SH:
Als ich erwachte, war das Nachtlager neben dem Meinen leer. Mein Rachen war von einem unangenehmen Kratzen befallen und meine Nasenschleimhäute fühlten sich leicht geschwollen an. Ich trat hinaus in die feuchte Morgenluft und sah Watson, geschäftig am Feuer hockend, mit schwarzem Pulver hantieren. Das musste der Kaffee sein, den er in einer der Blechkisten aufgestöbert hatte.
Er hielt den Kopf zu Boden gerichtet, aber seine lobenswert entwickelte, allzeite Aufnahmefähigkeit registrierte mein Näherkommen ohne hinzuschauen. So folgte ich seinem Beispiel und begab mich ans Feuer.
Über die hellen Flammen hinweg deutete ich einige Zeichen an ihm, die auf Übernächtigung schließen ließen. Auch ich reckte mir die Müdigkeit aus den Gliedern und gähnte verschlafen, aber das hielt ihn nicht davon ab, mich mit seinen Belangen zu konfrontieren.
Das abendliche Geschehen hatte er nicht so einfach weggesteckt. Ich sah seine eigenen Anklagen an sich selbst vor mir, als wären sie mir zugetragen worden. Watson war viel zu gutmütig für mich und diese Welt, um alles hinzunehmen. Hatte ich so einen Partner überhaupt verdient?
Eigentlich war das nicht richtig, dachte ich noch. Da erkannte ich, was es für ihn bedeuten musste,
nachdem wir kurz über uns gesprochen und ich ihm eindringlich nahegelegt hatte, er solle damit aufhören, sich selbst zu zermürben. So recht konnte er nicht davon ablassen.
„Nun, haben Sie auf dieser harten Pritsche Ihre Gedanken ordnen können?", fragte er mich dann.
„In der Tat. Der alte Bentlay hat uns durchschaut", hörte ich meine kratzig gewordene Stimme antworten.
„Ja, die Weisheit des Alters, damit hat er sich einen Namen gemacht", pflichtete mein Freund mir bei. „Er hat uns wohl nicht ohne Scheinheiligkeit hier rausgeschickt. In diese Einöde. Mit nichts als uns selbst im Weg", sinnierte er weiter, während er mir einen angeschlagenen Emaille Becher reichte. Ich kippte den Inhalt hinunter. Das heiße Gebräu schmeckte viel zu bitter und zu stark, aber es nahm den Schleier von den Sinnen. Meine Sinne drängten darauf, dem inneren Wanken zu widerstehen. Ich hatte in meinem dauerrotierenden Kopf aufgeräumt und ich hatte viel zu lange keine neue Spritze aufgezogen.
Letzteres war Watsons unwiederbringliche Botschaft in seiner Bedingung gewesen, die sich festgesetzt hatte und sich nicht beseitigen ließ. Zwei meiner konstanten Begleiter drohten, durch das Aufräumen wegzufallen. Entweder der eine oder der andere und ich befürchtete, ohne ihre tragende Funktion zusammenzubrechen. Mit, genauso wie ohne Gift. Was war also das kleinere Übel?
„Na, dann sollten wir ihm dankbar sein und wenigstens seine Auktionsware retten. Bis es soweit ist, habe ich die Vermutung, dass es heute ein wärmerer Tag als gestern zu werden verspricht", machte ich meinem Gefährten, der nun seine Hände gegeneinander rieb und hinein pustete, um der morgendlichen Kälte in ihnen entgegenzuwirken, etwas Hoffnung auf mildere Temperaturen. Er war nicht penibel, was solche Dinge anging, aber wenn er wählen konnte, zog er einen gemütlicheren Einstieg in unser Tagewerk seit jeher vor. Und dazu gehörte, darauf zu achten, dass man sich mit den Gegebenheiten wohlfühlte und ihnen gelassen begegnete. „Lassen Sie uns noch für eine Stunde aufs Ohr legen und dann gehe ich rüber in den Ort, diesmal auf dem kurzen Weg und ziehe Erkundungen ein."
„Ich komme mit."
Wir beendeten unser tristes Mahl, noch bevor ich den weiteren Plan festlegte: „Besser nicht. Einer allein fällt weniger auf." Als wir uns dann erhoben, warf ich ihm Wort für Wort zu: „Und ich habe Ihren Knöchel gesehen, Herr Doktor! Bei allem Respekt, aber Sie lahmen und sollten... sich... nicht... zu viel... zumuten!" Und ich kostete meine Bemerkung genüsslich aus. „Wir brauchen Ihre Füße noch, ein paar Stunden müssen allerdings reichen zur Wiederherstellung. Also pflegen Sie sie und lassen Ihnen Ihre Fürsorge zuteil werden, damit sie wieder standfest werden! Ich organisiere ein paar Utensilien für die Auktion und gebe mich nicht zu erkennen. Dann hole ich Sie ab."
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Stufe um Stufe zu Schritt und Spur (Sherlock Holmes)
FanficEin Entzug. Und dazu, eine eher dramatische Schilderung von Holmes' und Watsons zwischenmenschlichem Durcheinander inmitten eines ermittlungstechnischen Miteinanders. Eine Entwicklung, geschildert aus wechselseitiger Perspektive. ...