Er war wieder dort. Dort in dem Güterwagen, in dem Güterwagen an den er sich nicht erinnern konnte. Sollte er sich erinnern? War er jemals an einem solchen Ort gewesen? Jede Nacht träumte er von ihm. Er träumte wie er in einem Abteil stand, einen runden Schild in der Hand, und nach vorne starrte. Doch vor ihm war nichts, zumindest nichts was er erkennen konnte. Um ihn herum war alles verschwommen und doch war er sich sicher in einem Güterwagen zu stehen. Ebenso wie er sich sicher war, dass er dies schon einmal erlebt hatte. Irgendwo in ihm drin schrie ihn eine Stimme an und flehte, dass er sich erinnern sollte. Sie klang so verzweifelt, dass er sich gar nicht sicher war, ob er sich wirklich erinnern wollte. Wenn es in seiner Vergangenheit so schlimm gewesen war, wie es dieser Stimme anzuhören war, weshalb sollte er sich dann erinnern? Es ging ihm doch ganz okay, er trainierte den ganzen Tag und schlief dann am Abend ein.
Und doch wusste er, dass etwas fehlte. Er fühlte sich leer und alles wirkte so dumpf. Alles war so farblos und grau, tagein und tagaus. Dies war wahrscheinlich der Grund, weshalb er stehen blieb. Normalerweise versuchte er das verschwommene zu erreichen, in dem Wissen, dass er aufwachen würde, wie jedes Mal. Denn er mochte diesen Ort nicht und er hatte Angst mehr darüber herauszufinden. Und doch blieb er dieses Mal stehen und zwang sich bewusst dazu weiterzuschlafen. Vielleicht war es besser Schmerz zu fühlen als nichts zu fühlen. Zumindest versuchte er sich das einzureden. Er liess zu, dass sie Stimme in ihm weiter flehte. Er hörte ihr zu und versuchte herauszufinden wovon sie sprach. Seine Umgebung hatte er vergessen, nur noch die Stimme zählte.
Sie wurde nun lauter und schrie ihn regelrecht an. Und mit der Lautstärke stieg auch der Schmerz. Der Winter Soldier verkrampfte sich, zwang sich aber den Schmerz auszuhalten. Er würde nicht aufgeben, er war so nah dran. Und tatsächlich, er konnte einen kurzen Blick in seine Vergangenheit werfen. Er hatte nur einen kurzen Augenblick gesehen, doch das reichte. Ohne zu zögern rannte er los. Er wollte nur noch hier weg, weg von dem Schmerz, weg von der Trauer und weg von der Verzweiflung. Wie hatte er bloss je denken können, dass Schmerz besser sei als gar nichts? Die Stimme schrie immer noch. Sie schrie immer wieder denselben Namen. Steve.
Er rannte immer weiter und wollte nur noch aufwachen. Vielleicht war das alles nur ein Albtraum. Vielleicht würde er alles wieder vergessen, sobald er aufgewacht war. Doch er konnte nicht aufwachen. Normalerweise wäre er schon längst erwacht, normalerweise hätte ihn ein einziger Schritt in das verschwommene Nichts wecken können. Er hielt inne und liess sich zu Boden sinken. Ohne es zu merken, hatte er begonnen zu weinen und er konnte nicht mehr aufhören. Die Stimme schrie immer noch Steves Namen und er wollte einfach nur, dass sie aufhörte. Er wollte nichts mehr fühlen, er wollte das alles wieder vergessen. Verzweifelt schloss er die Augen und presste die Hände gegen seinen Kopf. "Sei leise, sei leise, sei leise, sei leise, sei leise! Sei leise! Sei leise!", nun schrie er, doch er konnte die Stimme nicht zum Verstummen bringen. Sie schrie einfach immer weiter diesen Namen, nicht mehr und nicht weniger. Doch es reichte um den Winter Soldier ausser Gefecht zu setzten. Denn mit diesem Namen war unglaublich viel Schmerz verbunden.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er wieder die Augen öffnete. Er war immer noch im Güterwagen, doch die Stimme war verstummt. Nein, verstummt war das falsche Wort. Es war mehr so, als wäre sie ein Teil von ihm geworden. Ein ständiges Flüstern in seinem Hinterkopf, ein ständiger schmerz in seinem Herz. Doch er kam damit klar. Noch wusste er nicht viel über die Bedeutung des Namens, noch schaffte der rationale Teil die Überhand zu behalten. Zumindest schaffte sie es wieder. Der Soldat sah sich um. Er konnte nun die Boxen an den Wänden erkennen und vor ihm befand sich eine geschlossene Tür. Der Schild in seiner Hand war jedoch verschwunden. Er drehte sich um und den anderen Teil des Wagens zu sehen und sofort wurde die Stimme in seinem Hinterkopf lauter. Eigentlich hätte er dazu lernen sollen, er hätte sofort wegrennen sollen. Trotzdem wagte er einen Schritt und einen weiteren. Und die Stimme wurde lauter, sie schrie wieder. Unbeirrt machte einen weiteren Schritt, irgendetwas zog ihn an. Die Tür vor ihm öffnete sich und zeigte einen blonden Mann. Der Soldat erkannte Steve auf den ersten Blick. Er machte einen weiteren Schritt und fiel plötzlich hinunter. Steve schrie einen Namen und auch er schrie. Wild ruderte er mit seinen Armen und versuchte irgendwie Halt zu finden, doch er hatte keine Chance.
Schreiend wachte er auf und schoss kerzengerade nach oben. Er war wieder in seiner Zelle, er hatte den Albtraum endlich verlassen. Doch entgegen seiner Hoffnungen waren die Erinnerungen, ebenso wie die innere Stimme immer noch präsent. Zu präsent. Und als er sich ein wenig umsah und langsam wieder zu Atem kam, stürzten die weiteren Erinnerungen auf ihn ein. Seine ganze Zeit bei Hydra kam zurück und mit ihm der ganze Schmerz. Doch mit den ganzen Erinnerungen kam auch der Winter Soldier zurück. Und bevor eine einzelne Träne den Augen des Gefangenen entkam, holte ihn das Nichts ein und es war stärker als je zuvor.
Mechanisch legte sich der Winter Soldier wieder zurück ins Bett und schlief ein. Den Schlaf würde er für sein weiteres Training brauchen.
Als Arnim Zola bemerkte, dass der Winter Soldier die Überhand gewonnen hatte war er ausser sich vor Freude. "Es ist gelungen! Der Winter Soldier wird nun endlich die Faust Hydras sein! Und Güterwagen wird das letzte Wort sein. Im Güterwagen fand das Ende seinen Anfang"
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The end
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Lost hope (Winter Soldier ff)
FanficSehnsucht, Verrostet, Siebzehn, Tagesanbruch, Schmelzofen, Neun, Gütig, Heimkehr, Eins, Güterwagen Erwarte Befehle! Eine Geschichte von Hoffnung die immer mehr verloren geht. Eine Geschichte von Widerstand, der schlussendlich doch nur Verderben bra...