❊ Kapitel Zwei: Erwachen ❊

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Als ich mich damals in den Smaragdgrünen Traum begeben hatte, hatte ich meinen Körper in einem komatösen Zustand zurückgelassen. Jahrhunderte lang lag er gebettet in einer großen Höhle. Diese bestand aus vielen, unterirdischen Gängen, in die keinerlei Licht fiel. Doch das fehlende Licht störte uns Nachtelfen nicht im geringsten.

Das Erste, was ich wahrnahm, war eine unangenehme Kälte die meinen Körper in besitz genommen hatte. Doch ich spürte nicht nur Kälte, sondern auch eine angenehme Wärme und das Gefühl, als würde sich etwas an meinen Oberkörper kuscheln. Faerie...
Meine Kehle fühlte sich unglaublich trocken an und jeder Atemzug reizte meinen Hals. Schließlich kehrte ich so weit in meinen Körper zurück, dass ich nun auch meine Augen blinzelnd öffnen konnte. Es drang nur wenig des künstlichen Mondlichts in die Nische, in der ich mich damals zur Ruhe gebettet hatte, weshalb sich meine Augen schnell an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnten.
Die Wärme die ich spürte, kam tatsächlich von Faerie, der meinen Körper bereits gefunden hatte. Er lag an meinem Körper gekuschelt und wachte über meinen Schlaf.
Ich lächelte und strich vorsichtig über den Kopf des Wesens. Faerie regte sich und öffnete träge die Augen, nur um sogleich aufzuspringen und seinen Kopf gegen meine Wange zu drücken.
"Ja." hustete ich. "Ich habe es geschafft." Gott, ich musste dringend etwas trinken!

Ich wandte meinen Kopf zur anderen Seite und befeuchtete meine Lippen mit der Zunge. Jemand hatte meine Ruhestätte die Jahre über gepflegt. Ein leicht durchsichtiger Stoff hing vor meiner Nische. Ich selbst lag auf einem dicken Teppich Moos.
Träge rollte ich herum und fiel aus der kleinen Nische in den Gang der Höhle. Dabei fiel mein erster Blick auf die Quelle, die durch das ganze Höhlensystem geleitet wurde, nur wenige Meter entfernt. Wasser! 
Sofort rappelte ich mich auf und schleppte mich zu der Quelle. Dort angekommen fiel ich auf die Knie und tauchte meine Hände in das kühle Nass, nur um sie zu einer Schale geformt an meine Lippen zu führen. Gierig nahm ich die kalte Flüssigkeit in mich auf, solange bis der Durst den ich verspürte, nach und nach abebbte.
Schließlich betrachtete ich mich im Spiegelbild des Wassers und gab mich dem verlangen hin, mich flach auf den Boden zu legen und mein Gesicht unter Wasser zu tauchen. Dieses prickelte auf meiner Haut und ich spürte, wie der Schmutz sich langsam löste, während meine Haare um mein Gesicht tänzelten.
Es war ein unglaublich schönes, freies Gefühl. 

Als ich schließlich wieder auftauchte, bemerkte ich das Faerie mich die ganze Zeit beobachtete. "Warst du schon bei Corvass und hast ihm mitgeteilt, dass ich es geschafft habe?" fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. Faerie schüttelte nur energisch den Kopf, machte sich jedoch gleich auf den Weg. Fasziniert sah ich ihm dabei zu, wie sein Körper sich auflöste, nur um direkt in die Traumwelt überzugehen.

Ich beschloss, die Zeit die mir allein blieb darin zu nutzen mich ausgiebig zu waschen und erst als Faerie zurückgekehrt war, machte ich mich daran den Ausgang zu finden. Dies stellte sich jedoch als schwieriger heraus als gedacht, denn die Höhle war in all den Jahrhunderten vergrößert worden. Eine Abzweigung führte zur nächsten, weshalb ich mir eher vorkam wie in einem Labyrinth.
Einzig und allein das künstliche Mondlicht, welches von Elunes Priesterinnen erschaffen worden, erhellten die Wände. Erst bestanden die Wände aus nichts weiter als aus kahlen Stein und Erde, doch je höher ich stieg, umso grüner wurde es. Einige Pflanzen und Pilze hatten es die Jahre über geschafft hier zu überleben und zu gedeien. Besonders belebt war es an der Quelle, die durch die ganze Höhle führte.

Kurz fragte ich mich, ob ich Corvass auch hier in dieser Höhle finden würde, aber das wäre wohl eher unwahrscheinlich. Es gab wahrscheinlich inzwischen mehr als tausend solcher Höhlen. Gerade als ich wieder zu einer Abzweigung kam entdeckte ich in einem Gang eine junge Elfe.
"Verzeihung!" sagte ich, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Die Elfe wirkte noch recht jung. Sie hatte feine Gesichtszüge, die an eine Puppe erinnerten und ihre langen schneeweißen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten. Nur einzelne Strähnen umrahmten ihr feines Gesicht. Sofort überkam mich das Verlangen sie beschützend in den Arm zu nehmen.
Die junge Druidin sah mich einen Augenblick verwirrt an, doch nachdem sie mich von oben bis unten gemustert hatte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, dass ich aus meinem Schlaf aufgewacht sein musste.
"Wieso seit Ihr allein?" fragte sie sogleich verwundert und trat auf mich zu. Ich runzelte nur die Stirn. Was sollte denn die dämliche Frage? Obwohl ich zugeben musste, dass ein Höhlenführer wirklich etwas praktisches gehabt hätte.
Ich antwortete schließlich mit einer Gegenfrage "Könntet Ihr mir bitte den Ausgang aus diesem Labyrinth hier zeigen?" bat ich und war unglaublich froh, als die junge Elfe gleich einwilligte.

Die Wächterin von G'HanirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt