Chapter 9

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Damons Sicht

Gelangweilt hatte ich meine Beine übereinander geschlagen und kaute auf meinem Kugelschreiber herum.
Das hatte Dämon sein, so an sich: Mit unseren bloßen Zähnen schafften wir es tatsächlich, Metall zu zerkauen.

Wer hätte gedacht, dass Mathehausaufgaben in der Hölle genauso ätzend sind, wie "zu Hause"? Gerade als ich beschloss, mit der wirklich unlösbaren Variable ein ernstes Wörtchen zu reden, durchdrang ein kreischendes Geräusch die angenehme Stille. Seufzend stand ich auf, legte das verbleibende Stück Metall auf meinem Tisch ab und überstreckte meine Finger, um meine Krallen zum Vorschein zu bringen.

"Komm sofort her!" Brüllte mein Onkel mit einer solch erschütternden Stimme, sodass ich mich auf den Weg nach unten machte. In diesem Haus gab es, anders als sonst, keine Treppen. Dort, wo sie sich in normalen Haushalten befinden, war jetzt ein ausgehobener Boden, also ein großes Loch, welches manche als lebensgefährlich bezeichnen würden. Ich allerdings liebte es, mich von einem beliebigen Stockwerk dieses Hauses, in die Arme der Luft zu legen und den Weg nach unten zu fliegen.

Als ich keine Sekunde später sanft auf dem gläsernen Boden aufkam, richtete sich mein Blick auf die rote, brodelnde Flüssigkeit unter dem Glas: Lava. Tja, die Klischees der Hölle scheinen wahr zu sein. Ich stieß die dicke Steintür zum "Wohnzimmer" auf und ging auf eines der viel zu dicken Granitsofas zu. Schon unglaublich, wie der Schall in diesem Haus, trotz der scheinbar undurchdringbaren Türen weitergeleitetet wurde.

Grundsätzlich hatte mein Onkel sein ganzes "Haus" mit Stein, Keramik, Porzellan, Metall, Stahl oder Granit eingerichtet, da Materialien wie Leder, Holz, Leinen oder Samt, Feuer fangen würden. Sehr vorausschauend.
"DAMON!!!"
Die klare Stimme an meinem Ohr beendete meinen Gedankenfluss.

Mein Onkel war... Nun ja... Er verkörperte in der Welt der Sterblichen den Teufel. Luzifer. Es ist ein ziemliches Durcheinander in unserem Familienstammbaum und ich konnte bis heute nicht verstehen, wie ich auf die dunkle Seite und damit auch auf die Dark Academy gewechselt sein sollte, aber es war Realität und das dunkle Blut fließ nunmal durch meine Adern.

"Schön, dass du aus deinem Mittagsschlaf erwacht bist, Luz..."
Mein Onkel guckte mich so wütend an, dass ich schon Angst hatte, die Zornfalte, zwischen seinen perfekt geschwungenen Augenbraunen, würde für immer bleiben.
"...Onkelchen!" Verbesserte ich mich daher. Da sich sein Gesichtsausdruck die nächsten Jahrhunderte wohl nicht ändern würde, beschloss ich, es für das erste darauf beruhen zu lassen und setzte mich in den Ach-So-Bequemen Granitsessel. Die Kälte und Härte eines solchen Möbelstücks ließ mich schon lange nicht mehr erschüttern.

"Ich habe Wichtiges mit dir zu besprechen, mein Neffe!" Die letzten Worte spuckte er förmlich aus sich heraus.
"Was gibt es denn?"
Meine Muskeln spannten sich an, als er meine Krallen bemerkte.
"Ein sehr wichtiger Auftag erwartet dich, entäusch mich bloß nicht!"
Das liebte ich so an ihm, immer wenn er mir einen "Auftrag", welcher häufig aus Mord bestand, erteilte und mir nicht mal sagte, worum es überhaupt ging.
"Was ist es diesmal?"
Seufzend fuhr ich mir durch meine Haare. Er musterte mich kritisch.
"Es geht um Lucia.."
Wie hilfreich er doch war. Wie viele Lucias gibt es auf dieser Welt? Genau, Tausende.
"Stell dich nicht dümmer, als du bist, Damon."
"Tu ich gar nicht, aber ehrlich: Lucia?! Was sollte mir das sagen?"
"Ich hoffe doch sehr, dass dir der Name etwas sagt! Damon! LUCIA!"
"Stell dich doch nicht so an und sag mir, wer das ist, verdammte Scheiße!"
Langsam wurde auch ich wütend.
"Tzz. Jugend und Allgemeinwissen..." Als ich ihn warnend anguckte, holte er tief Luft.
"Lucia, die wichtigste Figur in unserem Kampf gegen die guten Mächte. Lucia, von Natur aus böse und gefährlich und zwar seit sie unter uns weilt. Lucia, mit Abstammung von...?" Er deutete mit einer Geste auf sich selbst.
"...Luzifer, also mir."
Ein Schalter in meinem Kopf legte sich um und ein fertiges Bild von dieser Person, die ich so bemitleidete, fügte sich zusammen.
"Und was genau soll ich mit ihr machen?" In meinem Kopf spukten falsche Gedanken. Definitiv.
"Duuu, Damon... Musst ihr Vertrauen gewinnen, sie ohne Schmerzen hier her bringen, dort, wo sie hingehört, nach Hause."
Ihr Vertrauen gewinnen also. Schon jetzt tat sie mir so unglaublich doll leid. Genau das, was ihr bevorstand, hatte ich auch schon erlebt.
"Und wie soll ich das anstellen?"

Bei meinem lieben, herzlichen Onkel war es immer gut, viele Fragen zu stellen, damit er sich sehr allwissend, wichtig und vor allem: gebraucht fühlt. Man würde das nicht vermuten, aber Luzifer war, wenn man ihn länger kannte, gar nicht so gefühlskalt, emotionslos und durch und durch "böse", wie es schon in der Bibel niedergeschrieben war. Allerdings kämpfte er jede Sekunde, mit jeder Faser seines Körpers, gegen eine Person an, die ich liebte, die mir wichtig war, die Familie war. Schließlich war ich nicht freiwillig hier.

"Ach Damon. Du bist ein gutaussehender junger Mann. Deine einzige Aufgabe ist es lediglich, das Vertrauen einer ebenso charakterstarken jungen Frau zu gewinnen. So schwer kann das doch nicht sein!"

Doch wie sich im Späteren herausstellte, waren meine Augen nicht ganz so vertrauenswürdig und ehrlich, wie der Teufel hoffte.

Adventsspecial 1.1

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