Wo bin ich? Es ist dunkel. Ich kann nichts sehen oder hören. Bin ich etwa tot? Ich will noch nicht sterben! Ayumi und ich haben doch noch so viel gemeinsam vor.
Was wird jetzt geschehen? Was kommt als nächstes? Passiert jetzt für immer einfach 'nichts'? Bedeutet es das, tot zu sein? Oder wird mich der Herr für meine Sünden bestrafen? Und überhaupt, wer war das Mädchen, dass mich angegriffen hat? Ich frage mich, ob der Herr sie geschickt hat, um mich zu töten. Sie kannte meinen Namen. Sie war kein normales Mädchen.
Plötzlich höre ich eine leise Stimme, die meinen Namen ruft. Das war... Das war doch gerade Ayumis Stimme! Wo ist sie? Und wo bin ich? Wenn ich versuche, die Augen zu öffnen, überwältigt mich das grelle Licht. Trotzdem schaffe ich es, sie zu öffnen und ich erkenne Ayumi und unser Klassenzimmer. Ayumi steht direkt vor mir. Die restlichen Schülerinnen sind nicht da.
"Lass uns endlich gehen, Moira. Wir haben schon seit zwei Stunden frei. Und ich möchte nicht ohne dich gehen."
Ach, ich habe geschlafen? Also habe ich das ganze nur geträumt? Aber es hat sich so real angefühlt. Der Schmerz, die Angst und Ayumis fassungsloser Blick. Ich schätze, es wäre das beste, die Sache nicht zu hinterfragen und mich stattdessen zu freuen, dass ich lebe.
"Oh nein, da fällt mir ein, ich habe ganz vergessen für die Schoko-Muffins, die ich heute backen wollte, einzukaufen! Tut mir leid, ich hätte das tun sollen, als du geschlafen hast.", sagt Ayumi aufgeregt.
"Ist doch nicht schlimm."
"Es tut mir wirklich leid, ich werde sofort einkaufen gehen. Ich will dir die Muffins unbedingt zeigen.", sagt sie und läuft daraufhin gleich los.
Wie kann sie sowas bloß so ernst nehmen? Das ist eines ihrer Eigenschaften, die ich nie verstehen werde. Die Süßigkeiten, die sie immer backt sind lecker, aber wenn es so weiter geht, bekomme ich bald Diabetes.
Hmm, was mache ich jetzt solange sie weg ist. Was hat sie zwei Stunden lang gemacht, als ich geschlafen habe? Es hat mal wieder angefangen zu regnen. Das Wetter ist in den letzten Tagen nicht so toll. Ich hoffe Ayumi hat ein Regenschirm mitgenommen. Wobei, sie ist nicht der Typ, der voraus plant. Hätte ich vorher gewusst, dass es regnen wird, dann hätte ich ihr das Einkaufen ausgeredet. Aber ich bin kein Schicksalsengel mehr, der die Zukunft kennt.
Ich schätze, mir bleibt nichts anderes übrig, als in die Bibliothek zu gehen, bis der Regen aufhört. Vielleicht finde ich ja ein spannendes Buch.
Es wird bereits langsam dunkel. Ich laufe durch das Schulgelände zur Bibliothek. Es ist leer und unheimlich. In der Bibliothek ist ebenfalls niemand. Es ist schon ein komisches Gefühl, die Schule allein für mich zu haben. Ich stehe nun zwischen den Bücherregalen und suche nach einem interessanten Buch.
Schicksal, Bestimmung, Tod. Überall sehe ich Themen, die mich betreffen. Was soll das? Ich will es einfach vergessen. Lieber schnell zu einem anderen Regal.
Auf einmal steht die neue Schülerin vor mir. Das Mädchen, das eigentlich nur in meinem Traum existieren sollte.
"Das war kein Traum, Moira. Nun schreibe ich dein Schicksal und ich habe dich hierher geholt.", sagt sie mit erhabener Stimme.
"Was willst du von mir?", frage ich nervös.
"Du hast Gott verraten. Der Herr will dich sprechen. Du bist nicht in der Traumwelt erschienen, deshalb ist es meine Pflicht, dich zu ihm zu bringen.", erklärt sie mir.
"Ich will nicht zu ihm! Ich will mit dem ganzen nichts mehr zu tun haben. Ich will nicht über das Schicksal anderer Menschen bestimmen. Das einzige was ich will, ist, meine Zeit mit Ayumi zu verbringen. Bis zu dem Tag, an dem wir irgendwann mal sterben.", sage ich laut.
"Das kannst du nicht. Du bist ein, nun gefallener Engel. Du wirst für deine Sünden büßen müssen. Aber ein normales Leben wirst du niemals führen.", möchte sie mir weiter erklären.
"Ich gehe nicht zurück in den Himmel.", sage ich als letztes und werfe ein Bücherregal zwischen uns um, sodass ich Vorsprung beim Wegrennen habe.
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Verbotenes Wunder
FantasyMoira, ein Schicksalsengel, bekommt vom Herren einen Auftrag. Sie soll das Schicksal der Bürger einer Kleinstadt namens Revise City schreiben. Menschen sind langweilig. Ihre Handlungen sind vorhersehbar. Sie denken, sie seien frei, dabei folgen sie...