Es war Tag Nr. 2 — und somit auch der vorletzte meiner Schulverweisung. Die ganzen Aufgaben von gestern stapelten sich bereits auf meinem Tisch, doch ich hatte besseres zutun.
Erst duschte ich lang und gönnte mir eine Gesichtsrasur, weil Pia mich gestern indirekt darum gebeten hatte und was soll ich sagen — sie hatte recht. Die Stoppel mussten dringend weg.
Mit einer Gesichtshaut so weich wie ein Babypo war ich dann in die Küche getrottet und briet mir leckere Spiegeleier. Währenddessen zählte ich die Tage, an denen ich meinen Dad nun nicht mehr gesehen hatte, obwohl wir im selben Haus wohnten und seufzte.
Während ich aß zog ich mir eine Folge Dexter rein und beendete somit die 5. Staffel. Das Leben konnte schön sein. Meines war es vielleicht nicht, aber wie gesagt — es konnte. Ab und zu.
Es dauerte nicht lange, bis mein Handy klingelte. Fast schon grinsend ging ich ran, ohne den Anrufer zu checken und verdrehte innerlich die Augen. „Na, Amor?"
„Es tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber ich bin's", hörte ich Elaine gruselig neutral sagen und schluckte schwer. Das Grinsen auf meinem Gesicht flüchtete nach Amerika, als ich ihr leises Seufzen hörte.
„El?", ich stockte und verfluchte mich kurz, weil ich mit dem Spitznamen angekommen war. Nervös versuchte ich meine Unruhe zu verbergen und schob langsam meinen Teller von mir weg.
„Lust auf ein Date?"
Damit warf sie mich nun völlig aus der Bahn, obwohl Amor mich ja eigentlich bereits auf Ähnliches vorbereitet hatte. Die Betonung lag auf ähnliches. „Ein... Date?"
Sie kicherte plötzlich. „Zu früh?"
Ich stockte nur und ließ meinen Blick verloren durch die Küche gleiten. Meinte sie das ernst? Vermutlich nicht. Aber was soll's. „Wann und wo? Ich hole dich ab."
Das wiederum schien sie zu überraschen. Es herrschte kurz Stille, bevor sie zu murmeln begann. „Ich stehe vor deiner Haustür."
Ich zog die Augenbrauen hoch und stand reflexartig auf. Sie nahm zittrig Luft und seufzte erneut. „Ich sterbe."
Den nächsten Satz stammelte sie mir auch schon ins Gesicht, da ich bereits die Tür aufriss: „Es ist so verdammt kalt."
Schnell huschte sie an mir vorbei und packte ihr Handy weg. Erschaudernd ließ sie die Wärme unseres Hauses auf sich wirken, bevor sie aus ihren Schuhen schlüpfte.
„Du hättest auch einfach klingeln können", erwiderte ich und schluckte schwer. Keine Ahnung, wie genau Elaine sich noch daran erinnerte, aber mein Gehirn hatte gerade riesigen Spaß dabei, unseren Streit von vor ein paar Tagen nochmal in meiner Birne abspielen zu lassen.
„Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen", gab sie nur sarkastisch zurück und grinste plötzlich. „Also, Carter... Bevor ich jetzt nach oben laufe und mich auf dein Bett schmeiße, als sei nichts gewesen, will ich...", ein kurzes Seufzen, „...möchte ich mich aufrichtig bei dir entschuldigen."
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch und musterte sie schweigend.
„Es tut mir leid, dass ich all den gemeinen Mist gesagt habe. Ein Teil davon ist zwar mehr als wahr, aber das alles hatte gar nichts mit dem zutun, was eigentlich Sache gewesen ist. Ich habe mich zu sehr geschämt, um zugeben zu können, dass ich mir eine andere Reaktion von dir erhofft hatte..."
Niemals hätte ich auch nur in einer Millionen Jahre erwartet, dass Elaine das E-Wort aussprechen würde. Aber da stand sie tatsächlich, unterbrach die Stille zwischen uns mit einer Entschuldigung und hielt dabei nichtmal ein Würgen zurück.
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Borderline
Teen Fiction„Wenn deine arme Seele diese Zeilen gerade liest und es vor Neugier auch nicht sofort wieder sein lassen kann, wird sie schon bald all meine armseligen Probleme und Sorgen kennen. Du wirst merken, dass mein eisernes Schweigen der lauteste Schrei me...