Keller

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"Du könntest nicht zufällig schauen, ob im Keller noch ein wenig Tiefkühlgemüse ist, oder?", rief Palle aus der Küche. Er kochte etwas für seine Eltern, welche sich zum Abendessen bei uns angekündigt hatten.
"Muss ich?", sagte ich widerwillig und erhob mich von der Couch, "Du weißt genau, dass ich es hasse, in den Keller zu gehen."
Vorsichtig schlich ich mich zu ihm in die Küche und schlang von hinten meine dürren Arme um seinen Körper, weshalb er kurz zuckte und danach kicherte.
"Ach Manu", erwiderte er und drehte sich in meinen Armen zu mir um, "Ich verspreche dir, es wird nichts passieren. Es kann gar nichts passieren, schließlich bin ich da. Und ich werde alles geben, um meinen kleinen Manuel zu beschützen. Versprochen."
Er legte seine Lippen gefühlvoll auf die Meinen und strich dabei durch meine Haare. Lächelnd erwiderte ich den Kuss unter sanftem Kribbeln in meinem Bauch. Ich liebte es, ihn zu küssen, doch leider löste er sich viel zu schnell.

"Wärst du so freundlich?", lächelte er.
"Wieso gehst du nicht? D-dann mache ich hier schnell weiter", nervös deutete ich auf den Herd und sah verlegen zu Boden. Ich wollte wirklich nicht in den Keller.
"Manu.. Es ist okay, alles ist- Oh Gott!", unterbrach er sich selbst, da die Fischstäbchen anbrannten. Schnell drehte er sich zurück zum Herd und kümmerte sich darum: "Lass einfach die Tür auf, okay? Dann höre ich dich, und du hörst mich. Dir wird nichts passieren, Süßer. Vertrau mir!", lächelte Palle und warf mir einen Luftkuss zu, als ich bereits in der Tür stand.
Augenrollend stieg ich die Stufen in den kalten, dunklen Keller herab und zuckte sofort zusammen, als ein lautes Klimpern ertönte.
"Mein Fehler!", schrie Palle runter, "Mir ist der Löffeln runtergefallen!"

Mein Herz schlug höher, meine Beine begannen zu zittern. "Okay, Manu. D-du kannst das", sprach ich mir selbst Mut zu und setzte tapfer einen Fuß vor den Anderen, "Es ist alles okay, dir passiert nichts. Hier ist niemand, und es wird auch niemand hier sein. Es ist vorbei, du bist sicher."
Ich trat hinter eine Wand des Kellers und zuckte sofort zurück, ich lehnte mich schützend an die kalte Mauer hinter mir und atmete beruhigt durch. An der Wand vor mir war eine Jacke gehängt worden, was mich erst glauben ließ, Jemand würde dort stehen. Ich atmete erleichtert aus. Diese Jacke musste ich dringend von hier weg hängen.
Seit dem Vorfall vor einem Jahr, war ich paranoid geworden. Seit meiner Entführung.

Vor etwas mehr als einem Jahr bekam ein Mann mit, dass Palle das Glück hatte, im Lotto gewonnen zu haben. Sein Name war Mark Herbauer. Wir konnten unser Glück selbst kaum fassen und wollten gemeinsam eine Weltreise machen. Patrick und ich, gemeinsam. Wir wollten unser Einjähriges feiern, wir waren ein Jahr zusammen.

Als Mark gesehen hatte, wie Palle das Haus verließ, brach er bei uns ein, schlug mich bewusstlos und brachte mich zu einem fremden Ort, einem Keller. Alles, was er Palle hinterließ, war seine Nummer und die Aufforderung, ihm 2 Millionen Euro zu bringen. Palle hatte drei Tage Zeit, ehe er mir etwas angetan hätte. Eine Woche, ehe er mich umgebracht hätte.

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so hilflos und wehrlos gefühlt, wie in dieser Zeit. Das schlimmste jedoch war, dass ich nicht wusste, ob Palle überhaupt kommen würde. Ich wusste nicht, ob die Weltreise schon bezahlt worden war und wusste somit nicht, ob er die Möglichkeit hatte, mich zu befreien.
Ich war an einen Holzstuhl gefesselt, Arme und Beine. Mein Mund war nicht zugeklebt, wie in sonst jedem Film. Er sagte, es würde sowieso nichts bringen, zu schreien. Der Keller sei zu weit weg von jeglicher Zivilisation.

Palle traf sich mit dem Kerl, und hatte zum Glück die Möglichkeit, ihm das Geld zu geben. Er brachte ihm das Geld, und bekam danach die Adresse des Kellers, in welchem ich eingesperrt war.

Noch nie hatte ich meinen Freund so wütend gesehen. Noch nie sahen seine Augen so verweint aus, wie an diesem Tag. Er musste die ganze Zeit durchgängig geweint haben, als ich weg war. Auch wenn ich der jenige war, der entführt wurde, tat Patrick mir unglaublich leid. Ich wollte nicht wissen, was mein Freund durchmachen musste.

Er löste meine Fesseln vor Freude weinend und ehe ich aufstehen konnte, schlang er seine Arme um mich und hätte mich beinah erdrückt. Auch ich fing an, zu weinen. Ich weinte, weil ich glücklich war, Palle im Arm zu halten. Weil ich sauer auf mich war, den Mistkerl nicht aufgehalten zu haben. Weil ich traumatisiert war. Weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, dass Palle so viel Geld für mich ausgeben musste.
"Für dich würde ich mein Leben geben, zwei Millionen Euro sind dagegen nichts", antwortete er, als ich ihm von meinem schlechten Gewissen erzählt hatte. Das machte es allerdings nur halbwegs besser.

Ich war überglücklich, ihn zu sehen und ihn im Arm halten zu dürfen. Ich fühlte mich das erste Mal wieder geborgen und sicher.
Seitdem ließ Patrick mich nicht mehr aus den Augen, wofür ich ihm sehr dankbar war. Nächtelang lag ich wach, aus Angst, er würde wieder kommen. Es gab Zeiten, in denen machte ich kein Auge zu und weckte den neben mir schlafenden Palle mit meinem Weinen.
Und selbst, als die Polizei sich meldete und verkündete, ihn gefunden zu haben, fühlte ich mich nicht sicher. Ich hatte hatte, es würde wieder passieren.

Tapfer trat ich zum Gefrierfach und holte das gewünschte Gemüse raus.
"Habs!", schrie ich die Stufen hoch und trat mit klopfendem Herzen zurück zur Treppe, welche ich so schnell wie möglich hochlief.
Sofort drückte ich die Kellertür ins Schloss und stürmte zu Palle in die Küche. Das Gemüse schmiss ich achtlos auf den Tisch und lief direkt in Palles Arme.
"Danke", sagte ich leise und schmiegte meinen Kopf näher an seine Brust. Sein Herzschlag beruhigte mich, er war langsam. Meiner hingegen schien zu explodieren.

"Ist Alles okay? Ist irgendwas passiert?", fragte mein Freund panisch und erwiderte die Umarmung. Ich schüttelte den Kopf, löste mich sanft, hielt allerdings noch immer seine Hände, und sah in seine glänzenden Augen.
"Es ist alles okay. Darf ich meinem Freund nicht einfach mal sagen, wie sehr ich ihn liebe?"
Lächelnd drückte er mich wieder näher an sich heran und wisperte: "Ich liebe dich auch, Manu." ||

Weiß auch nicht.. hatte irgendwie Lust auf einen late-night-oneshot :D
Aber jetzt schlaft gut, Freunde <3
An alle, die das am morgen lesen: wunderschönen Start in den Tag <3

Kürbistumor Oneshot SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt