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                  „Verlorener Name"

„Es tut mir furchtbar leid, Cyril, ich -", setzt Carolina an, die Hände abwehrend vor die Brust angehoben.
An dem rechten Arm gepackt wird sie über die Türschwelle gezogen, hinter ihr das Holzbrett in sein Schloss geschlagen. Den linken Zeigefinger über ihre Lippen gelegt zischt der Mann: „Ich habe dir bereits hunderte Male gesagt, dass du mich nicht mehr so nennen darfst. Wir können von Glück reden, dass Edith mit unseren Kindern die ganze Woche verreist ist und dass sie dich dadurch nicht hören kann."

Ein Paar eisblauer Augen blickt sie mit kaltem Blick an, über diesen sind die vollen Augenbrauen kaum merklich zusammengezogen. Nervös beißt er sich auf die untere Lippe, die obere, am Rand von kleinen, rötlichen Punkten geschmückt, verdeckt seine Zähne. Die eingefallenen Wangen scheinen nicht mehr so eingefallen wie letztes Mal zu sein, im Ganzen sieht der Mann gesünder aus, abgesehen von der scharfen Unterkieferlinie, die sein kantiges Gesicht deutlich von dem breiten Hals abgrenzt.

„Entschuldige bitte meinen Fauxpas", murmelt die Frau, die Worte triefend mit Sarkasmus, und verdreht die Augen, „du musst verstehen, dass es für mich eine schwierige Umgewöhnung ist, Cillian."

Augenblicklich verschwindet der harte Gesichtsausdruck ihres Gegenübers, Trauer ersetzt diesen. Statt seines Griffes um ihren Oberarm beginnt er, über ihre Schulterblätter streichen. Beinahe unmerklich nickt er und stimmt ihr zu: „Für mich war es anfangs ebenfalls nicht leicht."

„Wie geht es dir? Unser letztes Treffen ist leider schon lange her", wechselt Carolina das Thema und streift den Mantel ab, ohne zu zögern wird ihr dieser abgenommen und anschließend auf einen Kleiderhaken gehängt.

Die linke Hand des Mannes, die flach auf ihrem unteren Rücken platziert wurde, führt sie durch den Eingang des Hauses, geradewegs in den großen Raum, der die Familie in ihrer freien Zeit zusammenführen soll. Währenddessen fährt er sich mit den freien Fingern durch die dunkelbraunen, mit einem ordentlichen Schnitt gezähmten Haare, um diese von der morgendlichen Wirre zu befreien. Mit einer ausladenden Geste bietet er ihr den Sitz mitten auf dem weich gepolsterten Sofa, das an eine der vier Wände geschoben wurde, an.

Erst, als sie sich niedergelassen hat, antwortet er: „Ich wollte dich soeben dasselbe fragen. Mir geht es gut, danke der Nachfrage, aber du siehst nicht gänzlich wohlauf aus."

„Ich dachte, dass mir deine Fürsorge erspart bleiben würde", stellt Carolina leise lachend fest, während sie den Kopf schüttelt, „heute morgen bin ich wieder vor Elliot geflohen."

Cillian, der sich mittlerweile in dem breiten Sessel schräg rechts vor der Frau niedergelassen und sich entspannt gegen die Polsterung gelehnt hat, setzt sich augenblicklich bei der Erwähnung ihres Mannes kerzengerade auf, seine Finger krallen sich fest in die Lehnen. „Was hat er dir dieses Mal angetan? Seit wann besitzt du blaue Flecken entlang deines Schlüsselbeins?"

„Es gibt keinen Grund zur Unruhe, Cyril", beginnt Carolina zu reden, unterbricht sich jedoch selber, nachdem ihr der Name unbemerkt über die Zunge gerollt ist.

Erschrocken schlägt sie die rechte Hand über den Mund, die Augen weit aufgerissen. Nach einigen Wimpernschlägen lässt sie den Arm wieder senken und setzt fort: „Natürlich meine ich Cillian. Du musst dich nicht beunruhigen lassen, Cillian, diese kleinen Blutergüsse gehören schon lange zu meiner Ehe. Länger, als du wieder in deiner Heimat sesshaft bist."

Der zynische, bittere Unterton, der in ihrer Stimme mitgeschwungen ist, bleibt dem Mann nicht unerkannt, durch sein kurzes Lachen lockern sich seine Finger wieder um den teuren Bezug des Sessels. Wie in Zeitlupe lässt er sich wieder nach hinter fallen und schlägt das rechte Bein über das linke.

French Girls / h.sWhere stories live. Discover now