Verbotenes Wunder

Kapitel 1

Menschen sind langweilig. Sie sind vorhersehbar. Liegt vielleicht daran, dass ich deren Schicksal schreibe. Sie denken, sie hätten einen freien Willen. In Wahrheit steht ihr Schicksal in meinem Buch. Fast wie Marionetten.

Ich trinke gerne Alkohol und werfe dann mein Geld in den Spielautomaten. So wie ich es gerade tue, in dieser Spielehalle. Weil ich das Schicksal des Automaten nicht kenne. Das ist für mich eine willkommene Abwechslung. Und es gibt mir einen gewissen Nervenkitzel.

Was der Herr wohl über mich denkt? Ich hatte schon immer eine Schwäche fürs Glücksspiel. Uns Schicksalsengel plagt eine unerträgliche Langeweile, wenn wir unter Menschen leben. Aber unerfreulicherweise ist genau das mein Auftrag. Denn der Herr hat mich zur Erde, genauer gesagt zu Revise City geschickt. Hier soll ich, einer der Schicksalsengel, der auf den Namen ‚Moira' hört, das Schicksal der Menschen schreiben. In mein Schicksalsbuch. Um auf der Erde nicht aufzufallen, werde ich eine Schule besuchen. Eine Mädchenschule natürlich, ich möchte ja kein unanständiger Engel sein. Morgen ist mein erster Schultag und ich fühle mich wie ein richtiges Schulmädchen. Oh man, schon wieder mein Geld verloren.

„Du blöde Blechbüchse, ich werde dich zerstören!" Nanu, was war das? Ein Mädchen, ein paar Meter von mir entfernt, hat plötzlich angefangen zu schreien. Sie sitzt vor einem alten Spielhallenautomaten, auf dem „Game Over" steht. Sie hat wohl verloren. Tatsache ist, dass jeder in der Spielehalle sie jetzt doof anschaut. Sie hebt ihren Hocker und will ihn gegen den Automaten werfen. Was zum Teufel tut sie da? „Moment mal. Ich soll das doch nicht machen" , flüstert sie zu sich selbst. Sie stellt den Hocker wieder hin und läuft in meine Richtung. Endlich kann ich sie von vorne sehen. Sie hat lange schwarze Haare, trägt eine rosa Kinder-Augenabdeckung mit Teddybären-Motiv. An den Fingern hat sie viele Pflaster. Und ihr nicht-abgedecktes Auge ist wie ein Portal in eine andere Welt.

Plötzlich fällt mein Schicksalsbuch aus meiner Tasche, die ich auf den Hocker neben mir gelegt habe. Gerade jetzt, was für ein Zufall. Das Mädchen hebt mein Buch auf. Sie gibt mir mein Buch und lächelt mich freundlich an. Nun hat sie die Spielehalle verlassen. Komischer Auftritt. Ich kann mich nicht erinnern, das geschrieben zu haben.