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"Hey. Ich bin's. Ich weiß wir haben uns schon lange nicht mehr gesprochen. Seitdem ich weg bin, um genau zu sein. Und du hast wahrscheinlich sowieso eine neue Nummer, aber ich bin wieder in der Stadt.

Unserer Stadt.

Unserer "Heimat".

Heimat? Das war es doch nie. Oder?

Ich erinnere mich daran, als wir uns immer um Mitternacht trafen und darüber fantasierten wie unser Leben sein wird. Weit weg von hier.

Ich bin gerade an dem kleinen Schnick-Schnack-Laden vorbei gekommen. Weißt du noch, als wir eine Flasche Sonnencreme gestohlen haben? Wir haben die Creme in eine leere Wasserflasche umgeschüttet und in die eigentliche Flasche Schlagsahne eingefüllt. Dein Bruder war davon nicht so begeistert, aber wir hatten einen Heidenspaß.

Du fragst dich bestimmt warum ich wieder hier bin. Um ehrlich zu sein, keine Ahnung.

Ich stehe vor deinem alten Haus. Es sieht nicht so aus, als wärst du hier. Es ist... irgendwie... zerfallen?

Und die Tür steht weit offen.

Oh, wow. Ihr habt die Tapete in der Küche gewechselt.

Und... die Steckdose im Badezimmer ist pink? Ich nehme an, dass das deine kleine Schwester war. Gott wie ich sie vermisse.

Und wie ich dich vermisse.

Ich habe dir nie erzählt warum ich weg bin. Einfach verschwunden. Poof.

Du meintest ich soll meinen Träumen folgen. Und das habe ich.

Ich habe ein paar Klamotten eingepackt und meinen wichtigsten Besitz; aus dem ich dir so oft vorlas.

Meinen Ordner der Ideen. Geschichten. Romane. Gedichte. Songs.

Ich habe viel geschrieben und als Kellnerin in einem Restaurant gejobbt und dann an einen Verlag gewendet. Demnächst wird mein drittes Buch veröffentlicht. Für den ersten Band hat der Dreh eines Films schon begonnen. Das Filmset ist nicht ganz so wie ich es mir vorgestellt habe, aber der Regisseur versucht nah an der Story zu bleiben. Dafür bin ich ihm wirklich dankbar.

Im Übrigen.

Es ist deine Lieblingsgeschichte.

Ich finde es immer noch lustig, dass an dieser einen Wand in eurem Keller das Wort "Wäschekorb" mit roter Farbe hin gepinselt wurde. Aber er steht dort gar nicht mehr. Es war also doch eine gute Idee die Treppen runter zu laufen und nicht durch den Wäscheschacht zu rutschen. Wie damals. Ich habe mir wegen dir und deiner blöden Pflicht meinen Knöchel verstaucht.

Ich stehe jetzt vor deiner alten Zimmertür. Und habe Angst, weil ich nicht weiß was mich erwartet.

Einatmen.

Eins.

Zwei.

Drei.

Vier.

Fünf.

Sechs.

Sieben.

Acht.

Neun.

Zehn.

Ausatmen.

Und rein.

Es riecht immer noch nach dir. Ich mochte deinen Geruch schon immer.

An den Wänden sind keine Bilder mehr.

Und das Fenster ist eingeschlagen.

Ich erinnere mich an die Nächte, in denen es gewitterte, aber nie auch nur ein Tropfen Regen zu Boden fiel. Erinnerst du dich an die Faustregel für die Entfernung eines Blitzeinschlages? Der Abstand von Lichtblitz und Donner beträgt ungefähr die Anzahl der Sekunden geteilt durch Drei in Kilometer. Das hat sich in mein Gehirn gebrannt.

Ich frage mich... Wow. Du hast es hier gelassen. In unserem Geheimversteck. Aber warum? Warum hast du dein Tagebuch hier gelassen? Hast du es vielleicht einfach nur vergessen? Oder wolltest du wohl, dass ich es finde, falls ich jemals zurückkommen sollte? Ich weiß, ich sollte es nicht durch stöbern, aber du hast mich immer an deinen Gedanken Teil haben lassen.

Du hast es immer noch. Das Bild von mir bevor ich ging. Es war ein wundervoller Tag. Ich wirke so unbeschwert, obwohl ich von so vielen Selbstzweifeln geplagt war. Ich rufe mir jeden Tag deinen Kommentar ins Gedächtnis: "Es ist mir egal, was du trägst oder wie du aussiehst. Ob in diesem zerfledderten Kleid oder nackt wie du geboren wurdest. Ob mit braunen Locken oder kahlem Kopf. Solange du an meiner Seite bist mit deinem wunderschönen Lächeln und diesem Schimmer in den Augen, weiß ich, dass es sich zu leben lohnt. Zu kämpfen lohnt. Zu lieben lohnt."

Und das war der zweite und weitaus wichtigere Grund warum ich ging. Du hattest so viel Hoffnung in dir. Hast sie wahrscheinlich immer noch. Du warst immer optimistisch.

Und ich? Diese Stadt hat mich zerstört. Die Menschen hier haben mich zerstört. Diese eine verdammte verhängnisvolle Nacht hat mich zerstört.

Ich war zerbrochen.

Kaputt.

Irgendwie tot.

Aber ich konnte es nicht zulassen, dass diese Leblosigkeit auch dich mit sich zieht.

Du hast immer erstrahlt. Wie hätte ich meine Dunkelheit über dich kommen lassen dürfen?

Gar nicht.

Also bin ich gegangen.

Und es tat weh. Das tut es immer noch.

Im Nachhinein hätte ich dir davon erzählen sollen. Du kanntest mich so gut. Du hättest eine Lösung gefunden. So wie du es immer tatest. Du hättest dir erst einen Kakao gemacht und dann Gitarre gespielt, weil das "die beste Art war, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen", meintest du.

Ich bereue es so sehr gegangen zu sein.

Bitte vergib mir.

Aber... weißt du was?

Eines hat sich in all diesen Jahren nicht geändert.

Denn ich tue es immer noch.

Ich liebe dich."


"Ich liebe dich auch."



~Nana

Zehn?! Los geht's!Where stories live. Discover now