseitiger Perspektive. ...